noch die Sicherheit der Frucht, indem diese nicht ohne Gefahr die Folgen des, von der auffallenden Luft gerin- nenden Blutes erfahren würde.
Bei den Thieren beisset die Mutter die Nabelschnur entzwei.
Was den Menschen betrift, so bindet die Wehemut- ter die Nabelschnur sorgfältig mit einem Zwirnfaden (c), und hierauf schneidet sie selbige, bei allen gesitteten Völ- kern mit dem Messer ab. Sie lassen kein gar zu langes Ende an dem Kinde, damit sich nicht die Därme der Frucht mit dem Darmfelle zu einer schwachen Schnur zurükke ziehen mögen (d); und kein gar zu kleines Ende, weil es das Blut schlecht im Zaume erhalten würde.
Zu allen Zeiten, und wie ich vermuthe, auch bei allen Völkern sind die Hebammen in dem Puncte unter einander einig, daß sie die Nabelschnur nicht ehe zer- schneiden, als bis sie solche mit einer gedoppelten Schnur unterbunden.
Fanton ist nach dem Exempel der erste, welcher zweifelte (e), ob es überhaupt nöthig sey, die Nabelschnur zu unterbinden, und er führt ein Exempel an, da bei ei- ner Menschenfrucht kein Verbluten erfolgt ist, ob man ihr gleich den Nabel nicht abgebunden (f).
Nach ihm stand J. Henrich Schulze(g), ein Mann von vielfacher Gelehrsamkeit auf, welcher, da er das Exempel der Thiere vor Augen hatte, am Menschen nichts fand, warum derselbe dieser Schnur mehr, als die übri- gen Thiere, benöthigt wäre.
Man sollte vielmehr glauben, daß er diese Unter- bindung viel weniger nöthig habe, indem, so viel ich mich erinnern kann, der Mensch allein eine lange und
ge-
(c)[Spaltenumbruch]
Zweimal CROESER l. c. p. 11. J. v. HORNE p. 61. dreimal DIONIS accouchem. p. 371.
(d)CHAPMAN p. 127. 128. verbietet nicht über 2 Zoll zu gehen.
(e)[Spaltenumbruch]p. 261.
(f)Ibid.
(g)An deligand. fanicul. um- bilic. & in physiolog. p. 125. sehr bescheiden allenthalben.
V. Abſ. Die Geburt.
noch die Sicherheit der Frucht, indem dieſe nicht ohne Gefahr die Folgen des, von der auffallenden Luft gerin- nenden Blutes erfahren wuͤrde.
Bei den Thieren beiſſet die Mutter die Nabelſchnur entzwei.
Was den Menſchen betrift, ſo bindet die Wehemut- ter die Nabelſchnur ſorgfaͤltig mit einem Zwirnfaden (c), und hierauf ſchneidet ſie ſelbige, bei allen geſitteten Voͤl- kern mit dem Meſſer ab. Sie laſſen kein gar zu langes Ende an dem Kinde, damit ſich nicht die Daͤrme der Frucht mit dem Darmfelle zu einer ſchwachen Schnur zuruͤkke ziehen moͤgen (d); und kein gar zu kleines Ende, weil es das Blut ſchlecht im Zaume erhalten wuͤrde.
Zu allen Zeiten, und wie ich vermuthe, auch bei allen Voͤlkern ſind die Hebammen in dem Puncte unter einander einig, daß ſie die Nabelſchnur nicht ehe zer- ſchneiden, als bis ſie ſolche mit einer gedoppelten Schnur unterbunden.
Fanton iſt nach dem Exempel der erſte, welcher zweifelte (e), ob es uͤberhaupt noͤthig ſey, die Nabelſchnur zu unterbinden, und er fuͤhrt ein Exempel an, da bei ei- ner Menſchenfrucht kein Verbluten erfolgt iſt, ob man ihr gleich den Nabel nicht abgebunden (f).
Nach ihm ſtand J. Henrich Schulze(g), ein Mann von vielfacher Gelehrſamkeit auf, welcher, da er das Exempel der Thiere vor Augen hatte, am Menſchen nichts fand, warum derſelbe dieſer Schnur mehr, als die uͤbri- gen Thiere, benoͤthigt waͤre.
Man ſollte vielmehr glauben, daß er dieſe Unter- bindung viel weniger noͤthig habe, indem, ſo viel ich mich erinnern kann, der Menſch allein eine lange und
ge-
(c)[Spaltenumbruch]
Zweimal CROESER l. c. p. 11. J. v. HORNE p. 61. dreimal DIONIS accouchem. p. 371.
(d)CHAPMAN p. 127. 128. verbietet nicht uͤber 2 Zoll zu gehen.
(e)[Spaltenumbruch]p. 261.
(f)Ibid.
(g)An deligand. fanicul. um- bilic. & in phyſiolog. p. 125. ſehr beſcheiden allenthalben.
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[733[735]/0787]
V. Abſ. Die Geburt.
noch die Sicherheit der Frucht, indem dieſe nicht ohne
Gefahr die Folgen des, von der auffallenden Luft gerin-
nenden Blutes erfahren wuͤrde.
Bei den Thieren beiſſet die Mutter die Nabelſchnur
entzwei.
Was den Menſchen betrift, ſo bindet die Wehemut-
ter die Nabelſchnur ſorgfaͤltig mit einem Zwirnfaden (c),
und hierauf ſchneidet ſie ſelbige, bei allen geſitteten Voͤl-
kern mit dem Meſſer ab. Sie laſſen kein gar zu langes
Ende an dem Kinde, damit ſich nicht die Daͤrme der
Frucht mit dem Darmfelle zu einer ſchwachen Schnur
zuruͤkke ziehen moͤgen (d); und kein gar zu kleines Ende,
weil es das Blut ſchlecht im Zaume erhalten wuͤrde.
Zu allen Zeiten, und wie ich vermuthe, auch bei
allen Voͤlkern ſind die Hebammen in dem Puncte unter
einander einig, daß ſie die Nabelſchnur nicht ehe zer-
ſchneiden, als bis ſie ſolche mit einer gedoppelten Schnur
unterbunden.
Fanton iſt nach dem Exempel der erſte, welcher
zweifelte (e), ob es uͤberhaupt noͤthig ſey, die Nabelſchnur
zu unterbinden, und er fuͤhrt ein Exempel an, da bei ei-
ner Menſchenfrucht kein Verbluten erfolgt iſt, ob man
ihr gleich den Nabel nicht abgebunden (f).
Nach ihm ſtand J. Henrich Schulze (g), ein Mann
von vielfacher Gelehrſamkeit auf, welcher, da er das
Exempel der Thiere vor Augen hatte, am Menſchen nichts
fand, warum derſelbe dieſer Schnur mehr, als die uͤbri-
gen Thiere, benoͤthigt waͤre.
Man ſollte vielmehr glauben, daß er dieſe Unter-
bindung viel weniger noͤthig habe, indem, ſo viel ich
mich erinnern kann, der Menſch allein eine lange und
ge-
(c)
Zweimal CROESER l. c.
p. 11. J. v. HORNE p. 61. dreimal
DIONIS accouchem. p. 371.
(d) CHAPMAN p. 127. 128.
verbietet nicht uͤber 2 Zoll zu gehen.
(e)
p. 261.
(f) Ibid.
(g) An deligand. fanicul. um-
bilic. & in phyſiolog. p. 125. ſehr
beſcheiden allenthalben.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 733[735]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/787>, abgerufen am 22.11.2024.
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