Ferner, daß von diesem, dem Stulzwange ganz ähnlichen Schmerze, womit ihn auch unerfahrne Perso- nen bei ihrem ersten Kindbette gemeiniglich verwechseln, der Wille angespornet werde, sich durch eine anhaltende Geburtsarbeit von der beschwerlichen Last zu befreyen, und den unbequemen Gast aus dem engen Quartier zu werfen. So lieset man auch, daß Krämpfe bei einer Frau, welche sich ihrer nicht recht bewust ist, die Geburt befördern (m), und den Muttermund öffnen (n).
Jndessen gehen doch vielmehr meine Gedanken dahin, daß die Gebärmutter ein Widerstand ist, und daß ihre Kräfte dem Athemholen zuwider wirken, daß sie ihren Mund verschließt, von den zusammenziehenden Kräften aber verdrengt wird, so auf den Hals, auf die Finger, und auf die eingestekkte Hand drükken: diese Kraft ist der Geburt zuwider, indem sie den Mund, der die Frucht durchlassen soll, verengert.
Jch habe die mehresten Fasern der Gebärmutter als Queerfasern (o), und als schiefe, und zum Verengern geschikkte Fasern befunden. Jch glaube auch, daß sie im Anfange der Geburt vollkommnen Widerstand thun, weil zu dieser Zeit der Kopf in den Hals hinein getrieben wird (p), und der Reiz an dieser Stelle am allerheftig- sten ist, und das vornehmste Zusammenziehen daselbst geschehen muß, weil der Hals mehr Empfindlichkeit be- sizzet (q), oder weil er von dem harten Kopfe (r) stärker angefüllt, auseinander gedehnt, und gerieben wird, als die Gebärmutter von dem übrigen Klumpen der Frucht. Von diesem Widerstande des Halses, und der sämtli- chen Gebärmutter rührt es her, daß sich der innere
Mund
(m)[Spaltenumbruch]SMELLIE cases p. 322. WATTS l. c. p. 68. conf. p.
(n) Bei jedem einzelnen Kramp- fe HEISTER de partu mirabili &c. & SMELLIE conf. p. 430.
(o)L. XXIIX. p. 85.
(p)[Spaltenumbruch]L. XXIX. p. 411. 412.
(q)L. XXIIX. p. 135 ein Exem- pel von der scharfen Empfindung des Muttermundes hat SMELLIE III. p. 102.
(r)p. 411. u. s. w.
Die Frucht. XXIX. B.
Ferner, daß von dieſem, dem Stulzwange ganz aͤhnlichen Schmerze, womit ihn auch unerfahrne Perſo- nen bei ihrem erſten Kindbette gemeiniglich verwechſeln, der Wille angeſpornet werde, ſich durch eine anhaltende Geburtsarbeit von der beſchwerlichen Laſt zu befreyen, und den unbequemen Gaſt aus dem engen Quartier zu werfen. So lieſet man auch, daß Kraͤmpfe bei einer Frau, welche ſich ihrer nicht recht bewuſt iſt, die Geburt befoͤrdern (m), und den Muttermund oͤffnen (n).
Jndeſſen gehen doch vielmehr meine Gedanken dahin, daß die Gebaͤrmutter ein Widerſtand iſt, und daß ihre Kraͤfte dem Athemholen zuwider wirken, daß ſie ihren Mund verſchließt, von den zuſammenziehenden Kraͤften aber verdrengt wird, ſo auf den Hals, auf die Finger, und auf die eingeſtekkte Hand druͤkken: dieſe Kraft iſt der Geburt zuwider, indem ſie den Mund, der die Frucht durchlaſſen ſoll, verengert.
Jch habe die mehreſten Faſern der Gebaͤrmutter als Queerfaſern (o), und als ſchiefe, und zum Verengern geſchikkte Faſern befunden. Jch glaube auch, daß ſie im Anfange der Geburt vollkommnen Widerſtand thun, weil zu dieſer Zeit der Kopf in den Hals hinein getrieben wird (p), und der Reiz an dieſer Stelle am allerheftig- ſten iſt, und das vornehmſte Zuſammenziehen daſelbſt geſchehen muß, weil der Hals mehr Empfindlichkeit be- ſizzet (q), oder weil er von dem harten Kopfe (r) ſtaͤrker angefuͤllt, auseinander gedehnt, und gerieben wird, als die Gebaͤrmutter von dem uͤbrigen Klumpen der Frucht. Von dieſem Widerſtande des Halſes, und der ſaͤmtli- chen Gebaͤrmutter ruͤhrt es her, daß ſich der innere
Mund
(m)[Spaltenumbruch]SMELLIE caſes p. 322. WATTS l. c. p. 68. conf. p.
(n) Bei jedem einzelnen Kramp- fe HEISTER de partu mirabili &c. & SMELLIE conf. p. 430.
(o)L. XXIIX. p. 85.
(p)[Spaltenumbruch]L. XXIX. p. 411. 412.
(q)L. XXIIX. p. 135 ein Exem- pel von der ſcharfen Empfindung des Muttermundes hat SMELLIE III. p. 102.
(r)p. 411. u. ſ. w.
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[730[732]/0784]
Die Frucht. XXIX. B.
Ferner, daß von dieſem, dem Stulzwange ganz
aͤhnlichen Schmerze, womit ihn auch unerfahrne Perſo-
nen bei ihrem erſten Kindbette gemeiniglich verwechſeln,
der Wille angeſpornet werde, ſich durch eine anhaltende
Geburtsarbeit von der beſchwerlichen Laſt zu befreyen,
und den unbequemen Gaſt aus dem engen Quartier zu
werfen. So lieſet man auch, daß Kraͤmpfe bei einer
Frau, welche ſich ihrer nicht recht bewuſt iſt, die Geburt
befoͤrdern (m), und den Muttermund oͤffnen (n).
Jndeſſen gehen doch vielmehr meine Gedanken dahin,
daß die Gebaͤrmutter ein Widerſtand iſt, und daß ihre
Kraͤfte dem Athemholen zuwider wirken, daß ſie ihren
Mund verſchließt, von den zuſammenziehenden Kraͤften
aber verdrengt wird, ſo auf den Hals, auf die Finger,
und auf die eingeſtekkte Hand druͤkken: dieſe Kraft iſt
der Geburt zuwider, indem ſie den Mund, der die Frucht
durchlaſſen ſoll, verengert.
Jch habe die mehreſten Faſern der Gebaͤrmutter als
Queerfaſern (o), und als ſchiefe, und zum Verengern
geſchikkte Faſern befunden. Jch glaube auch, daß ſie
im Anfange der Geburt vollkommnen Widerſtand thun,
weil zu dieſer Zeit der Kopf in den Hals hinein getrieben
wird (p), und der Reiz an dieſer Stelle am allerheftig-
ſten iſt, und das vornehmſte Zuſammenziehen daſelbſt
geſchehen muß, weil der Hals mehr Empfindlichkeit be-
ſizzet (q), oder weil er von dem harten Kopfe (r) ſtaͤrker
angefuͤllt, auseinander gedehnt, und gerieben wird, als
die Gebaͤrmutter von dem uͤbrigen Klumpen der Frucht.
Von dieſem Widerſtande des Halſes, und der ſaͤmtli-
chen Gebaͤrmutter ruͤhrt es her, daß ſich der innere
Mund
(m)
SMELLIE caſes p. 322.
WATTS l. c. p. 68. conf. p.
(n) Bei jedem einzelnen Kramp-
fe HEISTER de partu mirabili
&c. & SMELLIE conf. p. 430.
(o) L. XXIIX. p. 85.
(p)
L. XXIX. p. 411. 412.
(q) L. XXIIX. p. 135 ein Exem-
pel von der ſcharfen Empfindung
des Muttermundes hat SMELLIE
III. p. 102.
(r) p. 411. u. ſ. w.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 730[732]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/784>, abgerufen am 22.11.2024.
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