boren, und es sey keine Geburt, wenn sich die Frucht an das Ey anhängt, sondern eine Empfängnis.
Dergleichen Gründe lassen sich für und wider die Hipothese machen. Um selbige aber gehörig zu erwägen, so müssen wir eine dritte Meinung hersezzen, welche die Frucht der Mutter zuschreibt.
§. 7. Ob die Frucht von der Mutter herkomme.
Diese Meinung hat, ich weiß selbst nicht, was Einfaches an sich, und sie gehöret unter die ältesten der Welt mit. Es ist nämlich gewiß, daß die Mutter die Frucht zur Welt bringt, aber lange nicht so gewiß, daß sie der Va- ter der Mutter überliefere.
Fast alle Thiere und alle Pflanzen tragen Saamen in sich und gebären, und es ist bei vielen nicht noth- wendig, daß der Mann dabei seyn darf. Es ist nämlich jedermann bekannt, daß die Bäume ihre Aeste (a), wor- aus ebenfalls neue Früchte werden sollen, aus der Mut- terpflanze ohne Verdacht des beigesprizzten männlichen Saamens hervorbringen, und eben dieses Vorrecht hat auch der Polipe.
Bekannt ist es, daß in der Wurzel der lilienförmi- gen Gewächse (b), und im Auge, oder Knospen der Baumrinde, der Ast enthalten sey (c), und man sehe in diesen Exempeln neugebaute Pflanzen, welche den männ- lichen Blumenstaub nicht empfunden, so daß man sogar vier Generationen, von nach einander folgenden Pflanzen, in der Hiacintenzwiebel wahrgenommen (d).
Der
(a)[Spaltenumbruch]
So C. GOTTLIEB NEU- MAN de exclusione ovulorum, insalacibus abque ullo praegresso coitu Lips. 1717. Die Eyer fallen, wie an den Bäumen, von selbst ab, wenn sie reif sind.
(b)[Spaltenumbruch]
An der Tulpe, Nareisse, Colchico und Röhre des Weizens du HAMEL hist. p. 167.
(c)BONNET corps organises. I. p. 268.
(d)BONNET ib. p. 103.
K 4
II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
boren, und es ſey keine Geburt, wenn ſich die Frucht an das Ey anhaͤngt, ſondern eine Empfaͤngnis.
Dergleichen Gruͤnde laſſen ſich fuͤr und wider die Hipotheſe machen. Um ſelbige aber gehoͤrig zu erwaͤgen, ſo muͤſſen wir eine dritte Meinung herſezzen, welche die Frucht der Mutter zuſchreibt.
§. 7. Ob die Frucht von der Mutter herkomme.
Dieſe Meinung hat, ich weiß ſelbſt nicht, was Einfaches an ſich, und ſie gehoͤret unter die aͤlteſten der Welt mit. Es iſt naͤmlich gewiß, daß die Mutter die Frucht zur Welt bringt, aber lange nicht ſo gewiß, daß ſie der Va- ter der Mutter uͤberliefere.
Faſt alle Thiere und alle Pflanzen tragen Saamen in ſich und gebaͤren, und es iſt bei vielen nicht noth- wendig, daß der Mann dabei ſeyn darf. Es iſt naͤmlich jedermann bekannt, daß die Baͤume ihre Aeſte (a), wor- aus ebenfalls neue Fruͤchte werden ſollen, aus der Mut- terpflanze ohne Verdacht des beigeſprizzten maͤnnlichen Saamens hervorbringen, und eben dieſes Vorrecht hat auch der Polipe.
Bekannt iſt es, daß in der Wurzel der lilienfoͤrmi- gen Gewaͤchſe (b), und im Auge, oder Knoſpen der Baumrinde, der Aſt enthalten ſey (c), und man ſehe in dieſen Exempeln neugebaute Pflanzen, welche den maͤnn- lichen Blumenſtaub nicht empfunden, ſo daß man ſogar vier Generationen, von nach einander folgenden Pflanzen, in der Hiacintenzwiebel wahrgenommen (d).
Der
(a)[Spaltenumbruch]
So C. GOTTLIEB NEU- MAN de excluſione ovulorum, inſalacibus abque ullo prægreſſo coitu Lipſ. 1717. Die Eyer fallen, wie an den Baͤumen, von ſelbſt ab, wenn ſie reif ſind.
(b)[Spaltenumbruch]
An der Tulpe, Nareiſſe, Colchico und Roͤhre des Weizens du HAMEL hiſt. p. 167.
(c)BONNET corps organiſes. I. p. 268.
(d)BONNET ib. p. 103.
K 4
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II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
boren, und es ſey keine Geburt, wenn ſich die Frucht
an das Ey anhaͤngt, ſondern eine Empfaͤngnis.
Dergleichen Gruͤnde laſſen ſich fuͤr und wider die
Hipotheſe machen. Um ſelbige aber gehoͤrig zu erwaͤgen,
ſo muͤſſen wir eine dritte Meinung herſezzen, welche die
Frucht der Mutter zuſchreibt.
§. 7.
Ob die Frucht von der Mutter herkomme.
Dieſe Meinung hat, ich weiß ſelbſt nicht, was Einfaches
an ſich, und ſie gehoͤret unter die aͤlteſten der Welt mit.
Es iſt naͤmlich gewiß, daß die Mutter die Frucht zur
Welt bringt, aber lange nicht ſo gewiß, daß ſie der Va-
ter der Mutter uͤberliefere.
Faſt alle Thiere und alle Pflanzen tragen Saamen
in ſich und gebaͤren, und es iſt bei vielen nicht noth-
wendig, daß der Mann dabei ſeyn darf. Es iſt naͤmlich
jedermann bekannt, daß die Baͤume ihre Aeſte (a), wor-
aus ebenfalls neue Fruͤchte werden ſollen, aus der Mut-
terpflanze ohne Verdacht des beigeſprizzten maͤnnlichen
Saamens hervorbringen, und eben dieſes Vorrecht hat
auch der Polipe.
Bekannt iſt es, daß in der Wurzel der lilienfoͤrmi-
gen Gewaͤchſe (b), und im Auge, oder Knoſpen der
Baumrinde, der Aſt enthalten ſey (c), und man ſehe in
dieſen Exempeln neugebaute Pflanzen, welche den maͤnn-
lichen Blumenſtaub nicht empfunden, ſo daß man ſogar
vier Generationen, von nach einander folgenden Pflanzen,
in der Hiacintenzwiebel wahrgenommen (d).
Der
(a)
So C. GOTTLIEB NEU-
MAN de excluſione ovulorum,
inſalacibus abque ullo prægreſſo
coitu Lipſ. 1717. Die Eyer fallen,
wie an den Baͤumen, von ſelbſt
ab, wenn ſie reif ſind.
(b)
An der Tulpe, Nareiſſe,
Colchico und Roͤhre des Weizens
du HAMEL hiſt. p. 167.
(c) BONNET corps organiſes.
I. p. 268.
(d) BONNET ib. p. 103.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/203>, abgerufen am 20.11.2024.
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