Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Abs. Anfänge des Thieres.
die Frucht ihre Mutter, ihren Vater niemals gesehen,
und so gar noch viele Jahre nach der Geburt so wenig
Fleis anwendet, daß sie diese Aehnlichkeit genau be-
schreiben, oder nur einigermassen nachkopiren könnte.
Ueberdächten sie doch die unglaubliche Klugheit, die
eine Frucht besizzen müste, um vermittelst der Schlag-
adern, denn wir kennen doch keinen andern Weg des
Wachsthumes, die ähnliche Gesichtszüge des Vaters
in ihr eigenes Gesichte zu verpflanzen; denn sie müste
ja mit genauer Berechnung, in denen Schlagäderchen
derjenigen Theile, welche niedergedrükkt kleiner bleiben
sollen, den Zufluß des Blutes vermindern, und ihn
dagegen in andern verstärken, welche vor den übrigen
hervorragen sollen (s).

§. 21.
Die Muttermäler.

Der einzige und vornehmste Grund der berühmten
Männer pfleget gewöhnlicher Weise der zu seyn, daß sich
der Bau der Frucht, mit der die Mutter schwanger geht,
auf tausenderlei Art, durch das Schrekken, durch das
Verlangen der Mutter verändern lasse, und oft auf eine
sehr merkliche Art beschädigt werde. Es geschehe solches
aber offenbar, nicht vermöge des Körpers, sondern
wenn die unkörperliche Seele der Mutter von einer Sache
sehr gerührt wird; diese Rührung wirke, ohne daß man
sagen könnte, wie auf die Seele, Baumeisterin der kleinen
Frucht, so daß selbige eben die Erdbeeren, oder andre,
dem Menschenkörper fremdartige Dinge, an ihrem zar-
ten, und leicht zu veränderdten Körper, durch die Phan-
tasie hervorbringt, welche die Seele der Mutter bei der
heftigen Gemüthsbewegung beschäftigen, und in Unru-
he sezzen.

Sie
(s) Diesen Theil der theoriae STAHLIANAE verlacht WHYTT
vital. mont. p.
279.

II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
die Frucht ihre Mutter, ihren Vater niemals geſehen,
und ſo gar noch viele Jahre nach der Geburt ſo wenig
Fleis anwendet, daß ſie dieſe Aehnlichkeit genau be-
ſchreiben, oder nur einigermaſſen nachkopiren koͤnnte.
Ueberdaͤchten ſie doch die unglaubliche Klugheit, die
eine Frucht beſizzen muͤſte, um vermittelſt der Schlag-
adern, denn wir kennen doch keinen andern Weg des
Wachsthumes, die aͤhnliche Geſichtszuͤge des Vaters
in ihr eigenes Geſichte zu verpflanzen; denn ſie muͤſte
ja mit genauer Berechnung, in denen Schlagaͤderchen
derjenigen Theile, welche niedergedruͤkkt kleiner bleiben
ſollen, den Zufluß des Blutes vermindern, und ihn
dagegen in andern verſtaͤrken, welche vor den uͤbrigen
hervorragen ſollen (s).

§. 21.
Die Muttermaͤler.

Der einzige und vornehmſte Grund der beruͤhmten
Maͤnner pfleget gewoͤhnlicher Weiſe der zu ſeyn, daß ſich
der Bau der Frucht, mit der die Mutter ſchwanger geht,
auf tauſenderlei Art, durch das Schrekken, durch das
Verlangen der Mutter veraͤndern laſſe, und oft auf eine
ſehr merkliche Art beſchaͤdigt werde. Es geſchehe ſolches
aber offenbar, nicht vermoͤge des Koͤrpers, ſondern
wenn die unkoͤrperliche Seele der Mutter von einer Sache
ſehr geruͤhrt wird; dieſe Ruͤhrung wirke, ohne daß man
ſagen koͤnnte, wie auf die Seele, Baumeiſterin der kleinen
Frucht, ſo daß ſelbige eben die Erdbeeren, oder andre,
dem Menſchenkoͤrper fremdartige Dinge, an ihrem zar-
ten, und leicht zu veraͤnderdten Koͤrper, durch die Phan-
taſie hervorbringt, welche die Seele der Mutter bei der
heftigen Gemuͤthsbewegung beſchaͤftigen, und in Unru-
he ſezzen.

Sie
(s) Dieſen Theil der theoriae STAHLIANAE verlacht WHYTT
vital. mont. p.
279.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0271" n="219"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Ab&#x017F;. Anfa&#x0364;nge des Thieres.</hi></fw><lb/>
die Frucht ihre Mutter, ihren Vater niemals ge&#x017F;ehen,<lb/>
und &#x017F;o gar noch viele Jahre nach der Geburt &#x017F;o wenig<lb/>
Fleis anwendet, daß &#x017F;ie die&#x017F;e Aehnlichkeit genau be-<lb/>
&#x017F;chreiben, oder nur einigerma&#x017F;&#x017F;en nachkopiren ko&#x0364;nnte.<lb/>
Ueberda&#x0364;chten &#x017F;ie doch die unglaubliche Klugheit, die<lb/>
eine Frucht be&#x017F;izzen mu&#x0364;&#x017F;te, um vermittel&#x017F;t der Schlag-<lb/>
adern, denn wir kennen doch keinen andern Weg des<lb/>
Wachsthumes, die a&#x0364;hnliche Ge&#x017F;ichtszu&#x0364;ge des Vaters<lb/>
in ihr eigenes Ge&#x017F;ichte zu verpflanzen; denn &#x017F;ie mu&#x0364;&#x017F;te<lb/>
ja mit genauer Berechnung, in denen Schlaga&#x0364;derchen<lb/>
derjenigen Theile, welche niedergedru&#x0364;kkt kleiner bleiben<lb/>
&#x017F;ollen, den Zufluß des Blutes vermindern, und ihn<lb/>
dagegen in andern ver&#x017F;ta&#x0364;rken, welche vor den u&#x0364;brigen<lb/>
hervorragen &#x017F;ollen <note place="foot" n="(s)">Die&#x017F;en Theil der <hi rendition="#aq">theoriae STAHLIANAE</hi> verlacht <hi rendition="#aq">WHYTT<lb/>
vital. mont. p.</hi> 279.</note>.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 21.<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Mutterma&#x0364;ler.</hi></hi></head><lb/>
              <p>Der einzige und vornehm&#x017F;te Grund der beru&#x0364;hmten<lb/>
Ma&#x0364;nner pfleget gewo&#x0364;hnlicher Wei&#x017F;e der zu &#x017F;eyn, daß &#x017F;ich<lb/>
der Bau der Frucht, mit der die Mutter &#x017F;chwanger geht,<lb/>
auf tau&#x017F;enderlei Art, durch das Schrekken, durch das<lb/>
Verlangen der Mutter vera&#x0364;ndern la&#x017F;&#x017F;e, und oft auf eine<lb/>
&#x017F;ehr merkliche Art be&#x017F;cha&#x0364;digt werde. Es ge&#x017F;chehe &#x017F;olches<lb/>
aber offenbar, nicht vermo&#x0364;ge des Ko&#x0364;rpers, &#x017F;ondern<lb/>
wenn die unko&#x0364;rperliche Seele der Mutter von einer Sache<lb/>
&#x017F;ehr geru&#x0364;hrt wird; die&#x017F;e Ru&#x0364;hrung wirke, ohne daß man<lb/>
&#x017F;agen ko&#x0364;nnte, wie auf die Seele, Baumei&#x017F;terin der kleinen<lb/>
Frucht, &#x017F;o daß &#x017F;elbige eben die Erdbeeren, oder andre,<lb/>
dem Men&#x017F;chenko&#x0364;rper fremdartige Dinge, an ihrem zar-<lb/>
ten, und leicht zu vera&#x0364;nderdten Ko&#x0364;rper, durch die Phan-<lb/>
ta&#x017F;ie hervorbringt, welche die Seele der Mutter bei der<lb/>
heftigen Gemu&#x0364;thsbewegung be&#x017F;cha&#x0364;ftigen, und in Unru-<lb/>
he &#x017F;ezzen.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0271] II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres. die Frucht ihre Mutter, ihren Vater niemals geſehen, und ſo gar noch viele Jahre nach der Geburt ſo wenig Fleis anwendet, daß ſie dieſe Aehnlichkeit genau be- ſchreiben, oder nur einigermaſſen nachkopiren koͤnnte. Ueberdaͤchten ſie doch die unglaubliche Klugheit, die eine Frucht beſizzen muͤſte, um vermittelſt der Schlag- adern, denn wir kennen doch keinen andern Weg des Wachsthumes, die aͤhnliche Geſichtszuͤge des Vaters in ihr eigenes Geſichte zu verpflanzen; denn ſie muͤſte ja mit genauer Berechnung, in denen Schlagaͤderchen derjenigen Theile, welche niedergedruͤkkt kleiner bleiben ſollen, den Zufluß des Blutes vermindern, und ihn dagegen in andern verſtaͤrken, welche vor den uͤbrigen hervorragen ſollen (s). §. 21. Die Muttermaͤler. Der einzige und vornehmſte Grund der beruͤhmten Maͤnner pfleget gewoͤhnlicher Weiſe der zu ſeyn, daß ſich der Bau der Frucht, mit der die Mutter ſchwanger geht, auf tauſenderlei Art, durch das Schrekken, durch das Verlangen der Mutter veraͤndern laſſe, und oft auf eine ſehr merkliche Art beſchaͤdigt werde. Es geſchehe ſolches aber offenbar, nicht vermoͤge des Koͤrpers, ſondern wenn die unkoͤrperliche Seele der Mutter von einer Sache ſehr geruͤhrt wird; dieſe Ruͤhrung wirke, ohne daß man ſagen koͤnnte, wie auf die Seele, Baumeiſterin der kleinen Frucht, ſo daß ſelbige eben die Erdbeeren, oder andre, dem Menſchenkoͤrper fremdartige Dinge, an ihrem zar- ten, und leicht zu veraͤnderdten Koͤrper, durch die Phan- taſie hervorbringt, welche die Seele der Mutter bei der heftigen Gemuͤthsbewegung beſchaͤftigen, und in Unru- he ſezzen. Sie (s) Dieſen Theil der theoriae STAHLIANAE verlacht WHYTT vital. mont. p. 279.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/271
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/271>, abgerufen am 20.11.2024.