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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774.

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Die Gekrösdrüse. XXII. Buch.

Es ist ferner in den meisten Thieren die Galle aus
der Gallenblase ungemein scharf (f), und zugleich ziem-
lich zähe (g). Vermöge dieser Beschaffenheit würde sie
das Gedärm zur peristaltischen Bewegung heftig reizen:
und zwar nicht ohne Gefar des Erbrechens. Sie wür-
de sich auch nicht deswegen mit der Speise gehörig ver-
mischen können, weil sie ihre Zähigkeit daran verhindert.
Wenn es ja einige Thiere ohne eine Gallenblase giebt,
so ist doch, wenigstens in einigen, der Gekrösdrüsengang,
weit vom Lebergange, inserirt (h).

Es befindet sich aber am Zwölffingerdarm, wie im
Magen, eine scharfe Empfindlichkeit zum Reize; und
folglich haben beide einen starken Antrieb zur peristalti-
schen Bewegung. Hier bewegt sich das Zwerchfell, und
die aufliegende Leber. Von diesen Kräften wird die Lim-
phe der Gekrösdrüse unter die Galle geknetet.

Wenn man daher alles überschlägt, so wird wenig-
stens ein Theil von dem Nuzzen unsers Saftes darauf
ankommen, daß er die Galle der Gallenblase (i) ver-
dünnt und temperirt. Durch diese Wohlthat kann sich
die Galle, durch das Gedärm und Speisemasse ver-
dünnt, besser verbreiten, und mit dem Mengsel der Spei-
se besser vermengen.

Hiedurch wird diejenige Schärfe gemäßigt werden,
welche sonst den Fortlauf der Speise beschleunigen könn-
te; denn diese mus hier sonderlich ihre Verdauung aus-
stehen.

Hieraus läst sich der Hunger in den Thieren verste-
hen (i*), welcher nach der Zerstörung der Gekrösdrüse
vielmehr zunimmt, und den man der scharfen, in den

Magen
(f) [Spaltenumbruch] Siehe L. XXIII. Sect. III.
(g) ibid.
(h) Jm Strauß, Pferde; klein
im Stachelthier vom Kanale mem.
[Spaltenumbruch] 1727. p. 387. klein im Hasen PAU-
LIN lagograph. p.
74.
(i) BRUNNER p. 120.
(i*) p. 451.
Die Gekroͤsdruͤſe. XXII. Buch.

Es iſt ferner in den meiſten Thieren die Galle aus
der Gallenblaſe ungemein ſcharf (f), und zugleich ziem-
lich zaͤhe (g). Vermoͤge dieſer Beſchaffenheit wuͤrde ſie
das Gedaͤrm zur periſtaltiſchen Bewegung heftig reizen:
und zwar nicht ohne Gefar des Erbrechens. Sie wuͤr-
de ſich auch nicht deswegen mit der Speiſe gehoͤrig ver-
miſchen koͤnnen, weil ſie ihre Zaͤhigkeit daran verhindert.
Wenn es ja einige Thiere ohne eine Gallenblaſe giebt,
ſo iſt doch, wenigſtens in einigen, der Gekroͤsdruͤſengang,
weit vom Lebergange, inſerirt (h).

Es befindet ſich aber am Zwoͤlffingerdarm, wie im
Magen, eine ſcharfe Empfindlichkeit zum Reize; und
folglich haben beide einen ſtarken Antrieb zur periſtalti-
ſchen Bewegung. Hier bewegt ſich das Zwerchfell, und
die aufliegende Leber. Von dieſen Kraͤften wird die Lim-
phe der Gekroͤsdruͤſe unter die Galle geknetet.

Wenn man daher alles uͤberſchlaͤgt, ſo wird wenig-
ſtens ein Theil von dem Nuzzen unſers Saftes darauf
ankommen, daß er die Galle der Gallenblaſe (i) ver-
duͤnnt und temperirt. Durch dieſe Wohlthat kann ſich
die Galle, durch das Gedaͤrm und Speiſemaſſe ver-
duͤnnt, beſſer verbreiten, und mit dem Mengſel der Spei-
ſe beſſer vermengen.

Hiedurch wird diejenige Schaͤrfe gemaͤßigt werden,
welche ſonſt den Fortlauf der Speiſe beſchleunigen koͤnn-
te; denn dieſe mus hier ſonderlich ihre Verdauung aus-
ſtehen.

Hieraus laͤſt ſich der Hunger in den Thieren verſte-
hen (i*), welcher nach der Zerſtoͤrung der Gekroͤsdruͤſe
vielmehr zunimmt, und den man der ſcharfen, in den

Magen
(f) [Spaltenumbruch] Siehe L. XXIII. Sect. III.
(g) ibid.
(h) Jm Strauß, Pferde; klein
im Stachelthier vom Kanale mem.
[Spaltenumbruch] 1727. p. 387. klein im Haſen PAU-
LIN lagograph. p.
74.
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(i*) p. 451.
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[656[672]/0692] Die Gekroͤsdruͤſe. XXII. Buch. Es iſt ferner in den meiſten Thieren die Galle aus der Gallenblaſe ungemein ſcharf (f), und zugleich ziem- lich zaͤhe (g). Vermoͤge dieſer Beſchaffenheit wuͤrde ſie das Gedaͤrm zur periſtaltiſchen Bewegung heftig reizen: und zwar nicht ohne Gefar des Erbrechens. Sie wuͤr- de ſich auch nicht deswegen mit der Speiſe gehoͤrig ver- miſchen koͤnnen, weil ſie ihre Zaͤhigkeit daran verhindert. Wenn es ja einige Thiere ohne eine Gallenblaſe giebt, ſo iſt doch, wenigſtens in einigen, der Gekroͤsdruͤſengang, weit vom Lebergange, inſerirt (h). Es befindet ſich aber am Zwoͤlffingerdarm, wie im Magen, eine ſcharfe Empfindlichkeit zum Reize; und folglich haben beide einen ſtarken Antrieb zur periſtalti- ſchen Bewegung. Hier bewegt ſich das Zwerchfell, und die aufliegende Leber. Von dieſen Kraͤften wird die Lim- phe der Gekroͤsdruͤſe unter die Galle geknetet. Wenn man daher alles uͤberſchlaͤgt, ſo wird wenig- ſtens ein Theil von dem Nuzzen unſers Saftes darauf ankommen, daß er die Galle der Gallenblaſe (i) ver- duͤnnt und temperirt. Durch dieſe Wohlthat kann ſich die Galle, durch das Gedaͤrm und Speiſemaſſe ver- duͤnnt, beſſer verbreiten, und mit dem Mengſel der Spei- ſe beſſer vermengen. Hiedurch wird diejenige Schaͤrfe gemaͤßigt werden, welche ſonſt den Fortlauf der Speiſe beſchleunigen koͤnn- te; denn dieſe mus hier ſonderlich ihre Verdauung aus- ſtehen. Hieraus laͤſt ſich der Hunger in den Thieren verſte- hen (i*), welcher nach der Zerſtoͤrung der Gekroͤsdruͤſe vielmehr zunimmt, und den man der ſcharfen, in den Magen (f) Siehe L. XXIII. Sect. III. (g) ibid. (h) Jm Strauß, Pferde; klein im Stachelthier vom Kanale mem. 1727. p. 387. klein im Haſen PAU- LIN lagograph. p. 74. (i) BRUNNER p. 120. (i*) p. 451.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 656[672]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/692>, abgerufen am 22.07.2024.