Was die verschiedene dikke, und für die Nierenwege unproportionirliche Körper betrift, welche mit dem Urine abgegangen zu seyn scheinen(x), so glaube ich, daß bei vielen die Erzählungen der Schriftsteller, so vom Wun- derbarem Freunde gewesen, übertrieben sind (y): bei an- dern kann ein fehlerhafter Kanal von der Niere zum Grimmdarme und von der Blase noch leichter zum Mast- darme gegangen seyn, der dergleichen Körper durchge- lassen. Dieses vermuthete schon ehedem Stahl(z), ein Mann, der nicht viel Leichtgläubigkeit besas, und seine Gedanken wurden durch eine genauere Jnqvisition bestä- tigt, und eben so denken auch andre Männer bei andern Fällen (a). Man fand in der Blase Eiter, als durch die Wege des Urins kleine Knochen abgiengen (b), und einen kothartigen Bodensazz, als Jemand kleine Rosi- nen (c) harnte. Da Speisen mit dem Urine weggien- gen, so fand man vom Krummdarme eine Fistel in die Blase gehen (b*).
Wenn einige genossene Flüßigkeiten ihre natürliche Eigenschaften bisweilen im Urine behalten haben, so ge- schieht eben das auch im Blute, und in dem daraus ge- wordenen Schweisse (d) und in der Ausdünstung (e), ob gleich Niemand vom Magen in die kleinste Hautgefässe offne Röhrchen zu führen, vor nöthig erachtet. Endlich hat eine Menge so gar des reinen Wassers (f) die Wege des Urins so auswaschen können, daß es ohne einige Ver- änderung fortgegangen.
Wenn
(x)[Spaltenumbruch]p. 378. 379.
(y) Daran zweifelte sehr VA- LISNERI obs. var. et Gall. di Mi- nerv. T. V. p. 69.
(z)Apud. VALENTINUM l. c. Eph. Nat. Cur. Vol. X. obs. 38.
(a) Hieher HALLEY ad AN- DRY.
(b)Journ. de Medec. 1759 Juin.
(c)Eph. Nat. Cur. Vol. X. obs. 38.
(b*)CAMPER de pelvi p. 16. [Spaltenumbruch]
dessen vortreflich Buch ich jezzt zu lesen bekomme.
(d)L. XII. p. 49.
(e)Ibid p. 57.
(f) Nach 10 oder 20 Stunden gieng Kalowasser im hizzigen Fie- ber weg. VALISNER T. II. p. 515.
Die Harnwege, XXVI. Buch.
Was die verſchiedene dikke, und fuͤr die Nierenwege unproportionirliche Koͤrper betrift, welche mit dem Urine abgegangen zu ſeyn ſcheinen(x), ſo glaube ich, daß bei vielen die Erzaͤhlungen der Schriftſteller, ſo vom Wun- derbarem Freunde geweſen, uͤbertrieben ſind (y): bei an- dern kann ein fehlerhafter Kanal von der Niere zum Grimmdarme und von der Blaſe noch leichter zum Maſt- darme gegangen ſeyn, der dergleichen Koͤrper durchge- laſſen. Dieſes vermuthete ſchon ehedem Stahl(z), ein Mann, der nicht viel Leichtglaͤubigkeit beſas, und ſeine Gedanken wurden durch eine genauere Jnqviſition beſtaͤ- tigt, und eben ſo denken auch andre Maͤnner bei andern Faͤllen (a). Man fand in der Blaſe Eiter, als durch die Wege des Urins kleine Knochen abgiengen (b), und einen kothartigen Bodenſazz, als Jemand kleine Roſi- nen (c) harnte. Da Speiſen mit dem Urine weggien- gen, ſo fand man vom Krummdarme eine Fiſtel in die Blaſe gehen (b*).
Wenn einige genoſſene Fluͤßigkeiten ihre natuͤrliche Eigenſchaften bisweilen im Urine behalten haben, ſo ge- ſchieht eben das auch im Blute, und in dem daraus ge- wordenen Schweiſſe (d) und in der Ausduͤnſtung (e), ob gleich Niemand vom Magen in die kleinſte Hautgefaͤſſe offne Roͤhrchen zu fuͤhren, vor noͤthig erachtet. Endlich hat eine Menge ſo gar des reinen Waſſers (f) die Wege des Urins ſo auswaſchen koͤnnen, daß es ohne einige Ver- aͤnderung fortgegangen.
Wenn
(x)[Spaltenumbruch]p. 378. 379.
(y) Daran zweifelte ſehr VA- LISNERI obſ. var. et Gall. di Mi- nerv. T. V. p. 69.
(z)Apud. VALENTINUM l. c. Eph. Nat. Cur. Vol. X. obſ. 38.
(a) Hieher HALLEY ad AN- DRY.
(b)Journ. de Medec. 1759 Juin.
(c)Eph. Nat. Cur. Vol. X. obſ. 38.
(b*)CAMPER de pelvi p. 16. [Spaltenumbruch]
deſſen vortreflich Buch ich jezzt zu leſen bekomme.
(d)L. XII. p. 49.
(e)Ibid p. 57.
(f) Nach 10 oder 20 Stunden gieng Kalowaſſer im hizzigen Fie- ber weg. VALISNER T. II. p. 515.
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Die Harnwege, XXVI. Buch.
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unproportionirliche Koͤrper betrift, welche mit dem Urine
abgegangen zu ſeyn ſcheinen (x), ſo glaube ich, daß bei
vielen die Erzaͤhlungen der Schriftſteller, ſo vom Wun-
derbarem Freunde geweſen, uͤbertrieben ſind (y): bei an-
dern kann ein fehlerhafter Kanal von der Niere zum
Grimmdarme und von der Blaſe noch leichter zum Maſt-
darme gegangen ſeyn, der dergleichen Koͤrper durchge-
laſſen. Dieſes vermuthete ſchon ehedem Stahl (z), ein
Mann, der nicht viel Leichtglaͤubigkeit beſas, und ſeine
Gedanken wurden durch eine genauere Jnqviſition beſtaͤ-
tigt, und eben ſo denken auch andre Maͤnner bei andern
Faͤllen (a). Man fand in der Blaſe Eiter, als durch
die Wege des Urins kleine Knochen abgiengen (b), und
einen kothartigen Bodenſazz, als Jemand kleine Roſi-
nen (c) harnte. Da Speiſen mit dem Urine weggien-
gen, ſo fand man vom Krummdarme eine Fiſtel in die
Blaſe gehen (b*).
Wenn einige genoſſene Fluͤßigkeiten ihre natuͤrliche
Eigenſchaften bisweilen im Urine behalten haben, ſo ge-
ſchieht eben das auch im Blute, und in dem daraus ge-
wordenen Schweiſſe (d) und in der Ausduͤnſtung (e), ob
gleich Niemand vom Magen in die kleinſte Hautgefaͤſſe
offne Roͤhrchen zu fuͤhren, vor noͤthig erachtet. Endlich
hat eine Menge ſo gar des reinen Waſſers (f) die Wege
des Urins ſo auswaſchen koͤnnen, daß es ohne einige Ver-
aͤnderung fortgegangen.
Wenn
(x)
p. 378. 379.
(y) Daran zweifelte ſehr VA-
LISNERI obſ. var. et Gall. di Mi-
nerv. T. V. p. 69.
(z) Apud. VALENTINUM l. c.
Eph. Nat. Cur. Vol. X. obſ. 38.
(a) Hieher HALLEY ad AN-
DRY.
(b) Journ. de Medec. 1759 Juin.
(c) Eph. Nat. Cur. Vol. X. obſ.
38.
(b*) CAMPER de pelvi p. 16.
deſſen vortreflich Buch ich jezzt zu
leſen bekomme.
(d) L. XII. p. 49.
(e) Ibid p. 57.
(f) Nach 10 oder 20 Stunden
gieng Kalowaſſer im hizzigen Fie-
ber weg. VALISNER T. II. p. 515.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/598>, abgerufen am 22.11.2024.
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