Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Abschnitt. Hunger und Durst.
empel von einer durch die Enthaltung vom Trinken ge-
heilten Wassersucht ist mir an einem vornemen Manne
bekannt geworden. Diodor will, daß die Fischesser
nicht trinken (f). Man kann die Ursache von diesen
Ausnamen entweder in einer fühllosen Krankheit, wie bei
denen, die sich der Speisen enthalten; oder in dem gros-
sen Ueberflusse des Speichels und der Nässe suchen, wel-
che den Mund und Schlund anfeuchten; oder endlich in
einer Resorbirung der Luft sezzen, welche in einigen Ex-
empeln ganz offenbar vorgekommen (g), weil die Menge
des Urins die getrunkene Flüßigkeit weit überwogen.
Ein Mädchen gab täglich vier bis sechs Pfunde von sich,
da doch ihr ganzes Trinken nicht über sechs Unzen be-
trug (h).

§. 9.
Die Natur und Stelle des Durstes.

Ueberhaupt wirkt der Durst schneller, und er fällt
uns in wenigen Stunden unerträglich; sonderlich wenn
es ausserdem noch heisses Wetter ist (a). Es ist die Ge-
schichte von demjenigen grausamen Durste mehr, als zu
bekannt, den einige Engländer ausstehen musten, welche
der König von Bengalen in einem engen Kerker verwa-
ren lies; und man hat ein berümtes Exempel von dem
Lisimachus, diesem Tapfersten unter Alexanders Nach-
folgern (b), den der Durst nötigte, sich und die ganze Ar-
mee dem Feinde zu ergeben. So befand sich bei dem
Feldzuge Karls des Fünften gegen die Afrikaner die grö-
ste Unbequemlichkeit darinnen, daß viele von seinen Trup-
pen aus Mangel an Wasser umkamen (b*). Ausserdem

vermert
(f) [Spaltenumbruch] L. III. c. 18.
(g) Conf. historia monial. PI-
SAN p.
30.
(h) Abstinent. consolentan. p.
127. 128. und viele andre Fälle L.
XII. p.
89. 90.
(a) [Spaltenumbruch] Die Egipter können keinen
Durst leiden P. ALP. hist. nat. I.
p.
36.
(b) PLUTARCH de sanit.
tuend.
(b*) P. Jov. hist. L. III. p. 787.

II. Abſchnitt. Hunger und Durſt.
empel von einer durch die Enthaltung vom Trinken ge-
heilten Waſſerſucht iſt mir an einem vornemen Manne
bekannt geworden. Diodor will, daß die Fiſcheſſer
nicht trinken (f). Man kann die Urſache von dieſen
Ausnamen entweder in einer fuͤhlloſen Krankheit, wie bei
denen, die ſich der Speiſen enthalten; oder in dem groſ-
ſen Ueberfluſſe des Speichels und der Naͤſſe ſuchen, wel-
che den Mund und Schlund anfeuchten; oder endlich in
einer Reſorbirung der Luft ſezzen, welche in einigen Ex-
empeln ganz offenbar vorgekommen (g), weil die Menge
des Urins die getrunkene Fluͤßigkeit weit uͤberwogen.
Ein Maͤdchen gab taͤglich vier bis ſechs Pfunde von ſich,
da doch ihr ganzes Trinken nicht uͤber ſechs Unzen be-
trug (h).

§. 9.
Die Natur und Stelle des Durſtes.

Ueberhaupt wirkt der Durſt ſchneller, und er faͤllt
uns in wenigen Stunden unertraͤglich; ſonderlich wenn
es auſſerdem noch heiſſes Wetter iſt (a). Es iſt die Ge-
ſchichte von demjenigen grauſamen Durſte mehr, als zu
bekannt, den einige Englaͤnder ausſtehen muſten, welche
der Koͤnig von Bengalen in einem engen Kerker verwa-
ren lies; und man hat ein beruͤmtes Exempel von dem
Liſimachus, dieſem Tapferſten unter Alexanders Nach-
folgern (b), den der Durſt noͤtigte, ſich und die ganze Ar-
mee dem Feinde zu ergeben. So befand ſich bei dem
Feldzuge Karls des Fuͤnften gegen die Afrikaner die groͤ-
ſte Unbequemlichkeit darinnen, daß viele von ſeinen Trup-
pen aus Mangel an Waſſer umkamen (b*). Auſſerdem

vermert
(f) [Spaltenumbruch] L. III. c. 18.
(g) Conf. hiſtoria monial. PI-
SAN p.
30.
(h) Abſtinent. conſolentan. p.
127. 128. und viele andre Faͤlle L.
XII. p.
89. 90.
(a) [Spaltenumbruch] Die Egipter koͤnnen keinen
Durſt leiden P. ALP. hiſt. nat. I.
p.
36.
(b) PLUTARCH de ſanit.
tuend.
(b*) P. Jov. hiſt. L. III. p. 787.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0291" n="255[271]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Hunger und Dur&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
empel von einer durch die Enthaltung vom Trinken ge-<lb/>
heilten Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ucht i&#x017F;t mir an einem vornemen Manne<lb/>
bekannt geworden. <hi rendition="#fr">Diodor</hi> will, daß die Fi&#x017F;che&#x017F;&#x017F;er<lb/>
nicht trinken <note place="foot" n="(f)"><cb/><hi rendition="#aq">L. III. c.</hi> 18.</note>. Man kann die Ur&#x017F;ache von die&#x017F;en<lb/>
Ausnamen entweder in einer fu&#x0364;hllo&#x017F;en Krankheit, wie bei<lb/>
denen, die &#x017F;ich der Spei&#x017F;en enthalten; oder in dem gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Ueberflu&#x017F;&#x017F;e des Speichels und der Na&#x0364;&#x017F;&#x017F;e &#x017F;uchen, wel-<lb/>
che den Mund und Schlund anfeuchten; oder endlich in<lb/>
einer Re&#x017F;orbirung der Luft &#x017F;ezzen, welche in einigen Ex-<lb/>
empeln ganz offenbar vorgekommen <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq">Conf. hi&#x017F;toria monial. PI-<lb/>
SAN p.</hi> 30.</note>, weil die Menge<lb/>
des Urins die getrunkene Flu&#x0364;ßigkeit weit u&#x0364;berwogen.<lb/>
Ein Ma&#x0364;dchen gab ta&#x0364;glich vier bis &#x017F;echs Pfunde von &#x017F;ich,<lb/>
da doch ihr ganzes Trinken nicht u&#x0364;ber &#x017F;echs Unzen be-<lb/>
trug <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#aq">Ab&#x017F;tinent. con&#x017F;olentan. p.</hi><lb/>
127. 128. und viele andre Fa&#x0364;lle <hi rendition="#aq">L.<lb/>
XII. p.</hi> 89. 90.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">§. 9.<lb/>
Die Natur und Stelle des Dur&#x017F;tes.</hi> </head><lb/>
            <p>Ueberhaupt wirkt der Dur&#x017F;t &#x017F;chneller, und er fa&#x0364;llt<lb/>
uns in wenigen Stunden unertra&#x0364;glich; &#x017F;onderlich wenn<lb/>
es au&#x017F;&#x017F;erdem noch hei&#x017F;&#x017F;es Wetter i&#x017F;t <note place="foot" n="(a)"><cb/>
Die Egipter ko&#x0364;nnen keinen<lb/>
Dur&#x017F;t leiden <hi rendition="#aq">P. ALP. hi&#x017F;t. nat. I.<lb/>
p.</hi> 36.</note>. Es i&#x017F;t die Ge-<lb/>
&#x017F;chichte von demjenigen grau&#x017F;amen Dur&#x017F;te mehr, als zu<lb/>
bekannt, den einige Engla&#x0364;nder aus&#x017F;tehen mu&#x017F;ten, welche<lb/>
der Ko&#x0364;nig von Bengalen in einem engen Kerker verwa-<lb/>
ren lies; und man hat ein beru&#x0364;mtes Exempel von dem<lb/><hi rendition="#fr">Li&#x017F;imachus,</hi> die&#x017F;em Tapfer&#x017F;ten unter Alexanders Nach-<lb/>
folgern <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">PLUTARCH</hi> de &#x017F;anit.<lb/>
tuend.</hi></note>, den der Dur&#x017F;t no&#x0364;tigte, &#x017F;ich und die ganze Ar-<lb/>
mee dem Feinde zu ergeben. So befand &#x017F;ich bei dem<lb/>
Feldzuge Karls des Fu&#x0364;nften gegen die Afrikaner die gro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;te Unbequemlichkeit darinnen, daß viele von &#x017F;einen Trup-<lb/>
pen aus Mangel an Wa&#x017F;&#x017F;er umkamen <note place="foot" n="(b*)"><hi rendition="#aq">P. Jov. hi&#x017F;t. L. III. p.</hi> 787.</note>. Au&#x017F;&#x017F;erdem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">vermert</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255[271]/0291] II. Abſchnitt. Hunger und Durſt. empel von einer durch die Enthaltung vom Trinken ge- heilten Waſſerſucht iſt mir an einem vornemen Manne bekannt geworden. Diodor will, daß die Fiſcheſſer nicht trinken (f). Man kann die Urſache von dieſen Ausnamen entweder in einer fuͤhlloſen Krankheit, wie bei denen, die ſich der Speiſen enthalten; oder in dem groſ- ſen Ueberfluſſe des Speichels und der Naͤſſe ſuchen, wel- che den Mund und Schlund anfeuchten; oder endlich in einer Reſorbirung der Luft ſezzen, welche in einigen Ex- empeln ganz offenbar vorgekommen (g), weil die Menge des Urins die getrunkene Fluͤßigkeit weit uͤberwogen. Ein Maͤdchen gab taͤglich vier bis ſechs Pfunde von ſich, da doch ihr ganzes Trinken nicht uͤber ſechs Unzen be- trug (h). §. 9. Die Natur und Stelle des Durſtes. Ueberhaupt wirkt der Durſt ſchneller, und er faͤllt uns in wenigen Stunden unertraͤglich; ſonderlich wenn es auſſerdem noch heiſſes Wetter iſt (a). Es iſt die Ge- ſchichte von demjenigen grauſamen Durſte mehr, als zu bekannt, den einige Englaͤnder ausſtehen muſten, welche der Koͤnig von Bengalen in einem engen Kerker verwa- ren lies; und man hat ein beruͤmtes Exempel von dem Liſimachus, dieſem Tapferſten unter Alexanders Nach- folgern (b), den der Durſt noͤtigte, ſich und die ganze Ar- mee dem Feinde zu ergeben. So befand ſich bei dem Feldzuge Karls des Fuͤnften gegen die Afrikaner die groͤ- ſte Unbequemlichkeit darinnen, daß viele von ſeinen Trup- pen aus Mangel an Waſſer umkamen (b*). Auſſerdem vermert (f) L. III. c. 18. (g) Conf. hiſtoria monial. PI- SAN p. 30. (h) Abſtinent. conſolentan. p. 127. 128. und viele andre Faͤlle L. XII. p. 89. 90. (a) Die Egipter koͤnnen keinen Durſt leiden P. ALP. hiſt. nat. I. p. 36. (b) PLUTARCH de ſanit. tuend. (b*) P. Jov. hiſt. L. III. p. 787.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/291
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 255[271]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/291>, abgerufen am 24.11.2024.