Theile: diesen Nachtheil vergütigt die Natur durch eine andere und neue, von den Speisen hergenommene Ma- terie. Möglich ist es, daß wir innerhalb einer kurzen Zeit durch und durch verwandelt werden, und daß im Jahre 1764 von demjenigen nicht das mindeste mehr üb- rig ist, welches im Jahre 1760 unseren Körper ausmachte. So vermuthet J. Keil, daß nach dem Ablaufe eines Jahres nur noch sechszehn Pfunde von der alten Mate- rie übrig bleiben (a). So behauptet Johann Bernoulli, dieser grosse Mann, daß blos von der Ausdünstung, in- nerhalb eines einzigen Jahres mit unserm Körper eine so grosse Umkehrung vorgehe, , oder fast nur der dritte Theil von der alten Materie noch übrig bleibt; hin- gegen nach dem zehnten Jahre, nur noch der funfzigste Theil vorhanden sey, und daß sich der Körper eines acht- zigjährigen Greises vier und zwanzig mal erneuere (b).
Es könnte dieses, sage ich, geschehen; denn ich sehe leicht ein, daß die Ausdünstung (c) fast wie die Nah- rungsmittel beschaffen sind, so nur mit einem Theile un- seres Körpers beladen sind. Man kann ferner glauben, daß sich die flüßigen Theile eines thierischen Körpers ge- schwinde ergänzen, hingegen die festen lange Zeit aus- halten. Was sich sehr geschwinde ergänzt und vermit- telst des Hervortreibens wieder herstellen läst, wie das Kopfhaar und der Bart (d), wird innerhalb eines hal- ben Jahres wieder ersezzt, und die Nägel thun dieses auch noch etwas früher. Doch es erweisen es in der That die
Nar-
(a)[Spaltenumbruch]Quantit. fanguin.
(b)Nutrit. n. 16. 17. 18. 20. Es gehen nämlich täglich fünf Loth von der alten Materie verloren, wie er annimmt, und ergänzen sich wieder n. 56. so ändern sich in ei- nem Jahre 58 Pfunde, so daß bei- nahe alte Materie übrig blei- ben. Siehe bei ihm die n. 17. und in zwei Jahren die Hälfte; inner- [Spaltenumbruch]
halb zehn Jahren gehn vom Körper verloren n. 18. Ein acht- zigjähriger erneuret sich 24 drei- mal n. 20. Anders KEIL ibid.
(c)L. XII. p. 56. 57.
(d)Praelect ad I. R. M. T. III. p. 113. Elem. physiol. T. XII. p. 38. der Versuch wurde an Euro- päern gemacht, welche nach der Türkei reiseten.
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
Theile: dieſen Nachtheil verguͤtigt die Natur durch eine andere und neue, von den Speiſen hergenommene Ma- terie. Moͤglich iſt es, daß wir innerhalb einer kurzen Zeit durch und durch verwandelt werden, und daß im Jahre 1764 von demjenigen nicht das mindeſte mehr uͤb- rig iſt, welches im Jahre 1760 unſeren Koͤrper ausmachte. So vermuthet J. Keil, daß nach dem Ablaufe eines Jahres nur noch ſechszehn Pfunde von der alten Mate- rie uͤbrig bleiben (a). So behauptet Johann Bernoulli, dieſer groſſe Mann, daß blos von der Ausduͤnſtung, in- nerhalb eines einzigen Jahres mit unſerm Koͤrper eine ſo groſſe Umkehrung vorgehe, , oder faſt nur der dritte Theil von der alten Materie noch uͤbrig bleibt; hin- gegen nach dem zehnten Jahre, nur noch der funfzigſte Theil vorhanden ſey, und daß ſich der Koͤrper eines acht- zigjaͤhrigen Greiſes vier und zwanzig mal erneuere (b).
Es koͤnnte dieſes, ſage ich, geſchehen; denn ich ſehe leicht ein, daß die Ausduͤnſtung (c) faſt wie die Nah- rungsmittel beſchaffen ſind, ſo nur mit einem Theile un- ſeres Koͤrpers beladen ſind. Man kann ferner glauben, daß ſich die fluͤßigen Theile eines thieriſchen Koͤrpers ge- ſchwinde ergaͤnzen, hingegen die feſten lange Zeit aus- halten. Was ſich ſehr geſchwinde ergaͤnzt und vermit- telſt des Hervortreibens wieder herſtellen laͤſt, wie das Kopfhaar und der Bart (d), wird innerhalb eines hal- ben Jahres wieder erſezzt, und die Naͤgel thun dieſes auch noch etwas fruͤher. Doch es erweiſen es in der That die
Nar-
(a)[Spaltenumbruch]Quantit. fanguin.
(b)Nutrit. n. 16. 17. 18. 20. Es gehen naͤmlich taͤglich fuͤnf Loth von der alten Materie verloren, wie er annimmt, und ergaͤnzen ſich wieder n. 56. ſo aͤndern ſich in ei- nem Jahre 58 Pfunde, ſo daß bei- nahe alte Materie uͤbrig blei- ben. Siehe bei ihm die n. 17. und in zwei Jahren die Haͤlfte; inner- [Spaltenumbruch]
halb zehn Jahren gehn vom Koͤrper verloren n. 18. Ein acht- zigjaͤhriger erneuret ſich 24 drei- mal n. 20. Anders KEIL ibid.
(c)L. XII. p. 56. 57.
(d)Praelect ad I. R. M. T. III. p. 113. Elem. phyſiol. T. XII. p. 38. der Verſuch wurde an Euro- paͤern gemacht, welche nach der Tuͤrkei reiſeten.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0942"n="888[890]"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Leben u. Tod der Menſchen. <hirendition="#aq">XXX.</hi> B.</hi></fw><lb/>
Theile: dieſen Nachtheil verguͤtigt die Natur durch eine<lb/>
andere und neue, von den Speiſen hergenommene Ma-<lb/>
terie. Moͤglich iſt es, daß wir innerhalb einer kurzen<lb/>
Zeit durch und durch verwandelt werden, und daß im<lb/>
Jahre 1764 von demjenigen nicht das mindeſte mehr uͤb-<lb/>
rig iſt, welches im Jahre 1760 unſeren Koͤrper ausmachte.<lb/>
So vermuthet J. <hirendition="#fr">Keil,</hi> daß nach dem Ablaufe eines<lb/>
Jahres nur noch ſechszehn Pfunde von der alten Mate-<lb/>
rie uͤbrig bleiben <noteplace="foot"n="(a)"><cb/><hirendition="#aq">Quantit. fanguin.</hi></note>. So behauptet Johann <hirendition="#fr">Bernoulli,</hi><lb/>
dieſer groſſe Mann, daß blos von der Ausduͤnſtung, in-<lb/>
nerhalb eines einzigen Jahres mit unſerm Koͤrper eine<lb/>ſo groſſe Umkehrung vorgehe, <formulanotation="TeX">\frac {1549}{4800}</formula>, oder faſt nur der<lb/>
dritte Theil von der alten Materie noch uͤbrig bleibt; hin-<lb/>
gegen nach dem zehnten Jahre, nur noch der funfzigſte<lb/>
Theil vorhanden ſey, und daß ſich der Koͤrper eines acht-<lb/>
zigjaͤhrigen Greiſes vier und zwanzig mal erneuere <noteplace="foot"n="(b)"><hirendition="#aq">Nutrit. n.</hi> 16. 17. 18. 20.<lb/>
Es gehen naͤmlich taͤglich fuͤnf Loth<lb/>
von der alten Materie verloren,<lb/>
wie er annimmt, und ergaͤnzen ſich<lb/>
wieder <hirendition="#aq">n.</hi> 56. ſo aͤndern ſich in ei-<lb/>
nem Jahre 58 Pfunde, ſo daß bei-<lb/>
nahe <formulanotation="TeX">\frac {3251}{4800}</formula> alte Materie uͤbrig blei-<lb/>
ben. Siehe bei ihm die <hirendition="#aq">n.</hi> 17. und<lb/>
in zwei Jahren die Haͤlfte; inner-<lb/><cb/>
halb zehn Jahren gehn <formulanotation="TeX">\frac {49}{50}</formula> vom<lb/>
Koͤrper verloren <hirendition="#aq">n.</hi> 18. Ein acht-<lb/>
zigjaͤhriger erneuret ſich 24 drei-<lb/>
mal <hirendition="#aq">n.</hi> 20. Anders <hirendition="#aq">KEIL ibid.</hi></note>.</p><lb/><p>Es koͤnnte dieſes, ſage ich, geſchehen; denn ich ſehe<lb/>
leicht ein, daß die Ausduͤnſtung <noteplace="foot"n="(c)"><hirendition="#aq">L. XII. p.</hi> 56. 57.</note> faſt wie die Nah-<lb/>
rungsmittel beſchaffen ſind, ſo nur mit einem Theile un-<lb/>ſeres Koͤrpers beladen ſind. Man kann ferner glauben,<lb/>
daß ſich die fluͤßigen Theile eines thieriſchen Koͤrpers ge-<lb/>ſchwinde ergaͤnzen, hingegen die feſten lange Zeit aus-<lb/>
halten. Was ſich ſehr geſchwinde ergaͤnzt und vermit-<lb/>
telſt des Hervortreibens wieder herſtellen laͤſt, wie das<lb/>
Kopfhaar und der Bart <noteplace="foot"n="(d)"><hirendition="#aq">Praelect ad I. R. M. T. III.<lb/>
p. 113. Elem. phyſiol. T. XII. p.</hi><lb/>
38. der Verſuch wurde an Euro-<lb/>
paͤern gemacht, welche nach der<lb/>
Tuͤrkei reiſeten.</note>, wird innerhalb eines hal-<lb/>
ben Jahres wieder erſezzt, und die Naͤgel thun dieſes auch<lb/>
noch etwas fruͤher. Doch es erweiſen es in der That die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Nar-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[888[890]/0942]
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
Theile: dieſen Nachtheil verguͤtigt die Natur durch eine
andere und neue, von den Speiſen hergenommene Ma-
terie. Moͤglich iſt es, daß wir innerhalb einer kurzen
Zeit durch und durch verwandelt werden, und daß im
Jahre 1764 von demjenigen nicht das mindeſte mehr uͤb-
rig iſt, welches im Jahre 1760 unſeren Koͤrper ausmachte.
So vermuthet J. Keil, daß nach dem Ablaufe eines
Jahres nur noch ſechszehn Pfunde von der alten Mate-
rie uͤbrig bleiben (a). So behauptet Johann Bernoulli,
dieſer groſſe Mann, daß blos von der Ausduͤnſtung, in-
nerhalb eines einzigen Jahres mit unſerm Koͤrper eine
ſo groſſe Umkehrung vorgehe, [FORMEL], oder faſt nur der
dritte Theil von der alten Materie noch uͤbrig bleibt; hin-
gegen nach dem zehnten Jahre, nur noch der funfzigſte
Theil vorhanden ſey, und daß ſich der Koͤrper eines acht-
zigjaͤhrigen Greiſes vier und zwanzig mal erneuere (b).
Es koͤnnte dieſes, ſage ich, geſchehen; denn ich ſehe
leicht ein, daß die Ausduͤnſtung (c) faſt wie die Nah-
rungsmittel beſchaffen ſind, ſo nur mit einem Theile un-
ſeres Koͤrpers beladen ſind. Man kann ferner glauben,
daß ſich die fluͤßigen Theile eines thieriſchen Koͤrpers ge-
ſchwinde ergaͤnzen, hingegen die feſten lange Zeit aus-
halten. Was ſich ſehr geſchwinde ergaͤnzt und vermit-
telſt des Hervortreibens wieder herſtellen laͤſt, wie das
Kopfhaar und der Bart (d), wird innerhalb eines hal-
ben Jahres wieder erſezzt, und die Naͤgel thun dieſes auch
noch etwas fruͤher. Doch es erweiſen es in der That die
Nar-
(a)
Quantit. fanguin.
(b) Nutrit. n. 16. 17. 18. 20.
Es gehen naͤmlich taͤglich fuͤnf Loth
von der alten Materie verloren,
wie er annimmt, und ergaͤnzen ſich
wieder n. 56. ſo aͤndern ſich in ei-
nem Jahre 58 Pfunde, ſo daß bei-
nahe [FORMEL] alte Materie uͤbrig blei-
ben. Siehe bei ihm die n. 17. und
in zwei Jahren die Haͤlfte; inner-
halb zehn Jahren gehn [FORMEL] vom
Koͤrper verloren n. 18. Ein acht-
zigjaͤhriger erneuret ſich 24 drei-
mal n. 20. Anders KEIL ibid.
(c) L. XII. p. 56. 57.
(d) Praelect ad I. R. M. T. III.
p. 113. Elem. phyſiol. T. XII. p.
38. der Verſuch wurde an Euro-
paͤern gemacht, welche nach der
Tuͤrkei reiſeten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 888[890]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/942>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.
