An der Stelle eines Herzens zeiget sich blos die linke Kammer (p), nebst dem Anfange der Aorte, und nebst dem Ohre, so sich von der Holader noch nicht getrennt hat (q).
Doch man bilde sich darum nicht ein, daß dazumal solche Gefässe noch nicht vorhanden gewesen: denn wir haben gezeiget, daß das Thierchen lange vor der Bebrü- tung (r), und in einigen Exempeln vor dem Beitritte des Männchens, sichtbar und lebendig ist (s).
So lehret auch die Betrachtung des Wachsthumes einer Frucht, wenn man die Zeiten zurükke denket, wenn ein jedes Theilchen gebildet wird, daß die Früchte ehe da gewesen, nur daß dieselbe kleiner, und ohne Farben gewesen, weil man sie durch Weingeist, oder Eßig sicht- bar und gradweise bestimmt, aufzeigen kann, und zwar zu einer Zeit, da sie ein blasser Schleimtropfen, ohne die- ses Verhärtungsmittel zu seyn scheinet. Jch habe dieses vor kurzem an der Lunge (t), und an der Leber (v), und an allen Theilchen eines Hühnchens versucht.
Doch es gehet die Vernunft etwas weiter hinaus als das Auge.
Dieser Gallert, welcher ein unförmlich Wesen zu seyn scheinet, hatte demohngeachtet doch ein Leben, und auch viele Tage lang, in dem vom Hahne befruchteten Eye, so aber später der Brütung übergeben worden: so wie in einem Raupeneye, welches viele Monate lang auf eine warme Frülingsluft wartete (x).
Wenn die Frucht nun ein Leben hatte, so waren an ihr schon damals diejenigen Theile verborgen, welche sie mit Hülfe der veränderten Witterung entwikkelte: in- dem sich ein unorganischer Leim, dem menschlichen An- sehen nach, von keiner andern Ursache, ausser Gott, oder
nach
(p)[Spaltenumbruch]p. 78.
(q)p. 69.
(r)L. XXIX. p. 92. 93.
(s)Ibid.
(t)[Spaltenumbruch]Form. du poulet. II. p. 118.
(v)Ibid. p. 48.
(x)L. XX. p. 151.
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
An der Stelle eines Herzens zeiget ſich blos die linke Kammer (p), nebſt dem Anfange der Aorte, und nebſt dem Ohre, ſo ſich von der Holader noch nicht getrennt hat (q).
Doch man bilde ſich darum nicht ein, daß dazumal ſolche Gefaͤſſe noch nicht vorhanden geweſen: denn wir haben gezeiget, daß das Thierchen lange vor der Bebruͤ- tung (r), und in einigen Exempeln vor dem Beitritte des Maͤnnchens, ſichtbar und lebendig iſt (s).
So lehret auch die Betrachtung des Wachsthumes einer Frucht, wenn man die Zeiten zuruͤkke denket, wenn ein jedes Theilchen gebildet wird, daß die Fruͤchte ehe da geweſen, nur daß dieſelbe kleiner, und ohne Farben geweſen, weil man ſie durch Weingeiſt, oder Eßig ſicht- bar und gradweiſe beſtimmt, aufzeigen kann, und zwar zu einer Zeit, da ſie ein blaſſer Schleimtropfen, ohne die- ſes Verhaͤrtungsmittel zu ſeyn ſcheinet. Jch habe dieſes vor kurzem an der Lunge (t), und an der Leber (v), und an allen Theilchen eines Huͤhnchens verſucht.
Doch es gehet die Vernunft etwas weiter hinaus als das Auge.
Dieſer Gallert, welcher ein unfoͤrmlich Weſen zu ſeyn ſcheinet, hatte demohngeachtet doch ein Leben, und auch viele Tage lang, in dem vom Hahne befruchteten Eye, ſo aber ſpaͤter der Bruͤtung uͤbergeben worden: ſo wie in einem Raupeneye, welches viele Monate lang auf eine warme Fruͤlingsluft wartete (x).
Wenn die Frucht nun ein Leben hatte, ſo waren an ihr ſchon damals diejenigen Theile verborgen, welche ſie mit Huͤlfe der veraͤnderten Witterung entwikkelte: in- dem ſich ein unorganiſcher Leim, dem menſchlichen An- ſehen nach, von keiner andern Urſache, auſſer Gott, oder
nach
(p)[Spaltenumbruch]p. 78.
(q)p. 69.
(r)L. XXIX. p. 92. 93.
(s)Ibid.
(t)[Spaltenumbruch]Form. du poulet. II. p. 118.
(v)Ibid. p. 48.
(x)L. XX. p. 151.
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[427[429]/0481]
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
An der Stelle eines Herzens zeiget ſich blos die linke
Kammer (p), nebſt dem Anfange der Aorte, und nebſt
dem Ohre, ſo ſich von der Holader noch nicht getrennt
hat (q).
Doch man bilde ſich darum nicht ein, daß dazumal
ſolche Gefaͤſſe noch nicht vorhanden geweſen: denn wir
haben gezeiget, daß das Thierchen lange vor der Bebruͤ-
tung (r), und in einigen Exempeln vor dem Beitritte des
Maͤnnchens, ſichtbar und lebendig iſt (s).
So lehret auch die Betrachtung des Wachsthumes
einer Frucht, wenn man die Zeiten zuruͤkke denket, wenn
ein jedes Theilchen gebildet wird, daß die Fruͤchte ehe
da geweſen, nur daß dieſelbe kleiner, und ohne Farben
geweſen, weil man ſie durch Weingeiſt, oder Eßig ſicht-
bar und gradweiſe beſtimmt, aufzeigen kann, und zwar
zu einer Zeit, da ſie ein blaſſer Schleimtropfen, ohne die-
ſes Verhaͤrtungsmittel zu ſeyn ſcheinet. Jch habe dieſes
vor kurzem an der Lunge (t), und an der Leber (v), und
an allen Theilchen eines Huͤhnchens verſucht.
Doch es gehet die Vernunft etwas weiter hinaus
als das Auge.
Dieſer Gallert, welcher ein unfoͤrmlich Weſen zu
ſeyn ſcheinet, hatte demohngeachtet doch ein Leben, und
auch viele Tage lang, in dem vom Hahne befruchteten
Eye, ſo aber ſpaͤter der Bruͤtung uͤbergeben worden: ſo
wie in einem Raupeneye, welches viele Monate lang auf
eine warme Fruͤlingsluft wartete (x).
Wenn die Frucht nun ein Leben hatte, ſo waren an
ihr ſchon damals diejenigen Theile verborgen, welche
ſie mit Huͤlfe der veraͤnderten Witterung entwikkelte: in-
dem ſich ein unorganiſcher Leim, dem menſchlichen An-
ſehen nach, von keiner andern Urſache, auſſer Gott, oder
nach
(p)
p. 78.
(q) p. 69.
(r) L. XXIX. p. 92. 93.
(s) Ibid.
(t)
Form. du poulet. II. p. 118.
(v) Ibid. p. 48.
(x) L. XX. p. 151.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 427[429]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/481>, abgerufen am 22.11.2024.
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