Nun heist es, laufen alle Milchgefäße nach diesen Drü- sen hin: und wenn diese also verstopft sind, oder aufhö- ren, so hören auch diese Gefäße mit auf, ohne dem Blute einen Nahrungssaft zuzuführen, und dennoch daure nicht nur das Leben fort, sondern es sey auch noch die Materie zu den Absonderungen vorhanden. Hieher lassen sich auch diejenige Menschen rechnen, von denen wir so gleich melden werden, daß sie lange Zeit am Le- ben geblieben, ob ihr Brustgang gleich zerrissen gewe- sen(i).
Das vorige Argument würde weniger anstößig seyn, wenn ich nicht bei alten Greisen mehrmalen den Brust- kanal voller weissen Chili gefunden hätte, welches ein offenbarer Beweis ist, daß die Strasse des Chilus nicht verstopft gewesen. Nothwendig haben bei diesen Men- schen andre Chilwege, außer den Milchgefäßen, gewe- sen seyn müssen.
Ohne Bedeutung ist auch derjenige Beweis, wel- chen Reverhorst auf die Bahn bringet. Zuerst muß nothwendig die Galle resorbirt werden, indem deren Menge den gesamten Koth an Gewichte weit über- trift (k): und man könnte noch hinzufügen, daß die Galle eine sehr grosse Menge Wasser verbittern kann. Und dennoch habe nie ein Chilus einige Bitterkeit an sich gezeigt, folglich scheine die Galle eine andre Strasse zu nehmen [Spaltenumbruch](k*).
Man könnte auch Exempel hieher ziehen, die nicht selten vorkommen, wo nach Zerstörung des Brustkanals, und auf Ergiessungen der Nahrungsmilch, so auf an- dere Weise geschehen, Menschen lange, und viel länger gelebt haben, als man von ihnen in diesem Zustande
erwarten
(i)[Spaltenumbruch]p. 68.
(k)De circulat. bilis. p. 34.
(k*) Doch sahe in den Milch- gefässen Galle GALEAC. Comm. Bonon. T. II. P. I. p. 157. 158.
G 3
II. Abſchn. Verrichtungen des duͤnnen.
Nun heiſt es, laufen alle Milchgefaͤße nach dieſen Druͤ- ſen hin: und wenn dieſe alſo verſtopft ſind, oder aufhoͤ- ren, ſo hoͤren auch dieſe Gefaͤße mit auf, ohne dem Blute einen Nahrungsſaft zuzufuͤhren, und dennoch daure nicht nur das Leben fort, ſondern es ſey auch noch die Materie zu den Abſonderungen vorhanden. Hieher laſſen ſich auch diejenige Menſchen rechnen, von denen wir ſo gleich melden werden, daß ſie lange Zeit am Le- ben geblieben, ob ihr Bruſtgang gleich zerriſſen gewe- ſen(i).
Das vorige Argument wuͤrde weniger anſtoͤßig ſeyn, wenn ich nicht bei alten Greiſen mehrmalen den Bruſt- kanal voller weiſſen Chili gefunden haͤtte, welches ein offenbarer Beweis iſt, daß die Straſſe des Chilus nicht verſtopft geweſen. Nothwendig haben bei dieſen Men- ſchen andre Chilwege, außer den Milchgefaͤßen, gewe- ſen ſeyn muͤſſen.
Ohne Bedeutung iſt auch derjenige Beweis, wel- chen Reverhorſt auf die Bahn bringet. Zuerſt muß nothwendig die Galle reſorbirt werden, indem deren Menge den geſamten Koth an Gewichte weit uͤber- trift (k): und man koͤnnte noch hinzufuͤgen, daß die Galle eine ſehr groſſe Menge Waſſer verbittern kann. Und dennoch habe nie ein Chilus einige Bitterkeit an ſich gezeigt, folglich ſcheine die Galle eine andre Straſſe zu nehmen [Spaltenumbruch](k*).
Man koͤnnte auch Exempel hieher ziehen, die nicht ſelten vorkommen, wo nach Zerſtoͤrung des Bruſtkanals, und auf Ergieſſungen der Nahrungsmilch, ſo auf an- dere Weiſe geſchehen, Menſchen lange, und viel laͤnger gelebt haben, als man von ihnen in dieſem Zuſtande
erwarten
(i)[Spaltenumbruch]p. 68.
(k)De circulat. bilis. p. 34.
(k*) Doch ſahe in den Milch- gefaͤſſen Galle GALEAC. Comm. Bonon. T. II. P. I. p. 157. 158.
G 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0137"n="101"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Abſchn. Verrichtungen des duͤnnen.</hi></fw><lb/>
Nun heiſt es, laufen alle Milchgefaͤße nach dieſen Druͤ-<lb/>ſen hin: und wenn dieſe alſo verſtopft ſind, oder aufhoͤ-<lb/>
ren, ſo hoͤren auch dieſe Gefaͤße mit auf, ohne dem<lb/>
Blute einen Nahrungsſaft zuzufuͤhren, und dennoch<lb/>
daure nicht nur das Leben fort, ſondern es ſey auch noch<lb/>
die Materie zu den Abſonderungen vorhanden. Hieher<lb/>
laſſen ſich auch diejenige Menſchen rechnen, von denen<lb/>
wir ſo gleich melden werden, daß ſie lange Zeit am Le-<lb/>
ben geblieben, ob ihr Bruſtgang gleich zerriſſen gewe-<lb/>ſen<noteplace="foot"n="(i)"><cb/><hirendition="#aq">p.</hi> 68.</note>.</p><lb/><p>Das vorige Argument wuͤrde weniger anſtoͤßig ſeyn,<lb/>
wenn ich nicht bei alten Greiſen mehrmalen den Bruſt-<lb/>
kanal voller weiſſen Chili gefunden haͤtte, welches ein<lb/>
offenbarer Beweis iſt, daß die Straſſe des Chilus nicht<lb/>
verſtopft geweſen. Nothwendig haben bei dieſen Men-<lb/>ſchen andre Chilwege, außer den Milchgefaͤßen, gewe-<lb/>ſen ſeyn muͤſſen.</p><lb/><p>Ohne Bedeutung iſt auch derjenige Beweis, wel-<lb/>
chen <hirendition="#fr">Reverhorſt</hi> auf die Bahn bringet. Zuerſt muß<lb/>
nothwendig die Galle reſorbirt werden, indem deren<lb/>
Menge den geſamten Koth an Gewichte weit uͤber-<lb/>
trift <noteplace="foot"n="(k)"><hirendition="#aq">De circulat. bilis. p.</hi> 34.</note>: und man koͤnnte noch hinzufuͤgen, daß die<lb/>
Galle eine ſehr groſſe Menge Waſſer verbittern kann.<lb/>
Und dennoch habe nie ein Chilus einige Bitterkeit an<lb/>ſich gezeigt, folglich ſcheine die Galle eine andre Straſſe<lb/>
zu nehmen <cb/><noteplace="foot"n="(k*)">Doch ſahe in den Milch-<lb/>
gefaͤſſen Galle <hirendition="#aq">GALEAC. Comm.<lb/>
Bonon. T. II. P. I. p.</hi> 157. 158.</note>.</p><lb/><p>Man koͤnnte auch Exempel hieher ziehen, die nicht<lb/>ſelten vorkommen, wo nach Zerſtoͤrung des Bruſtkanals,<lb/>
und auf Ergieſſungen der Nahrungsmilch, ſo auf an-<lb/>
dere Weiſe geſchehen, Menſchen lange, und viel laͤnger<lb/>
gelebt haben, als man von ihnen in dieſem Zuſtande<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">erwarten</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[101/0137]
II. Abſchn. Verrichtungen des duͤnnen.
Nun heiſt es, laufen alle Milchgefaͤße nach dieſen Druͤ-
ſen hin: und wenn dieſe alſo verſtopft ſind, oder aufhoͤ-
ren, ſo hoͤren auch dieſe Gefaͤße mit auf, ohne dem
Blute einen Nahrungsſaft zuzufuͤhren, und dennoch
daure nicht nur das Leben fort, ſondern es ſey auch noch
die Materie zu den Abſonderungen vorhanden. Hieher
laſſen ſich auch diejenige Menſchen rechnen, von denen
wir ſo gleich melden werden, daß ſie lange Zeit am Le-
ben geblieben, ob ihr Bruſtgang gleich zerriſſen gewe-
ſen (i).
Das vorige Argument wuͤrde weniger anſtoͤßig ſeyn,
wenn ich nicht bei alten Greiſen mehrmalen den Bruſt-
kanal voller weiſſen Chili gefunden haͤtte, welches ein
offenbarer Beweis iſt, daß die Straſſe des Chilus nicht
verſtopft geweſen. Nothwendig haben bei dieſen Men-
ſchen andre Chilwege, außer den Milchgefaͤßen, gewe-
ſen ſeyn muͤſſen.
Ohne Bedeutung iſt auch derjenige Beweis, wel-
chen Reverhorſt auf die Bahn bringet. Zuerſt muß
nothwendig die Galle reſorbirt werden, indem deren
Menge den geſamten Koth an Gewichte weit uͤber-
trift (k): und man koͤnnte noch hinzufuͤgen, daß die
Galle eine ſehr groſſe Menge Waſſer verbittern kann.
Und dennoch habe nie ein Chilus einige Bitterkeit an
ſich gezeigt, folglich ſcheine die Galle eine andre Straſſe
zu nehmen
(k*).
Man koͤnnte auch Exempel hieher ziehen, die nicht
ſelten vorkommen, wo nach Zerſtoͤrung des Bruſtkanals,
und auf Ergieſſungen der Nahrungsmilch, ſo auf an-
dere Weiſe geſchehen, Menſchen lange, und viel laͤnger
gelebt haben, als man von ihnen in dieſem Zuſtande
erwarten
(i)
p. 68.
(k) De circulat. bilis. p. 34.
(k*) Doch ſahe in den Milch-
gefaͤſſen Galle GALEAC. Comm.
Bonon. T. II. P. I. p. 157. 158.
G 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/137>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.