Um diesem Uebel zuvor zu kommen, sezzen die Aerzte entweder Eselsmilch, weil sie etwas dünner ist(e), der Kuhmilch an die Seite, oder sie beobachten auch, daß sie eben dieser Dünnheit wegen, öfters zu viel Stuhlgang verursacht (f). Andere mischen irgend ein mineralisches Wasser darunter, worinnen sich ein wenig laugenhafter Erde, und dergleichen Salz befindet. Man könnte auch blos ein einfaches fixes alkalisches Salz in die Milch wer- fen, so oft es nicht nöthig scheint, den Auswurf durch den Stuhl und Harn auszuführen, oder wo keine Merk- male von einer übermäßigen Säure zugegen sind.
Endlich substituirt man die Wadikke der Milch selbst, da sie in der That dünner ist, und weniger Oel, und weniger Käse enthält, weil sie demohngeachtet doch noch die Kraft zu ernähren hat. Von ihr erhielte sich Boer- haave ganz allein(g) viele Monate, und von ihr und einem abgekochten Gerstenwasser lebte J. Ferguson gan- zer achtzehn Jahre lang. Mit ihr mästet man auf den Alpen die Schweine (h), wenn man zweymal nach ein- ander den Käse von ihr geschieden. Denn sie behält noch immer ihr zähes und einen Theil von Käse. Bey einer hizzigen Schärfe, oder bey einer Schärfe, die scorbutisch und faulartig ist, scheint die Wadikke weit kräftiger zu wirken, und durch die ausführenden Wege leichter hin- durch zu gehen: allein sie schwächt bei vielen Kranken, vermittelst ihrer Schlüpfrigkeit, den Magen zu sehr, und ihr Gebrauch läßt sich nicht lange fortsezzen. Von die- ser Wadikke (i) machen insonderheit die Araber, auch in den hizzigen Fiebern, in den Pokken (k), und in den gefährlichen Masern, ihres Landes, sehr viel. Jch glaube, daß sie den Jsländern, welche die saure Wadikke der
Schaaf-
(e)[Spaltenumbruch]p. 34.
(f) Esels und Pferdemilch schlägt stärker durch diact. b. n. 9. HIPPOC. n. 9.
(g)[Spaltenumbruch]L. XIX. p. 198.
(h)SCHEUCHZER. l. c. p. 61.
(i)MESUE' p. 148. &c
(k) Bei dem RHAZE de peste.
M m m 3
I. Abſchn. Die Bruͤſte.
Um dieſem Uebel zuvor zu kommen, ſezzen die Aerzte entweder Eſelsmilch, weil ſie etwas duͤnner iſt(e), der Kuhmilch an die Seite, oder ſie beobachten auch, daß ſie eben dieſer Duͤnnheit wegen, oͤfters zu viel Stuhlgang verurſacht (f). Andere miſchen irgend ein mineraliſches Waſſer darunter, worinnen ſich ein wenig laugenhafter Erde, und dergleichen Salz befindet. Man koͤnnte auch blos ein einfaches fixes alkaliſches Salz in die Milch wer- fen, ſo oft es nicht noͤthig ſcheint, den Auswurf durch den Stuhl und Harn auszufuͤhren, oder wo keine Merk- male von einer uͤbermaͤßigen Saͤure zugegen ſind.
Endlich ſubſtituirt man die Wadikke der Milch ſelbſt, da ſie in der That duͤnner iſt, und weniger Oel, und weniger Kaͤſe enthaͤlt, weil ſie demohngeachtet doch noch die Kraft zu ernaͤhren hat. Von ihr erhielte ſich Boer- haave ganz allein(g) viele Monate, und von ihr und einem abgekochten Gerſtenwaſſer lebte J. Ferguſon gan- zer achtzehn Jahre lang. Mit ihr maͤſtet man auf den Alpen die Schweine (h), wenn man zweymal nach ein- ander den Kaͤſe von ihr geſchieden. Denn ſie behaͤlt noch immer ihr zaͤhes und einen Theil von Kaͤſe. Bey einer hizzigen Schaͤrfe, oder bey einer Schaͤrfe, die ſcorbutiſch und faulartig iſt, ſcheint die Wadikke weit kraͤftiger zu wirken, und durch die ausfuͤhrenden Wege leichter hin- durch zu gehen: allein ſie ſchwaͤcht bei vielen Kranken, vermittelſt ihrer Schluͤpfrigkeit, den Magen zu ſehr, und ihr Gebrauch laͤßt ſich nicht lange fortſezzen. Von die- ſer Wadikke (i) machen inſonderheit die Araber, auch in den hizzigen Fiebern, in den Pokken (k), und in den gefaͤhrlichen Maſern, ihres Landes, ſehr viel. Jch glaube, daß ſie den Jslaͤndern, welche die ſaure Wadikke der
Schaaf-
(e)[Spaltenumbruch]p. 34.
(f) Eſels und Pferdemilch ſchlaͤgt ſtaͤrker durch diact. b. n. 9. HIPPOC. n. 9.
(g)[Spaltenumbruch]L. XIX. p. 198.
(h)SCHEUCHZER. l. c. p. 61.
(i)MESUE’ p. 148. &c
(k) Bei dem RHAZE de peſte.
M m m 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0953"n="917"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Abſchn. Die Bruͤſte.</hi></fw><lb/><p>Um dieſem Uebel zuvor zu kommen, ſezzen die Aerzte<lb/>
entweder Eſelsmilch, weil ſie etwas duͤnner iſt<noteplace="foot"n="(e)"><cb/><hirendition="#aq">p.</hi> 34.</note>, der<lb/>
Kuhmilch an die Seite, oder ſie beobachten auch, daß<lb/>ſie eben dieſer Duͤnnheit wegen, oͤfters zu viel Stuhlgang<lb/>
verurſacht <noteplace="foot"n="(f)">Eſels und Pferdemilch<lb/>ſchlaͤgt ſtaͤrker durch <hirendition="#aq">diact. b. n. 9.<lb/>
HIPPOC. n.</hi> 9.</note>. Andere miſchen irgend ein mineraliſches<lb/>
Waſſer darunter, worinnen ſich ein wenig laugenhafter<lb/>
Erde, und dergleichen Salz befindet. Man koͤnnte auch<lb/>
blos ein einfaches fixes alkaliſches Salz in die Milch wer-<lb/>
fen, ſo oft es nicht noͤthig ſcheint, den Auswurf durch<lb/>
den Stuhl und Harn auszufuͤhren, oder wo keine Merk-<lb/>
male von einer uͤbermaͤßigen Saͤure zugegen ſind.</p><lb/><p>Endlich ſubſtituirt man die Wadikke der Milch ſelbſt,<lb/>
da ſie in der That duͤnner iſt, und weniger Oel, und<lb/>
weniger Kaͤſe enthaͤlt, weil ſie demohngeachtet doch noch<lb/>
die Kraft zu ernaͤhren hat. Von ihr erhielte ſich <hirendition="#fr">Boer-<lb/>
haave</hi> ganz allein<noteplace="foot"n="(g)"><cb/><hirendition="#aq">L. XIX. p.</hi> 198.</note> viele Monate, und von ihr und<lb/>
einem abgekochten Gerſtenwaſſer lebte J. <hirendition="#fr">Ferguſon</hi> gan-<lb/>
zer achtzehn Jahre lang. Mit ihr maͤſtet man auf den<lb/>
Alpen die Schweine <noteplace="foot"n="(h)"><hirendition="#aq">SCHEUCHZER. l. c. p.</hi> 61.</note>, wenn man zweymal nach ein-<lb/>
ander den Kaͤſe von ihr geſchieden. Denn ſie behaͤlt noch<lb/>
immer ihr zaͤhes und einen Theil von Kaͤſe. Bey einer<lb/>
hizzigen Schaͤrfe, oder bey einer Schaͤrfe, die ſcorbutiſch<lb/>
und faulartig iſt, ſcheint die Wadikke weit kraͤftiger zu<lb/>
wirken, und durch die ausfuͤhrenden Wege leichter hin-<lb/>
durch zu gehen: allein ſie ſchwaͤcht bei vielen Kranken,<lb/>
vermittelſt ihrer Schluͤpfrigkeit, den Magen zu ſehr, und<lb/>
ihr Gebrauch laͤßt ſich nicht lange fortſezzen. Von die-<lb/>ſer Wadikke <noteplace="foot"n="(i)"><hirendition="#aq">MESUE’ p. 148. &c</hi></note> machen inſonderheit die Araber, auch<lb/>
in den hizzigen Fiebern, in den Pokken <noteplace="foot"n="(k)">Bei dem <hirendition="#aq">RHAZE de peſte.</hi></note>, und in den<lb/>
gefaͤhrlichen Maſern, ihres Landes, ſehr viel. Jch glaube,<lb/>
daß ſie den Jslaͤndern, welche die ſaure Wadikke der<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M m m 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Schaaf-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[917/0953]
I. Abſchn. Die Bruͤſte.
Um dieſem Uebel zuvor zu kommen, ſezzen die Aerzte
entweder Eſelsmilch, weil ſie etwas duͤnner iſt (e), der
Kuhmilch an die Seite, oder ſie beobachten auch, daß
ſie eben dieſer Duͤnnheit wegen, oͤfters zu viel Stuhlgang
verurſacht (f). Andere miſchen irgend ein mineraliſches
Waſſer darunter, worinnen ſich ein wenig laugenhafter
Erde, und dergleichen Salz befindet. Man koͤnnte auch
blos ein einfaches fixes alkaliſches Salz in die Milch wer-
fen, ſo oft es nicht noͤthig ſcheint, den Auswurf durch
den Stuhl und Harn auszufuͤhren, oder wo keine Merk-
male von einer uͤbermaͤßigen Saͤure zugegen ſind.
Endlich ſubſtituirt man die Wadikke der Milch ſelbſt,
da ſie in der That duͤnner iſt, und weniger Oel, und
weniger Kaͤſe enthaͤlt, weil ſie demohngeachtet doch noch
die Kraft zu ernaͤhren hat. Von ihr erhielte ſich Boer-
haave ganz allein (g) viele Monate, und von ihr und
einem abgekochten Gerſtenwaſſer lebte J. Ferguſon gan-
zer achtzehn Jahre lang. Mit ihr maͤſtet man auf den
Alpen die Schweine (h), wenn man zweymal nach ein-
ander den Kaͤſe von ihr geſchieden. Denn ſie behaͤlt noch
immer ihr zaͤhes und einen Theil von Kaͤſe. Bey einer
hizzigen Schaͤrfe, oder bey einer Schaͤrfe, die ſcorbutiſch
und faulartig iſt, ſcheint die Wadikke weit kraͤftiger zu
wirken, und durch die ausfuͤhrenden Wege leichter hin-
durch zu gehen: allein ſie ſchwaͤcht bei vielen Kranken,
vermittelſt ihrer Schluͤpfrigkeit, den Magen zu ſehr, und
ihr Gebrauch laͤßt ſich nicht lange fortſezzen. Von die-
ſer Wadikke (i) machen inſonderheit die Araber, auch
in den hizzigen Fiebern, in den Pokken (k), und in den
gefaͤhrlichen Maſern, ihres Landes, ſehr viel. Jch glaube,
daß ſie den Jslaͤndern, welche die ſaure Wadikke der
Schaaf-
(e)
p. 34.
(f) Eſels und Pferdemilch
ſchlaͤgt ſtaͤrker durch diact. b. n. 9.
HIPPOC. n. 9.
(g)
L. XIX. p. 198.
(h) SCHEUCHZER. l. c. p. 61.
(i) MESUE’ p. 148. &c
(k) Bei dem RHAZE de peſte.
M m m 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 917. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/953>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.