So sind auch die Gefässe selbst bey den grossen Thie- ren an sich viel fester gebauet, als am Menschen, wor- über ich mich öfters verwundern müssen: und so sind auch ihre Knochen, die Haut und das ganze übrige Ge- webe des Körpers viel härter. Daher leiden sie auch schwerlich jemals das Uebel der Verblutungen, und sie würden vielleicht auch nichts von Vollblütigkeit wissen(e), wofern sie der Mensch nicht zu solchen Sitten gewöhnte, welche ihrer Natur zuwider sind. Von den trächtigen Stutten glaubt man, daß sie des Aderlassens nöthig hätten.
Einige berühmte Männer führen hiebey den senkrech- ten Trieb auf die weibliche Gebärmutter (f) an, welches theils durch die Schlagadern mit stärkerer Gewalt in das Bekken bey Frauenspersonen eindringen, und schwe- rer durch Blutadern, welche nach der senkrechten Linie in die Höhe gehen, zurück steigen sollen. Jn der That ist diese Ursache nicht unwahrscheinlich, obgleich andere den Einwurf machen, das Blut dränge sich ebenfalls nach einer senkrechten Linie bey Mannspersonen auf das Bekken zu, und dennoch häufe sich nicht das Blut in den Hoden an(g), und es habe die Natur unserem Ge- schlechte weder die Nothwendigkeit der güldenen Ader, noch des Blutharnens vorgeschrieben (h).
Beiderlei Uebel sind, wie wir sogleich sagen wollen, bey den Mannspersonen nicht ungewöhnlich. Wir ha- ben aber an den unvernünftigen Thieren gezeiget, daß demohngeachtet doch nach dem offenbaren Zeugnisse unserer Augen die Schwere auf das Blut und sonder- lich auf das Blutaderblut viel vermag, und daß sie im Stande ist, die Geschwindigkeit desjenigen Blutes, so in die Höhe zu steigen im Begriffe ist (k), aufzuhalten.
Es
(e)[Spaltenumbruch]ARISTOT. hist. anim. L. III. c. 10. HALES. l. c.
(f)PITCARNE. FREIND. c. 5.
(g)[Spaltenumbruch]EMET. p. 54.
(h)Conf. SNELLEN. theor. p. 163.
(k)Oper. min. 129. 130.
III. Abſchn. Monatliche Reinigung.
So ſind auch die Gefaͤſſe ſelbſt bey den groſſen Thie- ren an ſich viel feſter gebauet, als am Menſchen, wor- uͤber ich mich oͤfters verwundern muͤſſen: und ſo ſind auch ihre Knochen, die Haut und das ganze uͤbrige Ge- webe des Koͤrpers viel haͤrter. Daher leiden ſie auch ſchwerlich jemals das Uebel der Verblutungen, und ſie wuͤrden vielleicht auch nichts von Vollbluͤtigkeit wiſſen(e), wofern ſie der Menſch nicht zu ſolchen Sitten gewoͤhnte, welche ihrer Natur zuwider ſind. Von den traͤchtigen Stutten glaubt man, daß ſie des Aderlaſſens noͤthig haͤtten.
Einige beruͤhmte Maͤnner fuͤhren hiebey den ſenkrech- ten Trieb auf die weibliche Gebaͤrmutter (f) an, welches theils durch die Schlagadern mit ſtaͤrkerer Gewalt in das Bekken bey Frauensperſonen eindringen, und ſchwe- rer durch Blutadern, welche nach der ſenkrechten Linie in die Hoͤhe gehen, zuruͤck ſteigen ſollen. Jn der That iſt dieſe Urſache nicht unwahrſcheinlich, obgleich andere den Einwurf machen, das Blut draͤnge ſich ebenfalls nach einer ſenkrechten Linie bey Mannsperſonen auf das Bekken zu, und dennoch haͤufe ſich nicht das Blut in den Hoden an(g), und es habe die Natur unſerem Ge- ſchlechte weder die Nothwendigkeit der guͤldenen Ader, noch des Blutharnens vorgeſchrieben (h).
Beiderlei Uebel ſind, wie wir ſogleich ſagen wollen, bey den Mannsperſonen nicht ungewoͤhnlich. Wir ha- ben aber an den unvernuͤnftigen Thieren gezeiget, daß demohngeachtet doch nach dem offenbaren Zeugniſſe unſerer Augen die Schwere auf das Blut und ſonder- lich auf das Blutaderblut viel vermag, und daß ſie im Stande iſt, die Geſchwindigkeit desjenigen Blutes, ſo in die Hoͤhe zu ſteigen im Begriffe iſt (k), aufzuhalten.
Es
(e)[Spaltenumbruch]ARISTOT. hiſt. anim. L. III. c. 10. HALES. l. c.
(f)PITCARNE. FREIND. c. 5.
(g)[Spaltenumbruch]EMET. p. 54.
(h)Conf. SNELLEN. theor. p. 163.
(k)Oper. min. 129. 130.
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III. Abſchn. Monatliche Reinigung.
So ſind auch die Gefaͤſſe ſelbſt bey den groſſen Thie-
ren an ſich viel feſter gebauet, als am Menſchen, wor-
uͤber ich mich oͤfters verwundern muͤſſen: und ſo ſind
auch ihre Knochen, die Haut und das ganze uͤbrige Ge-
webe des Koͤrpers viel haͤrter. Daher leiden ſie auch
ſchwerlich jemals das Uebel der Verblutungen, und ſie
wuͤrden vielleicht auch nichts von Vollbluͤtigkeit wiſſen (e),
wofern ſie der Menſch nicht zu ſolchen Sitten gewoͤhnte,
welche ihrer Natur zuwider ſind. Von den traͤchtigen
Stutten glaubt man, daß ſie des Aderlaſſens noͤthig
haͤtten.
Einige beruͤhmte Maͤnner fuͤhren hiebey den ſenkrech-
ten Trieb auf die weibliche Gebaͤrmutter (f) an, welches
theils durch die Schlagadern mit ſtaͤrkerer Gewalt in das
Bekken bey Frauensperſonen eindringen, und ſchwe-
rer durch Blutadern, welche nach der ſenkrechten Linie
in die Hoͤhe gehen, zuruͤck ſteigen ſollen. Jn der That
iſt dieſe Urſache nicht unwahrſcheinlich, obgleich andere
den Einwurf machen, das Blut draͤnge ſich ebenfalls
nach einer ſenkrechten Linie bey Mannsperſonen auf das
Bekken zu, und dennoch haͤufe ſich nicht das Blut in
den Hoden an (g), und es habe die Natur unſerem Ge-
ſchlechte weder die Nothwendigkeit der guͤldenen Ader,
noch des Blutharnens vorgeſchrieben (h).
Beiderlei Uebel ſind, wie wir ſogleich ſagen wollen,
bey den Mannsperſonen nicht ungewoͤhnlich. Wir ha-
ben aber an den unvernuͤnftigen Thieren gezeiget, daß
demohngeachtet doch nach dem offenbaren Zeugniſſe
unſerer Augen die Schwere auf das Blut und ſonder-
lich auf das Blutaderblut viel vermag, und daß ſie im
Stande iſt, die Geſchwindigkeit desjenigen Blutes, ſo
in die Hoͤhe zu ſteigen im Begriffe iſt (k), aufzuhalten.
Es
(e)
ARISTOT. hiſt. anim. L. III.
c. 10. HALES. l. c.
(f) PITCARNE. FREIND.
c. 5.
(g)
EMET. p. 54.
(h) Conf. SNELLEN. theor.
p. 163.
(k) Oper. min. 129. 130.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 1119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/1155>, abgerufen am 23.11.2024.
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