rieben werden, daß man fast gar keine mehr übrig fin- det. Jn dem Gelenke des untern Kinnbakkens am Schläfenknochen, welches in der That am meisten aus- zustehen hat, habe ich mehr als einmal das kleine Knor- pelchen, welches dazwischen liegt, durchlöchert gefunden, so daß an der Mitte desselben entweder eine kleine Mem- bran, oder überhaupt gar keine übrig war (y). An eben dieser Stelle habe ich die Knorpelrinde beider Knochen (z) gänzlich abgerieben gefunden, sie hatte sich in rundliche Klümpe verwandelt, und mit diesen war die ganze Hö- lung des Gelenks angefüllet.
Doch es drükken auch und zerreiben die Muskeln, vermittelst ihres Aufschwellens, die benachbarten Faden- gewebe, ihre benachbarte Muskeln, oder auch andere Thei- le des thierischen Körpers mit einer ziemlichen Lebhaftig- keit. Bekannt ist es, daß der vordere Schienbeinmus- kel den äusseren Knochen des Schienbeins aushölt, und daß überhaupt alle lange Knochen, in der Frucht rund, und bei einem erwachsenen Menschen dreiekkigt sind (a), welches man einzig und allein dem Spiele der daran lie- genden Muskeln zuzuschreiben hat. Doch es ist auch die Beobachtung selbst von den Muskeln sehr bekannt, und wo sich zween grosse Muskeln einander berühren und reiben, da verwandeln sich alle beide in so dünne Körper, als eine Sehne ist: es hat nämlich das Reiben eine so grosse Kraft, daß nachdem die mehresten mus- kulösen Gefässe zerstöret und das cellulöse Wesen entweder verdichtet oder zerstöret worden, die Sehnen, welche vorher roth, weich und breyartig waren, nunmehr hart, glänzend und vollkommen weiß werden, so wie bei den Mechanicis nahe an einander liegende Körper, welche über einander bewegt werden, zu ganz glatten Oberflächen zu werden pflegen. Wo sich also Muskeln über den Kno-
chen
(y)[Spaltenumbruch]L. XVIII. p. 9.
(z)Ibid.
(a)[Spaltenumbruch]
Besiehe dieses L. XXIX. Sect. IV.
II. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
rieben werden, daß man faſt gar keine mehr uͤbrig fin- det. Jn dem Gelenke des untern Kinnbakkens am Schlaͤfenknochen, welches in der That am meiſten aus- zuſtehen hat, habe ich mehr als einmal das kleine Knor- pelchen, welches dazwiſchen liegt, durchloͤchert gefunden, ſo daß an der Mitte deſſelben entweder eine kleine Mem- bran, oder uͤberhaupt gar keine uͤbrig war (y). An eben dieſer Stelle habe ich die Knorpelrinde beider Knochen (z) gaͤnzlich abgerieben gefunden, ſie hatte ſich in rundliche Kluͤmpe verwandelt, und mit dieſen war die ganze Hoͤ- lung des Gelenks angefuͤllet.
Doch es druͤkken auch und zerreiben die Muskeln, vermittelſt ihres Aufſchwellens, die benachbarten Faden- gewebe, ihre benachbarte Muskeln, oder auch andere Thei- le des thieriſchen Koͤrpers mit einer ziemlichen Lebhaftig- keit. Bekannt iſt es, daß der vordere Schienbeinmus- kel den aͤuſſeren Knochen des Schienbeins aushoͤlt, und daß uͤberhaupt alle lange Knochen, in der Frucht rund, und bei einem erwachſenen Menſchen dreiekkigt ſind (a), welches man einzig und allein dem Spiele der daran lie- genden Muskeln zuzuſchreiben hat. Doch es iſt auch die Beobachtung ſelbſt von den Muskeln ſehr bekannt, und wo ſich zween groſſe Muskeln einander beruͤhren und reiben, da verwandeln ſich alle beide in ſo duͤnne Koͤrper, als eine Sehne iſt: es hat naͤmlich das Reiben eine ſo groſſe Kraft, daß nachdem die mehreſten mus- kuloͤſen Gefaͤſſe zerſtoͤret und das celluloͤſe Weſen entweder verdichtet oder zerſtoͤret worden, die Sehnen, welche vorher roth, weich und breyartig waren, nunmehr hart, glaͤnzend und vollkommen weiß werden, ſo wie bei den Mechanicis nahe an einander liegende Koͤrper, welche uͤber einander bewegt werden, zu ganz glatten Oberflaͤchen zu werden pflegen. Wo ſich alſo Muskeln uͤber den Kno-
chen
(y)[Spaltenumbruch]L. XVIII. p. 9.
(z)Ibid.
(a)[Spaltenumbruch]
Beſiehe dieſes L. XXIX. Sect. IV.
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[875[877]/0929]
II. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
rieben werden, daß man faſt gar keine mehr uͤbrig fin-
det. Jn dem Gelenke des untern Kinnbakkens am
Schlaͤfenknochen, welches in der That am meiſten aus-
zuſtehen hat, habe ich mehr als einmal das kleine Knor-
pelchen, welches dazwiſchen liegt, durchloͤchert gefunden,
ſo daß an der Mitte deſſelben entweder eine kleine Mem-
bran, oder uͤberhaupt gar keine uͤbrig war (y). An eben
dieſer Stelle habe ich die Knorpelrinde beider Knochen (z)
gaͤnzlich abgerieben gefunden, ſie hatte ſich in rundliche
Kluͤmpe verwandelt, und mit dieſen war die ganze Hoͤ-
lung des Gelenks angefuͤllet.
Doch es druͤkken auch und zerreiben die Muskeln,
vermittelſt ihres Aufſchwellens, die benachbarten Faden-
gewebe, ihre benachbarte Muskeln, oder auch andere Thei-
le des thieriſchen Koͤrpers mit einer ziemlichen Lebhaftig-
keit. Bekannt iſt es, daß der vordere Schienbeinmus-
kel den aͤuſſeren Knochen des Schienbeins aushoͤlt, und
daß uͤberhaupt alle lange Knochen, in der Frucht rund,
und bei einem erwachſenen Menſchen dreiekkigt ſind (a),
welches man einzig und allein dem Spiele der daran lie-
genden Muskeln zuzuſchreiben hat. Doch es iſt auch
die Beobachtung ſelbſt von den Muskeln ſehr bekannt,
und wo ſich zween groſſe Muskeln einander beruͤhren
und reiben, da verwandeln ſich alle beide in ſo duͤnne
Koͤrper, als eine Sehne iſt: es hat naͤmlich das Reiben
eine ſo groſſe Kraft, daß nachdem die mehreſten mus-
kuloͤſen Gefaͤſſe zerſtoͤret und das celluloͤſe Weſen entweder
verdichtet oder zerſtoͤret worden, die Sehnen, welche
vorher roth, weich und breyartig waren, nunmehr hart,
glaͤnzend und vollkommen weiß werden, ſo wie bei den
Mechanicis nahe an einander liegende Koͤrper, welche
uͤber einander bewegt werden, zu ganz glatten Oberflaͤchen
zu werden pflegen. Wo ſich alſo Muskeln uͤber den Kno-
chen
(y)
L. XVIII. p. 9.
(z) Ibid.
(a)
Beſiehe dieſes L. XXIX.
Sect. IV.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 875[877]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/929>, abgerufen am 22.11.2024.
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