Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Indessen hatten die raschen Fortschritte des Schreibers Ferencz in der Gunst der Hausgenossen dem Glücklichen im stillen einen Feind erweckt, der allmählich hervortretend ihn aus der siegreich eingenommenen Stellung wieder hinauszudrängen oder ihm doch die Ausbeutung derselben bedeutend zu erschweren drohte. Dieser Feind war Antal, der Schaffner des Hauses. Sei es, daß Ferencz ihn zu geringer Aufmerksamkeit gewürdigt hatte, oder konnte Antal, aus der Marmarosch gebürtig und ein Ungar mit Leib und Seele, es nicht verschmerzen, dem verhaßten "Schwaben" eine Stelle vertraut zu sehen, zu deren Uebernahme er selbst früher sich unfähig bewiesen hatte, genug, er scheute keine Mühe, jedem Schritt des Schreibers nachzuspüren, und es gelang ihm auch mit dem Scharfblicke des Hasses Bemerkungen zu machen, die, vergiftet durch die Folgerungen des Argwohns und mit der Beredsamkeit der Mißgunst verbreitet, allerdings geeignet waren, seinem Gegner Verlegenheiten aller Art zu bereiten. Vor Allem wußte Antal hervorzuheben, daß die Duplicate der Zeugnisse, die dem Schreiber zu Fünfkirchen gestohlen worden, von Wien nicht eintreffen wollten, wobei er nicht verfehlte, zugleich auf den seltsamen Umstand hinzuweisen, daß die heftigen Anfälle von Kopfgicht und Augenleiden, denen der Schreiber unterworfen war, und die ihn jedesmal nötigten, sein Antlitz mit Binden und Schirmen aller Art zu umhüllen, ihn fast regelmäßig an den Tagen heimzusuchen pflegten, an denen Handelsfreunde des Herrn Indessen hatten die raschen Fortschritte des Schreibers Ferencz in der Gunst der Hausgenossen dem Glücklichen im stillen einen Feind erweckt, der allmählich hervortretend ihn aus der siegreich eingenommenen Stellung wieder hinauszudrängen oder ihm doch die Ausbeutung derselben bedeutend zu erschweren drohte. Dieser Feind war Antal, der Schaffner des Hauses. Sei es, daß Ferencz ihn zu geringer Aufmerksamkeit gewürdigt hatte, oder konnte Antal, aus der Marmarosch gebürtig und ein Ungar mit Leib und Seele, es nicht verschmerzen, dem verhaßten “Schwaben“ eine Stelle vertraut zu sehen, zu deren Uebernahme er selbst früher sich unfähig bewiesen hatte, genug, er scheute keine Mühe, jedem Schritt des Schreibers nachzuspüren, und es gelang ihm auch mit dem Scharfblicke des Hasses Bemerkungen zu machen, die, vergiftet durch die Folgerungen des Argwohns und mit der Beredsamkeit der Mißgunst verbreitet, allerdings geeignet waren, seinem Gegner Verlegenheiten aller Art zu bereiten. Vor Allem wußte Antal hervorzuheben, daß die Duplicate der Zeugnisse, die dem Schreiber zu Fünfkirchen gestohlen worden, von Wien nicht eintreffen wollten, wobei er nicht verfehlte, zugleich auf den seltsamen Umstand hinzuweisen, daß die heftigen Anfälle von Kopfgicht und Augenleiden, denen der Schreiber unterworfen war, und die ihn jedesmal nötigten, sein Antlitz mit Binden und Schirmen aller Art zu umhüllen, ihn fast regelmäßig an den Tagen heimzusuchen pflegten, an denen Handelsfreunde des Herrn <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <pb facs="#f0017"/> <p>Indessen hatten die raschen Fortschritte des Schreibers Ferencz in der Gunst der Hausgenossen dem Glücklichen im stillen einen Feind erweckt, der allmählich hervortretend ihn aus der siegreich eingenommenen Stellung wieder hinauszudrängen oder ihm doch die Ausbeutung derselben bedeutend zu erschweren drohte. Dieser Feind war Antal, der Schaffner des Hauses. Sei es, daß Ferencz ihn zu geringer Aufmerksamkeit gewürdigt hatte, oder konnte Antal, aus der Marmarosch gebürtig und ein Ungar mit Leib und Seele, es nicht verschmerzen, dem verhaßten “Schwaben“ eine Stelle vertraut zu sehen, zu deren Uebernahme er selbst früher sich unfähig bewiesen hatte, genug, er scheute keine Mühe, jedem Schritt des Schreibers nachzuspüren, und es gelang ihm auch mit dem Scharfblicke des Hasses Bemerkungen zu machen, die, vergiftet durch die Folgerungen des Argwohns und mit der Beredsamkeit der Mißgunst verbreitet, allerdings geeignet waren, seinem Gegner Verlegenheiten aller Art zu bereiten. Vor Allem wußte Antal hervorzuheben, daß die Duplicate der Zeugnisse, die dem Schreiber zu Fünfkirchen gestohlen worden, von Wien nicht eintreffen wollten, wobei er nicht verfehlte, zugleich auf den seltsamen Umstand hinzuweisen, daß die heftigen Anfälle von Kopfgicht und Augenleiden, denen der Schreiber unterworfen war, und die ihn jedesmal nötigten, sein Antlitz mit Binden und Schirmen aller Art zu umhüllen, ihn fast regelmäßig an den Tagen heimzusuchen pflegten, an denen Handelsfreunde des Herrn<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Indessen hatten die raschen Fortschritte des Schreibers Ferencz in der Gunst der Hausgenossen dem Glücklichen im stillen einen Feind erweckt, der allmählich hervortretend ihn aus der siegreich eingenommenen Stellung wieder hinauszudrängen oder ihm doch die Ausbeutung derselben bedeutend zu erschweren drohte. Dieser Feind war Antal, der Schaffner des Hauses. Sei es, daß Ferencz ihn zu geringer Aufmerksamkeit gewürdigt hatte, oder konnte Antal, aus der Marmarosch gebürtig und ein Ungar mit Leib und Seele, es nicht verschmerzen, dem verhaßten “Schwaben“ eine Stelle vertraut zu sehen, zu deren Uebernahme er selbst früher sich unfähig bewiesen hatte, genug, er scheute keine Mühe, jedem Schritt des Schreibers nachzuspüren, und es gelang ihm auch mit dem Scharfblicke des Hasses Bemerkungen zu machen, die, vergiftet durch die Folgerungen des Argwohns und mit der Beredsamkeit der Mißgunst verbreitet, allerdings geeignet waren, seinem Gegner Verlegenheiten aller Art zu bereiten. Vor Allem wußte Antal hervorzuheben, daß die Duplicate der Zeugnisse, die dem Schreiber zu Fünfkirchen gestohlen worden, von Wien nicht eintreffen wollten, wobei er nicht verfehlte, zugleich auf den seltsamen Umstand hinzuweisen, daß die heftigen Anfälle von Kopfgicht und Augenleiden, denen der Schreiber unterworfen war, und die ihn jedesmal nötigten, sein Antlitz mit Binden und Schirmen aller Art zu umhüllen, ihn fast regelmäßig an den Tagen heimzusuchen pflegten, an denen Handelsfreunde des Herrn
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Zitationshilfe: | Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910/17>, abgerufen am 17.02.2025. |