Notwendig mus ein so grosses Eingeweide (a), und eine besondre Blutader, welche einzig und allein zu die- sem Endzwekke bestimmt (b), und von einer besondern Bauart ist, und welche man fast in allen Thieren an- trift (c), von der Natur zu einem grossen Nuzzen ge- schaffen worden seyn.
Der erste Nuzzen scheinet dieser zu seyn, daß sie zur Auflösung der Speisen dienen soll. Es vermischt sich nämlich eine, mit Speisen vermengte Galle, vermöge der wechselnden peristaltischen Bewegung, mit dem Schleime, mit dem Oele, und mit dem Wasser (d), und sie löset diese, welche sich ausserdem wiedersinnig von ein- ander trennen würden, in ein einziges gleichartiges Meng- sel auf. Sie macht die Milch, welche im Magen sauer wird und gerinnt, vollkommen flüßig, so daß man in der Jnsertion des Gallenganges keine Gerinnungen mehr antrift. Sie macht aber auch, daß aus Wasser und Fett eine Emulsion entstehen kann, die man Chilus nennt. Fische, die weder ein Zwerchfell, noch Bauchmuskeln, noch eine Wärme, noch einen muskulösen starken Ma- gen haben, verdauen doch die schwereste Speisen (e); sie haben aber grosse Lebern, und eine sehr scharfe Galle (f). Der berümte Doßie glaubt, daß sich in den Hunden so gar Knochen von der Galle auflösen lassen, indem ih- re Galle von der beigemischten Säure weniger geschwä- chet wird (f*).
Doch man weis auch aus der Erfarung, daß vor dem Beitritte der Galle, die im Gedärm stekkende Ma-
terie
(a)[Spaltenumbruch]p. 454. 455.
(b)p. 495.
(c)ibid.
(d)p. 549.
(e)[Spaltenumbruch]p. 312 313.
(f)p. 547.
(f*)I. p. 488.
Die Galle. XXIII. Buch.
§. 32. Der Nuzzen der Galle.
Notwendig mus ein ſo groſſes Eingeweide (a), und eine beſondre Blutader, welche einzig und allein zu die- ſem Endzwekke beſtimmt (b), und von einer beſondern Bauart iſt, und welche man faſt in allen Thieren an- trift (c), von der Natur zu einem groſſen Nuzzen ge- ſchaffen worden ſeyn.
Der erſte Nuzzen ſcheinet dieſer zu ſeyn, daß ſie zur Aufloͤſung der Speiſen dienen ſoll. Es vermiſcht ſich naͤmlich eine, mit Speiſen vermengte Galle, vermoͤge der wechſelnden periſtaltiſchen Bewegung, mit dem Schleime, mit dem Oele, und mit dem Waſſer (d), und ſie loͤſet dieſe, welche ſich auſſerdem wiederſinnig von ein- ander trennen wuͤrden, in ein einziges gleichartiges Meng- ſel auf. Sie macht die Milch, welche im Magen ſauer wird und gerinnt, vollkommen fluͤßig, ſo daß man in der Jnſertion des Gallenganges keine Gerinnungen mehr antrift. Sie macht aber auch, daß aus Waſſer und Fett eine Emulſion entſtehen kann, die man Chilus nennt. Fiſche, die weder ein Zwerchfell, noch Bauchmuſkeln, noch eine Waͤrme, noch einen muſkuloͤſen ſtarken Ma- gen haben, verdauen doch die ſchwereſte Speiſen (e); ſie haben aber groſſe Lebern, und eine ſehr ſcharfe Galle (f). Der beruͤmte Doßie glaubt, daß ſich in den Hunden ſo gar Knochen von der Galle aufloͤſen laſſen, indem ih- re Galle von der beigemiſchten Saͤure weniger geſchwaͤ- chet wird (f*).
Doch man weis auch aus der Erfarung, daß vor dem Beitritte der Galle, die im Gedaͤrm ſtekkende Ma-
terie
(a)[Spaltenumbruch]p. 454. 455.
(b)p. 495.
(c)ibid.
(d)p. 549.
(e)[Spaltenumbruch]p. 312 313.
(f)p. 547.
(f*)I. p. 488.
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Die Galle. XXIII. Buch.
§. 32.
Der Nuzzen der Galle.
Notwendig mus ein ſo groſſes Eingeweide (a), und
eine beſondre Blutader, welche einzig und allein zu die-
ſem Endzwekke beſtimmt (b), und von einer beſondern
Bauart iſt, und welche man faſt in allen Thieren an-
trift (c), von der Natur zu einem groſſen Nuzzen ge-
ſchaffen worden ſeyn.
Der erſte Nuzzen ſcheinet dieſer zu ſeyn, daß ſie zur
Aufloͤſung der Speiſen dienen ſoll. Es vermiſcht ſich
naͤmlich eine, mit Speiſen vermengte Galle, vermoͤge
der wechſelnden periſtaltiſchen Bewegung, mit dem
Schleime, mit dem Oele, und mit dem Waſſer (d), und
ſie loͤſet dieſe, welche ſich auſſerdem wiederſinnig von ein-
ander trennen wuͤrden, in ein einziges gleichartiges Meng-
ſel auf. Sie macht die Milch, welche im Magen ſauer
wird und gerinnt, vollkommen fluͤßig, ſo daß man in
der Jnſertion des Gallenganges keine Gerinnungen mehr
antrift. Sie macht aber auch, daß aus Waſſer und
Fett eine Emulſion entſtehen kann, die man Chilus nennt.
Fiſche, die weder ein Zwerchfell, noch Bauchmuſkeln,
noch eine Waͤrme, noch einen muſkuloͤſen ſtarken Ma-
gen haben, verdauen doch die ſchwereſte Speiſen (e); ſie
haben aber groſſe Lebern, und eine ſehr ſcharfe Galle (f).
Der beruͤmte Doßie glaubt, daß ſich in den Hunden
ſo gar Knochen von der Galle aufloͤſen laſſen, indem ih-
re Galle von der beigemiſchten Saͤure weniger geſchwaͤ-
chet wird (f*).
Doch man weis auch aus der Erfarung, daß vor
dem Beitritte der Galle, die im Gedaͤrm ſtekkende Ma-
terie
(a)
p. 454. 455.
(b) p. 495.
(c) ibid.
(d) p. 549.
(e)
p. 312 313.
(f) p. 547.
(f*) I. p. 488.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 894. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/914>, abgerufen am 23.11.2024.
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