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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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Die Frucht. XXIX. B.
zwanzigsten Tage gesehen haben will, als verdächtige
Urkunden betrachten.

Es hätte uns nämlich in unsern Beobachtungen,
eine Frucht vor dem neunzehnten, oder wenigstens doch
achtzehnten Tage, nicht verborgen bleiben können, wo-
fern sie wirklich vorhanden gewesen wäre. Sie blieb
uns nämlich nicht wegen ihrer Kleinheit, sondern wegen
der sehr weichen Natur, sonderlich der Häute, verbor-
gen, welche nicht vor diesem Tage zu einer festen Be-
kleidung werden; denn es betrug bereits diesen Tag die
Länge der Harnhaut in der Frucht (allantois) viele Zolle.

Zweitens: Es scheint bei den vierfüßigen Thieren
das Fruchtbehältnis nicht einem Eye ähnlich zu seyn (s),
und diesen Namen nicht ohne eine nothwendige Verbesse-
rung behälten zu können. Es ist nämlich dasselbige viel
länger, und viel eher einer Wurst ähnlich, indem sie
wenigstens diese Figur die ganze Zeit der Trächtigkeit
über an sich hat. Jch kann also nicht umhin, die Zeug-
nisse von allen, in der Gebärmutter gesehenem runden
Ey, bei den Kaninchen, Kühen, Hunden, Schwei-
nen, für sehr verdächtig anzusehen, weil sie eine von der
natürlichen Figur des Eyes so sehr abweichende Figur
der Bekleidung der neuen Frucht zuschreiben.

Drittens: Siehet man, wie ich glaube, wohl ein,
daß die Eyer der vierfüßigen Thiere durch den engen
Paß der Muttertrompeten (t) leicht durchgehen müssen,
da sie bei einer geringen Breite lang sind; und ausser-
dem wenig was anders, als ein Schleim sind, wenn sie
durch die Trompete geführt werden. Man merkt wohl,
daß die veränderliche Figur eines trägen Schleimes un-
gemein geschikkt seyn müsse, sich durch diese enge Wege
hindurch zu pressen. Dieses Vorrecht besizzen auch die
Eyer im Menschen.

§. 27.
(s) [Spaltenumbruch] A Manticam nennt es HAR-
VEI p.
281.
(t) [Spaltenumbruch] KUHLEMAN p. 48.

Die Frucht. XXIX. B.
zwanzigſten Tage geſehen haben will, als verdaͤchtige
Urkunden betrachten.

Es haͤtte uns naͤmlich in unſern Beobachtungen,
eine Frucht vor dem neunzehnten, oder wenigſtens doch
achtzehnten Tage, nicht verborgen bleiben koͤnnen, wo-
fern ſie wirklich vorhanden geweſen waͤre. Sie blieb
uns naͤmlich nicht wegen ihrer Kleinheit, ſondern wegen
der ſehr weichen Natur, ſonderlich der Haͤute, verbor-
gen, welche nicht vor dieſem Tage zu einer feſten Be-
kleidung werden; denn es betrug bereits dieſen Tag die
Laͤnge der Harnhaut in der Frucht (allantois) viele Zolle.

Zweitens: Es ſcheint bei den vierfuͤßigen Thieren
das Fruchtbehaͤltnis nicht einem Eye aͤhnlich zu ſeyn (s),
und dieſen Namen nicht ohne eine nothwendige Verbeſſe-
rung behaͤlten zu koͤnnen. Es iſt naͤmlich daſſelbige viel
laͤnger, und viel eher einer Wurſt aͤhnlich, indem ſie
wenigſtens dieſe Figur die ganze Zeit der Traͤchtigkeit
uͤber an ſich hat. Jch kann alſo nicht umhin, die Zeug-
niſſe von allen, in der Gebaͤrmutter geſehenem runden
Ey, bei den Kaninchen, Kuͤhen, Hunden, Schwei-
nen, fuͤr ſehr verdaͤchtig anzuſehen, weil ſie eine von der
natuͤrlichen Figur des Eyes ſo ſehr abweichende Figur
der Bekleidung der neuen Frucht zuſchreiben.

Drittens: Siehet man, wie ich glaube, wohl ein,
daß die Eyer der vierfuͤßigen Thiere durch den engen
Paß der Muttertrompeten (t) leicht durchgehen muͤſſen,
da ſie bei einer geringen Breite lang ſind; und auſſer-
dem wenig was anders, als ein Schleim ſind, wenn ſie
durch die Trompete gefuͤhrt werden. Man merkt wohl,
daß die veraͤnderliche Figur eines traͤgen Schleimes un-
gemein geſchikkt ſeyn muͤſſe, ſich durch dieſe enge Wege
hindurch zu preſſen. Dieſes Vorrecht beſizzen auch die
Eyer im Menſchen.

§. 27.
(s) [Spaltenumbruch] A Manticam nennt es HAR-
VEI p.
281.
(t) [Spaltenumbruch] KUHLEMAN p. 48.
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[102/0154] Die Frucht. XXIX. B. zwanzigſten Tage geſehen haben will, als verdaͤchtige Urkunden betrachten. Es haͤtte uns naͤmlich in unſern Beobachtungen, eine Frucht vor dem neunzehnten, oder wenigſtens doch achtzehnten Tage, nicht verborgen bleiben koͤnnen, wo- fern ſie wirklich vorhanden geweſen waͤre. Sie blieb uns naͤmlich nicht wegen ihrer Kleinheit, ſondern wegen der ſehr weichen Natur, ſonderlich der Haͤute, verbor- gen, welche nicht vor dieſem Tage zu einer feſten Be- kleidung werden; denn es betrug bereits dieſen Tag die Laͤnge der Harnhaut in der Frucht (allantois) viele Zolle. Zweitens: Es ſcheint bei den vierfuͤßigen Thieren das Fruchtbehaͤltnis nicht einem Eye aͤhnlich zu ſeyn (s), und dieſen Namen nicht ohne eine nothwendige Verbeſſe- rung behaͤlten zu koͤnnen. Es iſt naͤmlich daſſelbige viel laͤnger, und viel eher einer Wurſt aͤhnlich, indem ſie wenigſtens dieſe Figur die ganze Zeit der Traͤchtigkeit uͤber an ſich hat. Jch kann alſo nicht umhin, die Zeug- niſſe von allen, in der Gebaͤrmutter geſehenem runden Ey, bei den Kaninchen, Kuͤhen, Hunden, Schwei- nen, fuͤr ſehr verdaͤchtig anzuſehen, weil ſie eine von der natuͤrlichen Figur des Eyes ſo ſehr abweichende Figur der Bekleidung der neuen Frucht zuſchreiben. Drittens: Siehet man, wie ich glaube, wohl ein, daß die Eyer der vierfuͤßigen Thiere durch den engen Paß der Muttertrompeten (t) leicht durchgehen muͤſſen, da ſie bei einer geringen Breite lang ſind; und auſſer- dem wenig was anders, als ein Schleim ſind, wenn ſie durch die Trompete gefuͤhrt werden. Man merkt wohl, daß die veraͤnderliche Figur eines traͤgen Schleimes un- gemein geſchikkt ſeyn muͤſſe, ſich durch dieſe enge Wege hindurch zu preſſen. Dieſes Vorrecht beſizzen auch die Eyer im Menſchen. §. 27. (s) A Manticam nennt es HAR- VEI p. 281. (t) KUHLEMAN p. 48.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/154>, abgerufen am 28.11.2024.