§. 5. Das Bild mahlt sich dennoch auf der Nezzhaut ab.
Es hat sich dieser fleißige Mann, seinem Versuch so zu Nuzze zu machen gesucht, daß er überhaupt glaubte, gezeigt zu haben, nicht die Nezzhaut, sondern die Aderhaut sei das eigentliche Werkzeug des Sehens. Er sagte nem- lich, daß blos diese Stelle im Auge blind sei, wo zwar die Nezzhaut, aber keine Aderhaut vorhanden wäre.
Dieser neuen Theorie wiedersezzte sich Pecguet und Perralt, der eine, weil die Aderhaut gar zu hart, un- gleich, und also nicht geschikkt sei, daß sich darauf ein Bild abmahlen sollte: Der andere (l), weil die Nezzhaut gemeiniglich alsdenn blind sei, wenn das Bild den Punkt selbst trift, aus welchem die Fasern der Nezzhaut ausge- spannet werden (m): und er schlug hierauf ebenfalls wie die Neuern die Schlagadern der Nezzhaut vor (n), wel- che blind wären, und die Strahlen bei dem Eintritte des Sehnerven auffingen. Er sagte ferner, es sei die Ader- haut in vielen Thieren so lebhaft gefärbt, daß sie Strah- len zurükk werfen, da die Nezzhaut in allen Thieren weiß, einfach, und undurchsichtig sei (o).
Darwider vertheidigte sich Mariotte tapfer, und er zeigte ohne Mühe, daß die Gefässe der Nezzhaut gar zu klein, und zu so grossen in einer geringen Entfernung zu verstekkenden Pappieren ungeschikkt wären (p), und daß diejenigen Objecte kleiner sind, welche dieser Aderstämme wegen zu verschwinden scheinen (q). Endlich sei die Ader- haut an ihrer Oberfläche nicht so ungleich, und könne nach Art eines Spiegels die Objecte vollkommen abmah- len (r).
Es
(l)[Spaltenumbruch]pag. 519.
(m)pag. 504.
(n)BOERHAAVE l. c. LOBE de oculo &c.
(o)[Spaltenumbruch]pag. 499.
(p)p. 526. 527.
(q)p. 529. 530.
(r)p. 530. 531.
IV. Abſchnitt. Das Sehen.
§. 5. Das Bild mahlt ſich dennoch auf der Nezzhaut ab.
Es hat ſich dieſer fleißige Mann, ſeinem Verſuch ſo zu Nuzze zu machen geſucht, daß er uͤberhaupt glaubte, gezeigt zu haben, nicht die Nezzhaut, ſondern die Aderhaut ſei das eigentliche Werkzeug des Sehens. Er ſagte nem- lich, daß blos dieſe Stelle im Auge blind ſei, wo zwar die Nezzhaut, aber keine Aderhaut vorhanden waͤre.
Dieſer neuen Theorie wiederſezzte ſich Pecguet und Perralt, der eine, weil die Aderhaut gar zu hart, un- gleich, und alſo nicht geſchikkt ſei, daß ſich darauf ein Bild abmahlen ſollte: Der andere (l), weil die Nezzhaut gemeiniglich alsdenn blind ſei, wenn das Bild den Punkt ſelbſt trift, aus welchem die Faſern der Nezzhaut ausge- ſpannet werden (m): und er ſchlug hierauf ebenfalls wie die Neuern die Schlagadern der Nezzhaut vor (n), wel- che blind waͤren, und die Strahlen bei dem Eintritte des Sehnerven auffingen. Er ſagte ferner, es ſei die Ader- haut in vielen Thieren ſo lebhaft gefaͤrbt, daß ſie Strah- len zuruͤkk werfen, da die Nezzhaut in allen Thieren weiß, einfach, und undurchſichtig ſei (o).
Darwider vertheidigte ſich Mariotte tapfer, und er zeigte ohne Muͤhe, daß die Gefaͤſſe der Nezzhaut gar zu klein, und zu ſo groſſen in einer geringen Entfernung zu verſtekkenden Pappieren ungeſchikkt waͤren (p), und daß diejenigen Objecte kleiner ſind, welche dieſer Aderſtaͤmme wegen zu verſchwinden ſcheinen (q). Endlich ſei die Ader- haut an ihrer Oberflaͤche nicht ſo ungleich, und koͤnne nach Art eines Spiegels die Objecte vollkommen abmah- len (r).
Es
(l)[Spaltenumbruch]pag. 519.
(m)pag. 504.
(n)BOERHAAVE l. c. LOBE de oculo &c.
(o)[Spaltenumbruch]pag. 499.
(p)p. 526. 527.
(q)p. 529. 530.
(r)p. 530. 531.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0977"n="959"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">IV.</hi> Abſchnitt. Das Sehen.</hi></fw><lb/><divn="3"><head>§. 5.<lb/><hirendition="#b">Das Bild mahlt ſich dennoch auf der Nezzhaut ab.</hi></head><lb/><p>Es hat ſich dieſer fleißige Mann, ſeinem Verſuch ſo<lb/>
zu Nuzze zu machen geſucht, daß er uͤberhaupt glaubte,<lb/>
gezeigt zu haben, nicht die Nezzhaut, ſondern die Aderhaut<lb/>ſei das eigentliche Werkzeug des Sehens. Er ſagte nem-<lb/>
lich, daß blos dieſe Stelle im Auge blind ſei, wo zwar<lb/>
die Nezzhaut, aber keine Aderhaut vorhanden waͤre.</p><lb/><p>Dieſer neuen Theorie wiederſezzte ſich <hirendition="#fr">Pecguet</hi> und<lb/><hirendition="#fr">Perralt,</hi> der eine, weil die Aderhaut gar zu hart, un-<lb/>
gleich, und alſo nicht geſchikkt ſei, daß ſich darauf ein<lb/>
Bild abmahlen ſollte: Der andere <noteplace="foot"n="(l)"><cb/><hirendition="#aq">pag.</hi> 519.</note>, weil die Nezzhaut<lb/>
gemeiniglich alsdenn blind ſei, wenn das Bild den Punkt<lb/>ſelbſt trift, aus welchem die Faſern der Nezzhaut ausge-<lb/>ſpannet werden <noteplace="foot"n="(m)"><hirendition="#aq">pag.</hi> 504.</note>: und er ſchlug hierauf ebenfalls wie<lb/>
die Neuern die Schlagadern der Nezzhaut vor <noteplace="foot"n="(n)"><hirendition="#aq">BOERHAAVE l. c. LOBE<lb/>
de oculo &c.</hi></note>, wel-<lb/>
che blind waͤren, und die Strahlen bei dem Eintritte des<lb/>
Sehnerven auffingen. Er ſagte ferner, es ſei die Ader-<lb/>
haut in vielen Thieren ſo lebhaft gefaͤrbt, daß ſie Strah-<lb/>
len zuruͤkk werfen, da die Nezzhaut in allen Thieren weiß,<lb/>
einfach, und undurchſichtig ſei <noteplace="foot"n="(o)"><cb/><hirendition="#aq">pag.</hi> 499.</note>.</p><lb/><p>Darwider vertheidigte ſich <hirendition="#fr">Mariotte</hi> tapfer, und er<lb/>
zeigte ohne Muͤhe, daß die Gefaͤſſe der Nezzhaut gar zu<lb/>
klein, und zu ſo groſſen in einer geringen Entfernung zu<lb/>
verſtekkenden Pappieren ungeſchikkt waͤren <noteplace="foot"n="(p)"><hirendition="#aq">p.</hi> 526. 527.</note>, und daß<lb/>
diejenigen Objecte kleiner ſind, welche dieſer Aderſtaͤmme<lb/>
wegen zu verſchwinden ſcheinen <noteplace="foot"n="(q)"><hirendition="#aq">p.</hi> 529. 530.</note>. Endlich ſei die Ader-<lb/>
haut an ihrer Oberflaͤche nicht ſo ungleich, und koͤnne<lb/>
nach Art eines Spiegels die Objecte vollkommen abmah-<lb/>
len <noteplace="foot"n="(r)"><hirendition="#aq">p.</hi> 530. 531.</note>.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[959/0977]
IV. Abſchnitt. Das Sehen.
§. 5.
Das Bild mahlt ſich dennoch auf der Nezzhaut ab.
Es hat ſich dieſer fleißige Mann, ſeinem Verſuch ſo
zu Nuzze zu machen geſucht, daß er uͤberhaupt glaubte,
gezeigt zu haben, nicht die Nezzhaut, ſondern die Aderhaut
ſei das eigentliche Werkzeug des Sehens. Er ſagte nem-
lich, daß blos dieſe Stelle im Auge blind ſei, wo zwar
die Nezzhaut, aber keine Aderhaut vorhanden waͤre.
Dieſer neuen Theorie wiederſezzte ſich Pecguet und
Perralt, der eine, weil die Aderhaut gar zu hart, un-
gleich, und alſo nicht geſchikkt ſei, daß ſich darauf ein
Bild abmahlen ſollte: Der andere (l), weil die Nezzhaut
gemeiniglich alsdenn blind ſei, wenn das Bild den Punkt
ſelbſt trift, aus welchem die Faſern der Nezzhaut ausge-
ſpannet werden (m): und er ſchlug hierauf ebenfalls wie
die Neuern die Schlagadern der Nezzhaut vor (n), wel-
che blind waͤren, und die Strahlen bei dem Eintritte des
Sehnerven auffingen. Er ſagte ferner, es ſei die Ader-
haut in vielen Thieren ſo lebhaft gefaͤrbt, daß ſie Strah-
len zuruͤkk werfen, da die Nezzhaut in allen Thieren weiß,
einfach, und undurchſichtig ſei (o).
Darwider vertheidigte ſich Mariotte tapfer, und er
zeigte ohne Muͤhe, daß die Gefaͤſſe der Nezzhaut gar zu
klein, und zu ſo groſſen in einer geringen Entfernung zu
verſtekkenden Pappieren ungeſchikkt waͤren (p), und daß
diejenigen Objecte kleiner ſind, welche dieſer Aderſtaͤmme
wegen zu verſchwinden ſcheinen (q). Endlich ſei die Ader-
haut an ihrer Oberflaͤche nicht ſo ungleich, und koͤnne
nach Art eines Spiegels die Objecte vollkommen abmah-
len (r).
Es
(l)
pag. 519.
(m) pag. 504.
(n) BOERHAAVE l. c. LOBE
de oculo &c.
(o)
pag. 499.
(p) p. 526. 527.
(q) p. 529. 530.
(r) p. 530. 531.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 959. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/977>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.