Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Weibliche Theile. XXVIII. Buch.
in ihrer Höhe erhielte, in das Reich der Vergessenheit
wieder zurükk.

Es geschieht nemlich selten, jedoch auch bisweilen
wohl, daß die Wahrheit auch in dem Freystaate der Ar-
zeneikunst den Vorurtheilen zur Beute überlassen wird.

So machen berühmte Männer gegen die Theorie
des Monatblutes, Kraft welcher man diese Ausführung
durch die Vollblütigkeit erklärt, vielfältige Einwürfe.
Erstlich könnte man den weichern Bau des weiblichen
Geschlechts in so fern leugnen, weil es weichliche Män-
ner und bärtige und sehr starke Frauenspersonen giebt,
ohne daß jene die monatliche Reinigung hätten, noch diese
dem allgemeinen Gesezze ihres Geschlechts ausweichen
könnten. Man finde auch bey Mannspersonen eben
solche histerische Zufälle, es empfänden Mannspersonen
das Erstikken ebenfalls (b), und sogar bemerkten sie eine
im Schlunde in die Höhe steigende Kugel, sie bekämen
ebenfalls vom Bibergeil Erleichterung, und könnten den
Ambra eben so wenig vertragen (c).

Es thue aber eine verminderte Ausdünstung zum
Ausbruche der monatlichen Reinigung nichts. Denn
es habe ein vollkommen gesundes Mägdchen vor, und
nach ihrer Reinigung, einerley Gewicht gehabt(d).

Das Wachsthum sey bey vielen nach dem Ausbruche
der Reinigung ziemlich ansehnlich (e).

Einige berühmte Männer geben überhaupt auch keine
weibliche Vollblütigkeit zu. Es sey nicht wahrscheinlich,
sagen sie, daß alle Mägdchens seit sechszig Jahrhunder-
ten an der Vollblütigkeit krank gewesen wären (f), und
[Spaltenumbruch] (a)

es
(b) HOECHSTETTER. cas. 2.
Dec. V. add. cas. 4. Dec. IV.
PECHLIN. L. I. obs.
31.
(c) SPINDLER. obs. 8.
(d) [Spaltenumbruch] SAMSON. l. c. p. 51.
(e) G. v. SWIETEN. Comm.
IV. p.
421.
(f) EMETT. p. 41.
(a) J. SYLVIUS tr. X. p. 864.

Weibliche Theile. XXVIII. Buch.
in ihrer Hoͤhe erhielte, in das Reich der Vergeſſenheit
wieder zuruͤkk.

Es geſchieht nemlich ſelten, jedoch auch bisweilen
wohl, daß die Wahrheit auch in dem Freyſtaate der Ar-
zeneikunſt den Vorurtheilen zur Beute uͤberlaſſen wird.

So machen beruͤhmte Maͤnner gegen die Theorie
des Monatblutes, Kraft welcher man dieſe Ausfuͤhrung
durch die Vollbluͤtigkeit erklaͤrt, vielfaͤltige Einwuͤrfe.
Erſtlich koͤnnte man den weichern Bau des weiblichen
Geſchlechts in ſo fern leugnen, weil es weichliche Maͤn-
ner und baͤrtige und ſehr ſtarke Frauensperſonen giebt,
ohne daß jene die monatliche Reinigung haͤtten, noch dieſe
dem allgemeinen Geſezze ihres Geſchlechts ausweichen
koͤnnten. Man finde auch bey Mannsperſonen eben
ſolche hiſteriſche Zufaͤlle, es empfaͤnden Mannsperſonen
das Erſtikken ebenfalls (b), und ſogar bemerkten ſie eine
im Schlunde in die Hoͤhe ſteigende Kugel, ſie bekaͤmen
ebenfalls vom Bibergeil Erleichterung, und koͤnnten den
Ambra eben ſo wenig vertragen (c).

Es thue aber eine verminderte Ausduͤnſtung zum
Ausbruche der monatlichen Reinigung nichts. Denn
es habe ein vollkommen geſundes Maͤgdchen vor, und
nach ihrer Reinigung, einerley Gewicht gehabt(d).

Das Wachsthum ſey bey vielen nach dem Ausbruche
der Reinigung ziemlich anſehnlich (e).

Einige beruͤhmte Maͤnner geben uͤberhaupt auch keine
weibliche Vollbluͤtigkeit zu. Es ſey nicht wahrſcheinlich,
ſagen ſie, daß alle Maͤgdchens ſeit ſechszig Jahrhunder-
ten an der Vollbluͤtigkeit krank geweſen waͤren (f), und
[Spaltenumbruch] (a)

es
(b) HOECHSTETTER. caſ. 2.
Dec. V. add. caſ. 4. Dec. IV.
PECHLIN. L. I. obſ.
31.
(c) SPINDLER. obſ. 8.
(d) [Spaltenumbruch] SAMSON. l. c. p. 51.
(e) G. v. SWIETEN. Comm.
IV. p.
421.
(f) EMETT. p. 41.
(a) J. SYLVIUS tr. X. p. 864.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f1162" n="1126"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Weibliche Theile. <hi rendition="#aq">XXVIII.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
in ihrer Ho&#x0364;he erhielte, in das Reich der Verge&#x017F;&#x017F;enheit<lb/>
wieder zuru&#x0364;kk.</p><lb/>
              <p>Es ge&#x017F;chieht nemlich &#x017F;elten, jedoch auch bisweilen<lb/>
wohl, daß die Wahrheit auch in dem Frey&#x017F;taate der Ar-<lb/>
zeneikun&#x017F;t den Vorurtheilen zur Beute u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en wird.</p><lb/>
              <p>So machen beru&#x0364;hmte Ma&#x0364;nner gegen die Theorie<lb/>
des Monatblutes, Kraft welcher man die&#x017F;e Ausfu&#x0364;hrung<lb/>
durch die Vollblu&#x0364;tigkeit erkla&#x0364;rt, vielfa&#x0364;ltige Einwu&#x0364;rfe.<lb/>
Er&#x017F;tlich ko&#x0364;nnte man den weichern Bau des weiblichen<lb/>
Ge&#x017F;chlechts in &#x017F;o fern leugnen, weil es weichliche Ma&#x0364;n-<lb/>
ner und ba&#x0364;rtige und &#x017F;ehr &#x017F;tarke Frauensper&#x017F;onen giebt,<lb/>
ohne daß jene die monatliche Reinigung ha&#x0364;tten, noch die&#x017F;e<lb/>
dem allgemeinen Ge&#x017F;ezze ihres Ge&#x017F;chlechts ausweichen<lb/>
ko&#x0364;nnten. Man finde auch bey Mannsper&#x017F;onen eben<lb/>
&#x017F;olche hi&#x017F;teri&#x017F;che Zufa&#x0364;lle, es empfa&#x0364;nden Mannsper&#x017F;onen<lb/>
das Er&#x017F;tikken ebenfalls <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq">HOECHSTETTER. ca&#x017F;. 2.<lb/>
Dec. V. add. ca&#x017F;. 4. Dec. IV.<lb/>
PECHLIN. L. I. ob&#x017F;.</hi> 31.</note>, und &#x017F;ogar bemerkten &#x017F;ie eine<lb/>
im Schlunde in die Ho&#x0364;he &#x017F;teigende Kugel, &#x017F;ie beka&#x0364;men<lb/>
ebenfalls vom Bibergeil Erleichterung, und ko&#x0364;nnten den<lb/>
Ambra eben &#x017F;o wenig vertragen <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq">SPINDLER. ob&#x017F;.</hi> 8.</note>.</p><lb/>
              <p>Es thue aber eine verminderte Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung zum<lb/>
Ausbruche der monatlichen Reinigung nichts. Denn<lb/>
es habe ein vollkommen ge&#x017F;undes Ma&#x0364;gdchen vor, und<lb/>
nach ihrer Reinigung, einerley Gewicht gehabt<note place="foot" n="(d)"><cb/><hi rendition="#aq">SAMSON. l. c. p.</hi> 51.</note>.</p><lb/>
              <p>Das Wachsthum &#x017F;ey bey vielen nach dem Ausbruche<lb/>
der Reinigung ziemlich an&#x017F;ehnlich <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq">G. v. SWIETEN. Comm.<lb/>
IV. p.</hi> 421.</note>.</p><lb/>
              <p>Einige beru&#x0364;hmte Ma&#x0364;nner geben u&#x0364;berhaupt auch keine<lb/>
weibliche Vollblu&#x0364;tigkeit zu. Es &#x017F;ey nicht wahr&#x017F;cheinlich,<lb/>
&#x017F;agen &#x017F;ie, daß alle Ma&#x0364;gdchens &#x017F;eit &#x017F;echszig Jahrhunder-<lb/>
ten an der Vollblu&#x0364;tigkeit krank gewe&#x017F;en wa&#x0364;ren <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq">EMETT. p.</hi> 41.</note>, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">es</fw><lb/><cb/>
<note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq">J. SYLVIUS tr. X. p.</hi> 864.</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1126/1162] Weibliche Theile. XXVIII. Buch. in ihrer Hoͤhe erhielte, in das Reich der Vergeſſenheit wieder zuruͤkk. Es geſchieht nemlich ſelten, jedoch auch bisweilen wohl, daß die Wahrheit auch in dem Freyſtaate der Ar- zeneikunſt den Vorurtheilen zur Beute uͤberlaſſen wird. So machen beruͤhmte Maͤnner gegen die Theorie des Monatblutes, Kraft welcher man dieſe Ausfuͤhrung durch die Vollbluͤtigkeit erklaͤrt, vielfaͤltige Einwuͤrfe. Erſtlich koͤnnte man den weichern Bau des weiblichen Geſchlechts in ſo fern leugnen, weil es weichliche Maͤn- ner und baͤrtige und ſehr ſtarke Frauensperſonen giebt, ohne daß jene die monatliche Reinigung haͤtten, noch dieſe dem allgemeinen Geſezze ihres Geſchlechts ausweichen koͤnnten. Man finde auch bey Mannsperſonen eben ſolche hiſteriſche Zufaͤlle, es empfaͤnden Mannsperſonen das Erſtikken ebenfalls (b), und ſogar bemerkten ſie eine im Schlunde in die Hoͤhe ſteigende Kugel, ſie bekaͤmen ebenfalls vom Bibergeil Erleichterung, und koͤnnten den Ambra eben ſo wenig vertragen (c). Es thue aber eine verminderte Ausduͤnſtung zum Ausbruche der monatlichen Reinigung nichts. Denn es habe ein vollkommen geſundes Maͤgdchen vor, und nach ihrer Reinigung, einerley Gewicht gehabt (d). Das Wachsthum ſey bey vielen nach dem Ausbruche der Reinigung ziemlich anſehnlich (e). Einige beruͤhmte Maͤnner geben uͤberhaupt auch keine weibliche Vollbluͤtigkeit zu. Es ſey nicht wahrſcheinlich, ſagen ſie, daß alle Maͤgdchens ſeit ſechszig Jahrhunder- ten an der Vollbluͤtigkeit krank geweſen waͤren (f), und es (a) (b) HOECHSTETTER. caſ. 2. Dec. V. add. caſ. 4. Dec. IV. PECHLIN. L. I. obſ. 31. (c) SPINDLER. obſ. 8. (d) SAMSON. l. c. p. 51. (e) G. v. SWIETEN. Comm. IV. p. 421. (f) EMETT. p. 41. (a) J. SYLVIUS tr. X. p. 864.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/1162
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 1126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/1162>, abgerufen am 27.11.2024.