Man muß dem ersten Ursprunge desselben nothwendig nachspüren, denn es scheint mir der Jrrthum einiger be- rühmten Männer daher entstanden zu seyn, daß sie das Knochenhäutchen an Thieren untersucht haben, welche bereits zu sehr erwachsen waren.
Folglich bekleidet das Knochenhäutchen in der Frucht zu einer Zeit, da noch anstatt des Knochens ein Leim da ist, als ein ungemein zartes (a) Spinnewebenhäutchen den ganzen Knochen sowohl, was das vornehmste Stükk desselben, welchen man von dem Ansazze zu unterscheiden pflegt, als was die Ansäzze selbst betrift.
Es hänget nur schwach am Knochen (b), sowohl zu dieser Zeit, als so lange das Hühnchen im Eye, und die Frucht in der Gebärmutter befindlich ist. Von dieser habe ich oftmals das ganze Knochenhäutchen, wie einen Schuh von der Schienenröhre, oder von der Hüfte ab- gezogen; und es zerriß in dieser Absonderung nicht eine einzige Faser (c).
Anders verhält sich die Sache bei dem Ansazze. Das Knochenhäutchen macht den Anfang, sich nahe bei der Grenze des künftigen Ansazzes, zur Zeit nahe an dem Mittelpunkte des Knochens, hierauf an diese Grenze (d), endlich an den Ansazz (e), und an beide schon jezzt ziem- lich genau anzuhängen, weil dem abgezogenen Knochen- häutchen der Ansazz willig zu folgen pflegt (f), sobald als sich das Knorpelwesen in den Knochen eingeschlichen hat. Es ist auch an der Grenzlinie des Ansazzes (g), und an dem Ansazze dikker. Folglich ist es das Band des Ansazzes und des Knochens (h). Es wird mit den
Jah-
(a)[Spaltenumbruch]Form. des os p. 204. 205. auch Stunde 414. obs. 89. Stun- de 432. obs. 92 Stunde 486. obs. 98. add. BOERHAAVE p. 210.
(b)Form. des os p 205. obs. 85. 88. 89. &c. auch BORDENA- VE p. 197.
(c)Form. des os p. 205.
(d)[Spaltenumbruch]Form. des os p. 204. obs. 85 88. 89. und in dem Kaninchen p. 174
(e)Ibid.
(f)Ibid. & p. 154.
(g)p. 204. & obs. 112.
(h)RUYSCH advers. III. n. 9.
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
Man muß dem erſten Urſprunge deſſelben nothwendig nachſpuͤren, denn es ſcheint mir der Jrrthum einiger be- ruͤhmten Maͤnner daher entſtanden zu ſeyn, daß ſie das Knochenhaͤutchen an Thieren unterſucht haben, welche bereits zu ſehr erwachſen waren.
Folglich bekleidet das Knochenhaͤutchen in der Frucht zu einer Zeit, da noch anſtatt des Knochens ein Leim da iſt, als ein ungemein zartes (a) Spinnewebenhaͤutchen den ganzen Knochen ſowohl, was das vornehmſte Stuͤkk deſſelben, welchen man von dem Anſazze zu unterſcheiden pflegt, als was die Anſaͤzze ſelbſt betrift.
Es haͤnget nur ſchwach am Knochen (b), ſowohl zu dieſer Zeit, als ſo lange das Huͤhnchen im Eye, und die Frucht in der Gebaͤrmutter befindlich iſt. Von dieſer habe ich oftmals das ganze Knochenhaͤutchen, wie einen Schuh von der Schienenroͤhre, oder von der Huͤfte ab- gezogen; und es zerriß in dieſer Abſonderung nicht eine einzige Faſer (c).
Anders verhaͤlt ſich die Sache bei dem Anſazze. Das Knochenhaͤutchen macht den Anfang, ſich nahe bei der Grenze des kuͤnftigen Anſazzes, zur Zeit nahe an dem Mittelpunkte des Knochens, hierauf an dieſe Grenze (d), endlich an den Anſazz (e), und an beide ſchon jezzt ziem- lich genau anzuhaͤngen, weil dem abgezogenen Knochen- haͤutchen der Anſazz willig zu folgen pflegt (f), ſobald als ſich das Knorpelweſen in den Knochen eingeſchlichen hat. Es iſt auch an der Grenzlinie des Anſazzes (g), und an dem Anſazze dikker. Folglich iſt es das Band des Anſazzes und des Knochens (h). Es wird mit den
Jah-
(a)[Spaltenumbruch]Form. des os p. 204. 205. auch Stunde 414. obſ. 89. Stun- de 432. obſ. 92 Stunde 486. obſ. 98. add. BOERHAAVE p. 210.
(b)Form. des os p 205. obſ. 85. 88. 89. &c. auch BORDENA- VE p. 197.
(c)Form. des os p. 205.
(d)[Spaltenumbruch]Form. des os p. 204. obſ. 85 88. 89. und in dem Kaninchen p. 174
(e)Ibid.
(f)Ibid. & p. 154.
(g)p. 204. & obſ. 112.
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[569[571]/0623]
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Man muß dem erſten Urſprunge deſſelben nothwendig
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ruͤhmten Maͤnner daher entſtanden zu ſeyn, daß ſie das
Knochenhaͤutchen an Thieren unterſucht haben, welche
bereits zu ſehr erwachſen waren.
Folglich bekleidet das Knochenhaͤutchen in der Frucht
zu einer Zeit, da noch anſtatt des Knochens ein Leim da
iſt, als ein ungemein zartes (a) Spinnewebenhaͤutchen
den ganzen Knochen ſowohl, was das vornehmſte Stuͤkk
deſſelben, welchen man von dem Anſazze zu unterſcheiden
pflegt, als was die Anſaͤzze ſelbſt betrift.
Es haͤnget nur ſchwach am Knochen (b), ſowohl zu
dieſer Zeit, als ſo lange das Huͤhnchen im Eye, und die
Frucht in der Gebaͤrmutter befindlich iſt. Von dieſer
habe ich oftmals das ganze Knochenhaͤutchen, wie einen
Schuh von der Schienenroͤhre, oder von der Huͤfte ab-
gezogen; und es zerriß in dieſer Abſonderung nicht eine
einzige Faſer (c).
Anders verhaͤlt ſich die Sache bei dem Anſazze. Das
Knochenhaͤutchen macht den Anfang, ſich nahe bei der
Grenze des kuͤnftigen Anſazzes, zur Zeit nahe an dem
Mittelpunkte des Knochens, hierauf an dieſe Grenze (d),
endlich an den Anſazz (e), und an beide ſchon jezzt ziem-
lich genau anzuhaͤngen, weil dem abgezogenen Knochen-
haͤutchen der Anſazz willig zu folgen pflegt (f), ſobald
als ſich das Knorpelweſen in den Knochen eingeſchlichen
hat. Es iſt auch an der Grenzlinie des Anſazzes (g),
und an dem Anſazze dikker. Folglich iſt es das Band
des Anſazzes und des Knochens (h). Es wird mit den
Jah-
(a)
Form. des os p. 204. 205.
auch Stunde 414. obſ. 89. Stun-
de 432. obſ. 92 Stunde 486. obſ.
98. add. BOERHAAVE p. 210.
(b) Form. des os p 205. obſ.
85. 88. 89. &c. auch BORDENA-
VE p. 197.
(c) Form. des os p. 205.
(d)
Form. des os p. 204. obſ.
85 88. 89. und in dem Kaninchen
p. 174
(e) Ibid.
(f) Ibid. & p. 154.
(g) p. 204. & obſ. 112.
(h) RUYSCH adverſ. III. n. 9.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 569[571]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/623>, abgerufen am 22.11.2024.
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