Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Frucht. XXIX. B.

Nicht ganz muß man das Zeugniß des Berenga-
rius
(v) aus der Acht lassen, welcher sogar die jungen
Pferde und Eselfüllen, denen man die Nabelschnur ab-
geschnitten, das Leben einbüssen gesehen.

Der Puls schlägt auch bei dem Menschen geschwin-
der, als bei den meisten Thieren (x).

Jch glaube auch nicht, daß man das Leben des klei-
nen Menschens, mit Sicherheit auf die Länge der Na-
belschnur bauen könne, und da man selbige zwei und drei-
ßig Linien lang befand, so waren doch, da man das Band
verabsäumte, die Eingeweide und grosse Gefässe (y) ganz
von Blute leer.

Endlich verlohr eine Kindbetterin, da der Kuchen in
der Mutter stekken blieb, und die Nabelschnur ohne Band
gelassen wurde, eine grosse Menge Blut, bis man dem
Uebel durch die Anlegung eines Fadens um die Nabel-
schnur (z) steurete. Und wenn bisweilen, nach der Ge-
burt des einen Kindes von Zwillingen, das andere her-
ausgezogen wurde, ohne daß darnach Blut geflossen (a),
so heben verneinende Beispiele nicht die Kraft der Beja-
henden auf. Wenn Zwillinge zu vermuthen sind, so
könnte in der That, wenn der eine herausgezogen wor-
den, vermittelst seiner Nabelschnur, der andere unter
den Zwillingen, nach einem Verluste von Geblüte das
Leben einbüssen (b).

Daher weisen hin und wieder strengere Gerichts-
höfe (c) diese neue Entschuldigung der Kindermörderinnen
von sich; und es beziehen sich auch die Aerzte von der

Ge-
(v) [Spaltenumbruch] In MUNDIN p. CCLXI.
doch sterben nicht die Thiere, oder
sie leiden kein Verbluten, wenn
man ben Nabel zerschneidet. ZEL-
LER l. c. p.
11. 12.
(x) L. VI. p. 249.
(y) I. C. FABRICIUS zweyte
Samml. p. 15. 16.
(z) [Spaltenumbruch] AUBER beim MERY probl.
p. 32. GIFFARD. p. 239. La MOT-
TE obs.
394.
(a) BURTON p. 60.
(b) SHIPPEN.
(c) HELMSTADIENSES. P. C.
FABRIC. Samml. p. 46. LIPSIEN-
SES
beim ZITTMAN Cent. IV.
cas. 35. & Cent. II. cas.
20.
Die Frucht. XXIX. B.

Nicht ganz muß man das Zeugniß des Berenga-
rius
(v) aus der Acht laſſen, welcher ſogar die jungen
Pferde und Eſelfuͤllen, denen man die Nabelſchnur ab-
geſchnitten, das Leben einbuͤſſen geſehen.

Der Puls ſchlaͤgt auch bei dem Menſchen geſchwin-
der, als bei den meiſten Thieren (x).

Jch glaube auch nicht, daß man das Leben des klei-
nen Menſchens, mit Sicherheit auf die Laͤnge der Na-
belſchnur bauen koͤnne, und da man ſelbige zwei und drei-
ßig Linien lang befand, ſo waren doch, da man das Band
verabſaͤumte, die Eingeweide und groſſe Gefaͤſſe (y) ganz
von Blute leer.

Endlich verlohr eine Kindbetterin, da der Kuchen in
der Mutter ſtekken blieb, und die Nabelſchnur ohne Band
gelaſſen wurde, eine groſſe Menge Blut, bis man dem
Uebel durch die Anlegung eines Fadens um die Nabel-
ſchnur (z) ſteurete. Und wenn bisweilen, nach der Ge-
burt des einen Kindes von Zwillingen, das andere her-
ausgezogen wurde, ohne daß darnach Blut gefloſſen (a),
ſo heben verneinende Beiſpiele nicht die Kraft der Beja-
henden auf. Wenn Zwillinge zu vermuthen ſind, ſo
koͤnnte in der That, wenn der eine herausgezogen wor-
den, vermittelſt ſeiner Nabelſchnur, der andere unter
den Zwillingen, nach einem Verluſte von Gebluͤte das
Leben einbuͤſſen (b).

Daher weiſen hin und wieder ſtrengere Gerichts-
hoͤfe (c) dieſe neue Entſchuldigung der Kindermoͤrderinnen
von ſich; und es beziehen ſich auch die Aerzte von der

Ge-
(v) [Spaltenumbruch] In MUNDIN p. CCLXI.
doch ſterben nicht die Thiere, oder
ſie leiden kein Verbluten, wenn
man ben Nabel zerſchneidet. ZEL-
LER l. c. p.
11. 12.
(x) L. VI. p. 249.
(y) I. C. FABRICIUS zweyte
Samml. p. 15. 16.
(z) [Spaltenumbruch] AUBER beim MERY probl.
p. 32. GIFFARD. p. 239. La MOT-
TE obſ.
394.
(a) BURTON p. 60.
(b) SHIPPEN.
(c) HELMSTADIENSES. P. C.
FABRIC. Samml. p. 46. LIPSIEN-
SES
beim ZITTMAN Cent. IV.
caſ. 35. & Cent. II. caſ.
20.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0792" n="738[740]"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Frucht. <hi rendition="#aq">XXIX.</hi> B.</hi> </fw><lb/>
              <p>Nicht ganz muß man das Zeugniß des <hi rendition="#fr">Berenga-<lb/>
rius</hi> <note place="foot" n="(v)"><cb/><hi rendition="#aq">In MUNDIN p. CCLXI.</hi><lb/>
doch &#x017F;terben nicht die Thiere, oder<lb/>
&#x017F;ie leiden kein Verbluten, wenn<lb/>
man ben Nabel zer&#x017F;chneidet. <hi rendition="#aq">ZEL-<lb/>
LER l. c. p.</hi> 11. 12.</note> aus der Acht la&#x017F;&#x017F;en, welcher &#x017F;ogar die jungen<lb/>
Pferde und E&#x017F;elfu&#x0364;llen, denen man die Nabel&#x017F;chnur ab-<lb/>
ge&#x017F;chnitten, das Leben einbu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ge&#x017F;ehen.</p><lb/>
              <p>Der Puls &#x017F;chla&#x0364;gt auch bei dem Men&#x017F;chen ge&#x017F;chwin-<lb/>
der, als bei den mei&#x017F;ten Thieren <note place="foot" n="(x)"><hi rendition="#aq">L. VI. p.</hi> 249.</note>.</p><lb/>
              <p>Jch glaube auch nicht, daß man das Leben des klei-<lb/>
nen Men&#x017F;chens, mit Sicherheit auf die La&#x0364;nge der Na-<lb/>
bel&#x017F;chnur bauen ko&#x0364;nne, und da man &#x017F;elbige zwei und drei-<lb/>
ßig Linien lang befand, &#x017F;o waren doch, da man das Band<lb/>
verab&#x017F;a&#x0364;umte, die Eingeweide und gro&#x017F;&#x017F;e Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e <note place="foot" n="(y)"><hi rendition="#aq">I. C. FABRICIUS</hi> zweyte<lb/>
Samml. <hi rendition="#aq">p.</hi> 15. 16.</note> ganz<lb/>
von Blute leer.</p><lb/>
              <p>Endlich verlohr eine Kindbetterin, da der Kuchen in<lb/>
der Mutter &#x017F;tekken blieb, und die Nabel&#x017F;chnur ohne Band<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en wurde, eine gro&#x017F;&#x017F;e Menge Blut, bis man dem<lb/>
Uebel durch die Anlegung eines Fadens um die Nabel-<lb/>
&#x017F;chnur <note place="foot" n="(z)"><cb/><hi rendition="#aq">AUBER</hi> beim <hi rendition="#aq">MERY probl.<lb/>
p. 32. GIFFARD. p. 239. La MOT-<lb/>
TE ob&#x017F;.</hi> 394.</note> &#x017F;teurete. Und wenn bisweilen, nach der Ge-<lb/>
burt des einen Kindes von Zwillingen, das andere her-<lb/>
ausgezogen wurde, ohne daß darnach Blut geflo&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq">BURTON p.</hi> 60.</note>,<lb/>
&#x017F;o heben verneinende Bei&#x017F;piele nicht die Kraft der Beja-<lb/>
henden auf. Wenn Zwillinge zu vermuthen &#x017F;ind, &#x017F;o<lb/>
ko&#x0364;nnte in der That, wenn der eine herausgezogen wor-<lb/>
den, vermittel&#x017F;t &#x017F;einer Nabel&#x017F;chnur, der andere unter<lb/>
den Zwillingen, nach einem Verlu&#x017F;te von Geblu&#x0364;te das<lb/>
Leben einbu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq">SHIPPEN.</hi></note>.</p><lb/>
              <p>Daher wei&#x017F;en hin und wieder &#x017F;trengere Gerichts-<lb/>
ho&#x0364;fe <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq">HELMSTADIENSES. P. C.<lb/>
FABRIC. Samml. p. 46. LIPSIEN-<lb/>
SES</hi> beim <hi rendition="#aq">ZITTMAN Cent. IV.<lb/>
ca&#x017F;. 35. &amp; Cent. II. ca&#x017F;.</hi> 20.</note> die&#x017F;e neue Ent&#x017F;chuldigung der Kindermo&#x0364;rderinnen<lb/>
von &#x017F;ich; und es beziehen &#x017F;ich auch die Aerzte von der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ge-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[738[740]/0792] Die Frucht. XXIX. B. Nicht ganz muß man das Zeugniß des Berenga- rius (v) aus der Acht laſſen, welcher ſogar die jungen Pferde und Eſelfuͤllen, denen man die Nabelſchnur ab- geſchnitten, das Leben einbuͤſſen geſehen. Der Puls ſchlaͤgt auch bei dem Menſchen geſchwin- der, als bei den meiſten Thieren (x). Jch glaube auch nicht, daß man das Leben des klei- nen Menſchens, mit Sicherheit auf die Laͤnge der Na- belſchnur bauen koͤnne, und da man ſelbige zwei und drei- ßig Linien lang befand, ſo waren doch, da man das Band verabſaͤumte, die Eingeweide und groſſe Gefaͤſſe (y) ganz von Blute leer. Endlich verlohr eine Kindbetterin, da der Kuchen in der Mutter ſtekken blieb, und die Nabelſchnur ohne Band gelaſſen wurde, eine groſſe Menge Blut, bis man dem Uebel durch die Anlegung eines Fadens um die Nabel- ſchnur (z) ſteurete. Und wenn bisweilen, nach der Ge- burt des einen Kindes von Zwillingen, das andere her- ausgezogen wurde, ohne daß darnach Blut gefloſſen (a), ſo heben verneinende Beiſpiele nicht die Kraft der Beja- henden auf. Wenn Zwillinge zu vermuthen ſind, ſo koͤnnte in der That, wenn der eine herausgezogen wor- den, vermittelſt ſeiner Nabelſchnur, der andere unter den Zwillingen, nach einem Verluſte von Gebluͤte das Leben einbuͤſſen (b). Daher weiſen hin und wieder ſtrengere Gerichts- hoͤfe (c) dieſe neue Entſchuldigung der Kindermoͤrderinnen von ſich; und es beziehen ſich auch die Aerzte von der Ge- (v) In MUNDIN p. CCLXI. doch ſterben nicht die Thiere, oder ſie leiden kein Verbluten, wenn man ben Nabel zerſchneidet. ZEL- LER l. c. p. 11. 12. (x) L. VI. p. 249. (y) I. C. FABRICIUS zweyte Samml. p. 15. 16. (z) AUBER beim MERY probl. p. 32. GIFFARD. p. 239. La MOT- TE obſ. 394. (a) BURTON p. 60. (b) SHIPPEN. (c) HELMSTADIENSES. P. C. FABRIC. Samml. p. 46. LIPSIEN- SES beim ZITTMAN Cent. IV. caſ. 35. & Cent. II. caſ. 20.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/792
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 738[740]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/792>, abgerufen am 22.11.2024.