gebogene Sprizze, und durch den Drukk der Luft, Was- ser in sich saugen, weil an dieser Sprizze der kürzere Schenkel eingetaucht ist; oder wenn man sich vielmehr vorstellt, daß dieses kleine Röhrchen nach Art der Haar- röhrchen, Wasser in sich zieht, so treten die Thränen in den Thränenpunkt, und wenn sie endlich in den gleich- namigen Sakk gebracht worden, so laufen sie ferner, vermöge ihrer Schwere zur Nase herab. Daß sich das Wasser (i) aber nicht nach Art der Sprizzen einziehe, läßt sich daher schliessen, weil die Thränen in den un- vernünftigen Thieren, die den Kopf hochhalten, und im Menschen, wenn er liegt, durch ihre Schwere in Gängen, die in der That in die Höhe gehen (k), von ihrer Schwere keine Hülfe bekommen, und weil dennoch der Thränensakk angefüllet wird, wenn sich gleich der Weg der Thränen von Ursachen, die in der Nase entstehen, verstopft hat, und alsdenn das eingenommene Wasser, von welchem er sich zu befreien unvermögend ist, durch die Punkte wieder ausgiesset (l).
Andere wollen, daß die Thränen von dem Drukke der Luft in die Punkte gepreßt werden (m): ich halte aber diese Punkte für zu enge dazu; indem die Luft die Feuchtigkeiten nicht einmal in Haarröhrchen hin- eintreibt.
Vor kurzem glaubte man, daß dieses Geschäfte ver- mittelst der Anziehungskraft geschehe (o), weil gefärbte Tröpfchen zwischen den Augenliedern schnell in die Höhe steigen (p), und ein Salbencilinder, den man zwischen die geschlossene Augenlieder (q), schiebe ihre ganze Ober-
fläche
(i)[Spaltenumbruch]
Der Sprizze trauet nicht eben viel MOLINELL Comm. bonon T. II. P. I. l. c. p. 164.
(k)HUNAULD phil. transact. n. 437.
(l)P. P. MOLINELLI l. c. p. 167.
(m)[Spaltenumbruch]HUNAULD l. c.
(o)SAUVAGES act. des me- dec. p. 12.
(p)Idem physiol. pag. 176. de suctione vasor. capillar. p. 10.
(q)RUSSE natur. hist. of Al- leppo p. 103.
Das Geſicht. XVI. Buch.
gebogene Sprizze, und durch den Drukk der Luft, Waſ- ſer in ſich ſaugen, weil an dieſer Sprizze der kuͤrzere Schenkel eingetaucht iſt; oder wenn man ſich vielmehr vorſtellt, daß dieſes kleine Roͤhrchen nach Art der Haar- roͤhrchen, Waſſer in ſich zieht, ſo treten die Thraͤnen in den Thraͤnenpunkt, und wenn ſie endlich in den gleich- namigen Sakk gebracht worden, ſo laufen ſie ferner, vermoͤge ihrer Schwere zur Naſe herab. Daß ſich das Waſſer (i) aber nicht nach Art der Sprizzen einziehe, laͤßt ſich daher ſchlieſſen, weil die Thraͤnen in den un- vernuͤnftigen Thieren, die den Kopf hochhalten, und im Menſchen, wenn er liegt, durch ihre Schwere in Gaͤngen, die in der That in die Hoͤhe gehen (k), von ihrer Schwere keine Huͤlfe bekommen, und weil dennoch der Thraͤnenſakk angefuͤllet wird, wenn ſich gleich der Weg der Thraͤnen von Urſachen, die in der Naſe entſtehen, verſtopft hat, und alsdenn das eingenommene Waſſer, von welchem er ſich zu befreien unvermoͤgend iſt, durch die Punkte wieder ausgieſſet (l).
Andere wollen, daß die Thraͤnen von dem Drukke der Luft in die Punkte gepreßt werden (m): ich halte aber dieſe Punkte fuͤr zu enge dazu; indem die Luft die Feuchtigkeiten nicht einmal in Haarroͤhrchen hin- eintreibt.
Vor kurzem glaubte man, daß dieſes Geſchaͤfte ver- mittelſt der Anziehungskraft geſchehe (o), weil gefaͤrbte Troͤpfchen zwiſchen den Augenliedern ſchnell in die Hoͤhe ſteigen (p), und ein Salbencilinder, den man zwiſchen die geſchloſſene Augenlieder (q), ſchiebe ihre ganze Ober-
flaͤche
(i)[Spaltenumbruch]
Der Sprizze trauet nicht eben viel MOLINELL Comm. bonon T. II. P. I. l. c. p. 164.
(k)HUNAULD phil. transact. n. 437.
(l)P. P. MOLINELLI l. c. p. 167.
(m)[Spaltenumbruch]HUNAULD l. c.
(o)SAUVAGES act. des me- dec. p. 12.
(p)Idem phyſiol. pag. 176. de ſuctione vaſor. capillar. p. 10.
(q)RUSSE natur. hiſt. of Al- leppo p. 103.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0780"n="762"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das Geſicht. <hirendition="#aq">XVI.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
gebogene Sprizze, und durch den Drukk der Luft, Waſ-<lb/>ſer in ſich ſaugen, weil an dieſer Sprizze der kuͤrzere<lb/>
Schenkel eingetaucht iſt; oder wenn man ſich vielmehr<lb/>
vorſtellt, daß dieſes kleine Roͤhrchen nach Art der Haar-<lb/>
roͤhrchen, Waſſer in ſich zieht, ſo treten die Thraͤnen in<lb/>
den Thraͤnenpunkt, und wenn ſie endlich in den gleich-<lb/>
namigen Sakk gebracht worden, ſo laufen ſie ferner,<lb/>
vermoͤge ihrer Schwere zur Naſe herab. Daß ſich das<lb/>
Waſſer <noteplace="foot"n="(i)"><cb/>
Der Sprizze trauet nicht<lb/>
eben viel <hirendition="#aq">MOLINELL Comm.<lb/>
bonon T. II. P. I. l. c. p.</hi> 164.</note> aber nicht nach Art der Sprizzen einziehe,<lb/>
laͤßt ſich daher ſchlieſſen, weil die Thraͤnen in den un-<lb/>
vernuͤnftigen Thieren, die den Kopf hochhalten, und<lb/>
im Menſchen, wenn er liegt, durch ihre Schwere in<lb/>
Gaͤngen, die in der That in die Hoͤhe gehen <noteplace="foot"n="(k)"><hirendition="#aq">HUNAULD phil. transact.<lb/>
n.</hi> 437.</note>, von ihrer<lb/>
Schwere keine Huͤlfe bekommen, und weil dennoch der<lb/>
Thraͤnenſakk angefuͤllet wird, wenn ſich gleich der Weg<lb/>
der Thraͤnen von Urſachen, die in der Naſe entſtehen,<lb/>
verſtopft hat, und alsdenn das eingenommene Waſſer,<lb/>
von welchem er ſich zu befreien unvermoͤgend iſt, durch<lb/>
die Punkte wieder ausgieſſet <noteplace="foot"n="(l)"><hirendition="#aq">P. P. <hirendition="#g">MOLINELLI</hi> l. c.<lb/>
p.</hi> 167.</note>.</p><lb/><p>Andere wollen, daß die Thraͤnen von dem Drukke<lb/>
der Luft in die Punkte gepreßt werden <noteplace="foot"n="(m)"><cb/><hirendition="#aq">HUNAULD l. c.</hi></note>: ich halte<lb/>
aber dieſe Punkte fuͤr zu enge dazu; indem die Luft<lb/>
die Feuchtigkeiten nicht einmal in Haarroͤhrchen hin-<lb/>
eintreibt.</p><lb/><p>Vor kurzem glaubte man, daß dieſes Geſchaͤfte ver-<lb/>
mittelſt der Anziehungskraft geſchehe <noteplace="foot"n="(o)"><hirendition="#aq">SAUVAGES act. des me-<lb/>
dec. p.</hi> 12.</note>, weil gefaͤrbte<lb/>
Troͤpfchen zwiſchen den Augenliedern ſchnell in die Hoͤhe<lb/>ſteigen <noteplace="foot"n="(p)"><hirendition="#aq">Idem phyſiol. pag. 176. de<lb/>ſuctione vaſor. capillar. p.</hi> 10.</note>, und ein Salbencilinder, den man zwiſchen<lb/>
die geſchloſſene Augenlieder <noteplace="foot"n="(q)"><hirendition="#aq">RUSSE natur. hiſt. of Al-<lb/>
leppo p.</hi> 103.</note>, ſchiebe ihre ganze Ober-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">flaͤche</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[762/0780]
Das Geſicht. XVI. Buch.
gebogene Sprizze, und durch den Drukk der Luft, Waſ-
ſer in ſich ſaugen, weil an dieſer Sprizze der kuͤrzere
Schenkel eingetaucht iſt; oder wenn man ſich vielmehr
vorſtellt, daß dieſes kleine Roͤhrchen nach Art der Haar-
roͤhrchen, Waſſer in ſich zieht, ſo treten die Thraͤnen in
den Thraͤnenpunkt, und wenn ſie endlich in den gleich-
namigen Sakk gebracht worden, ſo laufen ſie ferner,
vermoͤge ihrer Schwere zur Naſe herab. Daß ſich das
Waſſer (i) aber nicht nach Art der Sprizzen einziehe,
laͤßt ſich daher ſchlieſſen, weil die Thraͤnen in den un-
vernuͤnftigen Thieren, die den Kopf hochhalten, und
im Menſchen, wenn er liegt, durch ihre Schwere in
Gaͤngen, die in der That in die Hoͤhe gehen (k), von ihrer
Schwere keine Huͤlfe bekommen, und weil dennoch der
Thraͤnenſakk angefuͤllet wird, wenn ſich gleich der Weg
der Thraͤnen von Urſachen, die in der Naſe entſtehen,
verſtopft hat, und alsdenn das eingenommene Waſſer,
von welchem er ſich zu befreien unvermoͤgend iſt, durch
die Punkte wieder ausgieſſet (l).
Andere wollen, daß die Thraͤnen von dem Drukke
der Luft in die Punkte gepreßt werden (m): ich halte
aber dieſe Punkte fuͤr zu enge dazu; indem die Luft
die Feuchtigkeiten nicht einmal in Haarroͤhrchen hin-
eintreibt.
Vor kurzem glaubte man, daß dieſes Geſchaͤfte ver-
mittelſt der Anziehungskraft geſchehe (o), weil gefaͤrbte
Troͤpfchen zwiſchen den Augenliedern ſchnell in die Hoͤhe
ſteigen (p), und ein Salbencilinder, den man zwiſchen
die geſchloſſene Augenlieder (q), ſchiebe ihre ganze Ober-
flaͤche
(i)
Der Sprizze trauet nicht
eben viel MOLINELL Comm.
bonon T. II. P. I. l. c. p. 164.
(k) HUNAULD phil. transact.
n. 437.
(l) P. P. MOLINELLI l. c.
p. 167.
(m)
HUNAULD l. c.
(o) SAUVAGES act. des me-
dec. p. 12.
(p) Idem phyſiol. pag. 176. de
ſuctione vaſor. capillar. p. 10.
(q) RUSSE natur. hiſt. of Al-
leppo p. 103.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 762. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/780>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.