Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
I. Abschn. Empfängnis.

So finden sich unter Pflanzen von einer und eben
derselben Art, oder von einer zunächst damit verwandten
Art, oft gemischte Mittelpflanzen. So habe ich von dem
gelbblütigen rußischen Sternkraute, und dem gemeinen
weissen Sternkraute eine Mittelart mit bleichen Blumen
gesehen (gallium). Wenn der Wiesenbokksbart (tra-
gopogon
) von dem Mehle des Bokkbartes, so purpur-
farben ist, befruchtet wird, so entstehet eine aus beiden
gemischte Pflanze von längerm Blumenkelche, und dik-
kern Zakken. Man hat aber vorzüglich zwo genaue Er-
fahrungen von dem Kölreuter (l) über zwo Arten der
Tabakspflanze aufzuweisen, welche eine dritte zum Vor-
schein bringen, so wie über zwo Arten der Nelken, über
zwo Arten des Bilsenkrautes, und über zwo Nelken.

Jch glaube dieses von den zu allernächst verwandten
Arten; allein ich versage meinen Beifall, wenn man
dieses auf weit entfernte Arten ausdehnen will, und ich
kann eine ehebrecherische Geburt des männlichen offici-
nellen Ehrenpreises (m) von dem weiblichen Ehrenpreise
für keine Bestätigung halten. Da in Europa so viel
Gärten vorhanden sind, und der Wind den befruchten-
den Staub sehr leicht von einigen männlichen Pflanzen
den weiblichen zuführen kann, so scheinet es nicht ver-
mieden werden zu können, daß nicht unzähliche neue
Pflanzenarten bisher entstanden wären, wofern sich
Pflanzen von verschiednen Geschlechtern einander glükk-
licher Weise befruchten könnten (m*). Der in Erzeu-
gung der Mittelarten ungemein glükkliche Kölreuter
konnte schwerlich von der Sinesischen Nelke, und der
unsrigen, eine Bastartnelke, niemals aber etwas aus
verschiednen Arten erhalten (n). Jch will dieses so ver-
(k)

standen
(l) Jn drei sehr gelehrten
Schriften.
(m) Idem ibid. p. 12.
(m*) [Spaltenumbruch] Conf. Hamburg. Magaz.
T. II. p.
461.
(n) Zweyte Fortsez. p. 108.
(k) [Spaltenumbruch] LINN. gener. ambig. p. 13.
H. Phisiol. 8. B. B
I. Abſchn. Empfaͤngnis.

So finden ſich unter Pflanzen von einer und eben
derſelben Art, oder von einer zunaͤchſt damit verwandten
Art, oft gemiſchte Mittelpflanzen. So habe ich von dem
gelbbluͤtigen rußiſchen Sternkraute, und dem gemeinen
weiſſen Sternkraute eine Mittelart mit bleichen Blumen
geſehen (gallium). Wenn der Wieſenbokksbart (tra-
gopogon
) von dem Mehle des Bokkbartes, ſo purpur-
farben iſt, befruchtet wird, ſo entſtehet eine aus beiden
gemiſchte Pflanze von laͤngerm Blumenkelche, und dik-
kern Zakken. Man hat aber vorzuͤglich zwo genaue Er-
fahrungen von dem Koͤlreuter (l) uͤber zwo Arten der
Tabakspflanze aufzuweiſen, welche eine dritte zum Vor-
ſchein bringen, ſo wie uͤber zwo Arten der Nelken, uͤber
zwo Arten des Bilſenkrautes, und uͤber zwo Nelken.

Jch glaube dieſes von den zu allernaͤchſt verwandten
Arten; allein ich verſage meinen Beifall, wenn man
dieſes auf weit entfernte Arten ausdehnen will, und ich
kann eine ehebrecheriſche Geburt des maͤnnlichen offici-
nellen Ehrenpreiſes (m) von dem weiblichen Ehrenpreiſe
fuͤr keine Beſtaͤtigung halten. Da in Europa ſo viel
Gaͤrten vorhanden ſind, und der Wind den befruchten-
den Staub ſehr leicht von einigen maͤnnlichen Pflanzen
den weiblichen zufuͤhren kann, ſo ſcheinet es nicht ver-
mieden werden zu koͤnnen, daß nicht unzaͤhliche neue
Pflanzenarten bisher entſtanden waͤren, wofern ſich
Pflanzen von verſchiednen Geſchlechtern einander gluͤkk-
licher Weiſe befruchten koͤnnten (m*). Der in Erzeu-
gung der Mittelarten ungemein gluͤkkliche Koͤlreuter
konnte ſchwerlich von der Sineſiſchen Nelke, und der
unſrigen, eine Baſtartnelke, niemals aber etwas aus
verſchiednen Arten erhalten (n). Jch will dieſes ſo ver-
(k)

ſtanden
(l) Jn drei ſehr gelehrten
Schriften.
(m) Idem ibid. p. 12.
(m*) [Spaltenumbruch] Conf. Hamburg. Magaz.
T. II. p.
461.
(n) Zweyte Fortſez. p. 108.
(k) [Spaltenumbruch] LINN. gener. ambig. p. 13.
H. Phiſiol. 8. B. B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0069" n="17"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Ab&#x017F;chn. Empfa&#x0364;ngnis.</hi> </fw><lb/>
              <p>So finden &#x017F;ich unter Pflanzen von einer und eben<lb/>
der&#x017F;elben Art, oder von einer zuna&#x0364;ch&#x017F;t damit verwandten<lb/>
Art, oft gemi&#x017F;chte Mittelpflanzen. So habe ich von dem<lb/>
gelbblu&#x0364;tigen rußi&#x017F;chen Sternkraute, und dem gemeinen<lb/>
wei&#x017F;&#x017F;en Sternkraute eine Mittelart mit bleichen Blumen<lb/>
ge&#x017F;ehen (<hi rendition="#aq">gallium</hi>). Wenn der Wie&#x017F;enbokksbart (<hi rendition="#aq">tra-<lb/>
gopogon</hi>) von dem Mehle des Bokkbartes, &#x017F;o purpur-<lb/>
farben i&#x017F;t, befruchtet wird, &#x017F;o ent&#x017F;tehet eine aus beiden<lb/>
gemi&#x017F;chte Pflanze von la&#x0364;ngerm Blumenkelche, und dik-<lb/>
kern Zakken. Man hat aber vorzu&#x0364;glich zwo genaue Er-<lb/>
fahrungen von dem <hi rendition="#fr">Ko&#x0364;lreuter</hi> <note place="foot" n="(l)">Jn drei &#x017F;ehr gelehrten<lb/>
Schriften.</note> u&#x0364;ber zwo Arten der<lb/>
Tabakspflanze aufzuwei&#x017F;en, welche eine dritte zum Vor-<lb/>
&#x017F;chein bringen, &#x017F;o wie u&#x0364;ber zwo Arten der Nelken, u&#x0364;ber<lb/>
zwo Arten des Bil&#x017F;enkrautes, und u&#x0364;ber zwo Nelken.</p><lb/>
              <p>Jch glaube die&#x017F;es von den zu allerna&#x0364;ch&#x017F;t verwandten<lb/>
Arten; allein ich ver&#x017F;age meinen Beifall, wenn man<lb/>
die&#x017F;es auf weit entfernte Arten ausdehnen will, und ich<lb/>
kann eine ehebrecheri&#x017F;che Geburt des ma&#x0364;nnlichen offici-<lb/>
nellen Ehrenprei&#x017F;es <note place="foot" n="(m)"><hi rendition="#aq">Idem ibid. p.</hi> 12.</note> von dem weiblichen Ehrenprei&#x017F;e<lb/>
fu&#x0364;r keine Be&#x017F;ta&#x0364;tigung halten. Da in Europa &#x017F;o viel<lb/>
Ga&#x0364;rten vorhanden &#x017F;ind, und der Wind den befruchten-<lb/>
den Staub &#x017F;ehr leicht von einigen ma&#x0364;nnlichen Pflanzen<lb/>
den weiblichen zufu&#x0364;hren kann, &#x017F;o &#x017F;cheinet es nicht ver-<lb/>
mieden werden zu ko&#x0364;nnen, daß nicht unza&#x0364;hliche neue<lb/>
Pflanzenarten bisher ent&#x017F;tanden wa&#x0364;ren, wofern &#x017F;ich<lb/>
Pflanzen von ver&#x017F;chiednen Ge&#x017F;chlechtern einander glu&#x0364;kk-<lb/>
licher Wei&#x017F;e befruchten ko&#x0364;nnten <note place="foot" n="(m*)"><cb/><hi rendition="#aq">Conf. Hamburg. Magaz.<lb/>
T. II. p.</hi> 461.</note>. Der in Erzeu-<lb/>
gung der Mittelarten ungemein glu&#x0364;kkliche <hi rendition="#fr">Ko&#x0364;lreuter</hi><lb/>
konnte &#x017F;chwerlich von der Sine&#x017F;i&#x017F;chen Nelke, und der<lb/>
un&#x017F;rigen, eine Ba&#x017F;tartnelke, niemals aber etwas aus<lb/>
ver&#x017F;chiednen Arten erhalten <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq">Zweyte Fort&#x017F;ez. p.</hi> 108.</note>. Jch will die&#x017F;es &#x017F;o ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tanden</fw><lb/><note place="foot" n="(k)"><cb/><hi rendition="#aq">LINN. gener. ambig. p.</hi> 13.</note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">H. Phi&#x017F;iol. 8. B.</hi> B</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0069] I. Abſchn. Empfaͤngnis. So finden ſich unter Pflanzen von einer und eben derſelben Art, oder von einer zunaͤchſt damit verwandten Art, oft gemiſchte Mittelpflanzen. So habe ich von dem gelbbluͤtigen rußiſchen Sternkraute, und dem gemeinen weiſſen Sternkraute eine Mittelart mit bleichen Blumen geſehen (gallium). Wenn der Wieſenbokksbart (tra- gopogon) von dem Mehle des Bokkbartes, ſo purpur- farben iſt, befruchtet wird, ſo entſtehet eine aus beiden gemiſchte Pflanze von laͤngerm Blumenkelche, und dik- kern Zakken. Man hat aber vorzuͤglich zwo genaue Er- fahrungen von dem Koͤlreuter (l) uͤber zwo Arten der Tabakspflanze aufzuweiſen, welche eine dritte zum Vor- ſchein bringen, ſo wie uͤber zwo Arten der Nelken, uͤber zwo Arten des Bilſenkrautes, und uͤber zwo Nelken. Jch glaube dieſes von den zu allernaͤchſt verwandten Arten; allein ich verſage meinen Beifall, wenn man dieſes auf weit entfernte Arten ausdehnen will, und ich kann eine ehebrecheriſche Geburt des maͤnnlichen offici- nellen Ehrenpreiſes (m) von dem weiblichen Ehrenpreiſe fuͤr keine Beſtaͤtigung halten. Da in Europa ſo viel Gaͤrten vorhanden ſind, und der Wind den befruchten- den Staub ſehr leicht von einigen maͤnnlichen Pflanzen den weiblichen zufuͤhren kann, ſo ſcheinet es nicht ver- mieden werden zu koͤnnen, daß nicht unzaͤhliche neue Pflanzenarten bisher entſtanden waͤren, wofern ſich Pflanzen von verſchiednen Geſchlechtern einander gluͤkk- licher Weiſe befruchten koͤnnten (m*). Der in Erzeu- gung der Mittelarten ungemein gluͤkkliche Koͤlreuter konnte ſchwerlich von der Sineſiſchen Nelke, und der unſrigen, eine Baſtartnelke, niemals aber etwas aus verſchiednen Arten erhalten (n). Jch will dieſes ſo ver- ſtanden (k) (l) Jn drei ſehr gelehrten Schriften. (m) Idem ibid. p. 12. (m*) Conf. Hamburg. Magaz. T. II. p. 461. (n) Zweyte Fortſez. p. 108. (k) LINN. gener. ambig. p. 13. H. Phiſiol. 8. B. B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/69
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/69>, abgerufen am 24.11.2024.