Dieser Bodensazz enthält eine Erde, ein Oel, und die Urinsalze: bei Schwindsüchtigen offenbar ein aufge- lößtes Menschenfett, so wie bei andern, die nach Krank- heiten wieder genesen. Es ist der Bodensazz eben das- jenige, worauf die Alten so viel Vorhersagungen bauten, indem sie einen leichten, und bald sinkenden Urin (c) für ein gewisses Zeichen der Besserung hielten, und im Ge- gentheil denjenigen einen rohen Urin (d) nannten, wo- fern der Urin keinen Sazz hatte. Ungewis war der Ausgang, oder die Krankheit muste langwierig seyn, wenn der unbeständige Urin bald einen, bald gar keinen Sazz hatte(e).
Diese Dinge sind in so fern richtig, daß es sich aus einem dergleichen Urine erkennen läst, daß der besondere Paroxismus eines Fiebers ausgetobt habe, und wir ha- ben dergleichen Exempel offenbar an den Wechselfiebern.
Was aber die anhaltende Fieber betrift, die von schlimmer Art sind, und die ich auf dem deutschen Bo- den so oft beobachtet habe, in meinem Vaterlande aber seltener sind, und zwischen den Anfällen nur kleine Pau- sen machen, bei diesen Fiebern läst sich nichts aus den Bodensazze schliessen; denn es kann zu den Paroxismus, dessen überstandne Wuth der Bodensazz ankündiget, bald ein andrer kommen, und dieses pflegt nur gar zu oft zu geschehen, daß bei geschwinden Umschlage der Sa- chen, auf den noch so schön scheinenden Urin ein ganz heller folgt.
Wir sind daher von berühmten Männern längst ge- warnet worden, diesem einzigen Zeichen niemals zu viel zu trauen.
[Spaltenumbruch](b) (f)
§. 11.
(c)HIPPOCR. peri Crision. n. 1.
(d)n. 6.
(e)[Spaltenumbruch]Cris. n. 7. progn. n. XI.
(b)L. XXVI. p. 277.
(f)Cris. n. 7. n. XI.
Die Harnwege. XXVI. Buch.
Dieſer Bodenſazz enthaͤlt eine Erde, ein Oel, und die Urinſalze: bei Schwindſuͤchtigen offenbar ein aufge- loͤßtes Menſchenfett, ſo wie bei andern, die nach Krank- heiten wieder geneſen. Es iſt der Bodenſazz eben das- jenige, worauf die Alten ſo viel Vorherſagungen bauten, indem ſie einen leichten, und bald ſinkenden Urin (c) fuͤr ein gewiſſes Zeichen der Beſſerung hielten, und im Ge- gentheil denjenigen einen rohen Urin (d) nannten, wo- fern der Urin keinen Sazz hatte. Ungewis war der Ausgang, oder die Krankheit muſte langwierig ſeyn, wenn der unbeſtaͤndige Urin bald einen, bald gar keinen Sazz hatte(e).
Dieſe Dinge ſind in ſo fern richtig, daß es ſich aus einem dergleichen Urine erkennen laͤſt, daß der beſondere Paroxiſmus eines Fiebers ausgetobt habe, und wir ha- ben dergleichen Exempel offenbar an den Wechſelfiebern.
Was aber die anhaltende Fieber betrift, die von ſchlimmer Art ſind, und die ich auf dem deutſchen Bo- den ſo oft beobachtet habe, in meinem Vaterlande aber ſeltener ſind, und zwiſchen den Anfaͤllen nur kleine Pau- ſen machen, bei dieſen Fiebern laͤſt ſich nichts aus den Bodenſazze ſchlieſſen; denn es kann zu den Paroxiſmus, deſſen uͤberſtandne Wuth der Bodenſazz ankuͤndiget, bald ein andrer kommen, und dieſes pflegt nur gar zu oft zu geſchehen, daß bei geſchwinden Umſchlage der Sa- chen, auf den noch ſo ſchoͤn ſcheinenden Urin ein ganz heller folgt.
Wir ſind daher von beruͤhmten Maͤnnern laͤngſt ge- warnet worden, dieſem einzigen Zeichen niemals zu viel zu trauen.
[Spaltenumbruch](b) (f)
§. 11.
(c)HIPPOCR. peri Criſion. n. 1.
(d)n. 6.
(e)[Spaltenumbruch]Criſ. n. 7. progn. n. XI.
(b)L. XXVI. p. 277.
(f)Criſ. n. 7. n. XI.
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Die Harnwege. XXVI. Buch.
Dieſer Bodenſazz enthaͤlt eine Erde, ein Oel, und
die Urinſalze: bei Schwindſuͤchtigen offenbar ein aufge-
loͤßtes Menſchenfett, ſo wie bei andern, die nach Krank-
heiten wieder geneſen. Es iſt der Bodenſazz eben das-
jenige, worauf die Alten ſo viel Vorherſagungen bauten,
indem ſie einen leichten, und bald ſinkenden Urin (c) fuͤr
ein gewiſſes Zeichen der Beſſerung hielten, und im Ge-
gentheil denjenigen einen rohen Urin (d) nannten, wo-
fern der Urin keinen Sazz hatte. Ungewis war der
Ausgang, oder die Krankheit muſte langwierig ſeyn, wenn
der unbeſtaͤndige Urin bald einen, bald gar keinen Sazz
hatte (e).
Dieſe Dinge ſind in ſo fern richtig, daß es ſich aus
einem dergleichen Urine erkennen laͤſt, daß der beſondere
Paroxiſmus eines Fiebers ausgetobt habe, und wir ha-
ben dergleichen Exempel offenbar an den Wechſelfiebern.
Was aber die anhaltende Fieber betrift, die von
ſchlimmer Art ſind, und die ich auf dem deutſchen Bo-
den ſo oft beobachtet habe, in meinem Vaterlande aber
ſeltener ſind, und zwiſchen den Anfaͤllen nur kleine Pau-
ſen machen, bei dieſen Fiebern laͤſt ſich nichts aus den
Bodenſazze ſchlieſſen; denn es kann zu den Paroxiſmus,
deſſen uͤberſtandne Wuth der Bodenſazz ankuͤndiget,
bald ein andrer kommen, und dieſes pflegt nur gar zu
oft zu geſchehen, daß bei geſchwinden Umſchlage der Sa-
chen, auf den noch ſo ſchoͤn ſcheinenden Urin ein ganz
heller folgt.
Wir ſind daher von beruͤhmten Maͤnnern laͤngſt ge-
warnet worden, dieſem einzigen Zeichen niemals zu viel
zu trauen.
§. 11.
(b)
(f)
(c) HIPPOCR. peri Criſion. n. 1.
(d) n. 6.
(e)
Criſ. n. 7. progn. n. XI.
(b) L. XXVI. p. 277.
(f) Criſ. n. 7. n. XI.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/548>, abgerufen am 25.11.2024.
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