Da sich aber die Festigkeiten der Theile, die vom Muskel herbei gezogen werden, und vermöge derselben auch die Lage, kraft der vereinigten Bemühung der an- dern Muskeln, ungemein verändern lassen, so kann es geschehen, daß einerlei Muskel unter dieser oder jener Be- dingung, bald sein Ende A, entweder einzig und allein, oder doch mehr gegen B, und wieder das Ende B, ein- zig und allein, oder doch mehr gegen A anzieht. Wir sind diese Betrachtung, in der Bestimmung der Muskel- handlung, sonderlich dem Jakob Benignus Winslow (s) schuldig; und es verdient derselbe, auch schon wegen dieser Untersuchung, bey allen dankbaren und aufrichti- gen Personen den grösten Ruhm. Wir wollen aber von dieser Sache an einem andern Orte handeln.
§. 20. Es schwillt der Muskel auf, wenn er wirksam ist.
Da sich das Fleisch eines wirksamen Muskels, von seinen Enden gegen die Mitte zurükke zieht (t), so mus derselbe notwendig, weil er kürzer wird, zugleich auch dikker werden (u), indem sich das Fleisch desselben gleich- sam gegen die Mitte zu anhäuft, und daselbst aufschwillt. Folglich schwellen die Bäuche der Biegemuskeln, auch alsdenn, wenn der Muskel nicht von dem Willen der Seele, sondern von der stärkern Gewalt seines Gegners verkürzt, und das Glied gebogen wird, auf (x). Es mus auch dieses in der That geschehen, da die Muskeln nach der Uebereinstimmung der Zergliederer, der Bild- hauer und Maler, sehr aufschwellen, und sich erheben, wenn sie bei verschiednen Handlungen des Lebens in eine
hef-
(s)[Spaltenumbruch]
ferner in den Memoir. de l'Academie des Sciences 1720. p. 90. auch im Opere anatomico SCHREIBER in praef. ad DOU- GLASS. Myolog.
(t)WILLIS. mot. musc. p. [Spaltenumbruch]
31. B. LANGRISCH Croo- nian. lect. n. 70. DEIDIER in proprio scripto.
(u)de HEYDE Exp. p. 33.
(x)CROONE p. 3. RID- LEY p. 103. ed. bat.
D 5
II. Abſchnitt. Erſcheinungen.
Da ſich aber die Feſtigkeiten der Theile, die vom Muſkel herbei gezogen werden, und vermoͤge derſelben auch die Lage, kraft der vereinigten Bemuͤhung der an- dern Muſkeln, ungemein veraͤndern laſſen, ſo kann es geſchehen, daß einerlei Muſkel unter dieſer oder jener Be- dingung, bald ſein Ende A, entweder einzig und allein, oder doch mehr gegen B, und wieder das Ende B, ein- zig und allein, oder doch mehr gegen A anzieht. Wir ſind dieſe Betrachtung, in der Beſtimmung der Muſkel- handlung, ſonderlich dem Jakob Benignus Winslow (s) ſchuldig; und es verdient derſelbe, auch ſchon wegen dieſer Unterſuchung, bey allen dankbaren und aufrichti- gen Perſonen den groͤſten Ruhm. Wir wollen aber von dieſer Sache an einem andern Orte handeln.
§. 20. Es ſchwillt der Muſkel auf, wenn er wirkſam iſt.
Da ſich das Fleiſch eines wirkſamen Muſkels, von ſeinen Enden gegen die Mitte zuruͤkke zieht (t), ſo mus derſelbe notwendig, weil er kuͤrzer wird, zugleich auch dikker werden (u), indem ſich das Fleiſch deſſelben gleich- ſam gegen die Mitte zu anhaͤuft, und daſelbſt aufſchwillt. Folglich ſchwellen die Baͤuche der Biegemuſkeln, auch alsdenn, wenn der Muſkel nicht von dem Willen der Seele, ſondern von der ſtaͤrkern Gewalt ſeines Gegners verkuͤrzt, und das Glied gebogen wird, auf (x). Es mus auch dieſes in der That geſchehen, da die Muſkeln nach der Uebereinſtimmung der Zergliederer, der Bild- hauer und Maler, ſehr aufſchwellen, und ſich erheben, wenn ſie bei verſchiednen Handlungen des Lebens in eine
hef-
(s)[Spaltenumbruch]
ferner in den Memoir. de l’Academie des Sciences 1720. p. 90. auch im Opere anatomico SCHREIBER in præf. ad DOU- GLASS. Myolog.
(t)WILLIS. mot. muſc. p. [Spaltenumbruch]
31. B. LANGRISCH Croo- nian. lect. n. 70. DEIDIER in proprio ſcripto.
(u)de HEYDE Exp. p. 33.
(x)CROONE p. 3. RID- LEY p. 103. ed. bat.
D 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0075"n="57"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Abſchnitt. Erſcheinungen.</hi></fw><lb/><p>Da ſich aber die Feſtigkeiten der Theile, die vom<lb/>
Muſkel herbei gezogen werden, und vermoͤge derſelben<lb/>
auch die Lage, kraft der vereinigten Bemuͤhung der an-<lb/>
dern Muſkeln, ungemein veraͤndern laſſen, ſo kann es<lb/>
geſchehen, daß einerlei Muſkel unter dieſer oder jener Be-<lb/>
dingung, bald ſein Ende A, entweder einzig und allein,<lb/>
oder doch mehr gegen B, und wieder das Ende B, ein-<lb/>
zig und allein, oder doch mehr gegen A anzieht. Wir<lb/>ſind dieſe Betrachtung, in der Beſtimmung der Muſkel-<lb/>
handlung, ſonderlich dem Jakob Benignus <hirendition="#fr">Winslow</hi><lb/><noteplace="foot"n="(s)"><cb/>
ferner in den <hirendition="#aq">Memoir. de<lb/>
l’Academie des Sciences 1720. p.</hi><lb/>
90. auch im <hirendition="#aq">Opere anatomico<lb/>
SCHREIBER in præf. ad DOU-<lb/>
GLASS. Myolog.</hi></note>ſchuldig; und es verdient derſelbe, auch ſchon wegen<lb/>
dieſer Unterſuchung, bey allen dankbaren und aufrichti-<lb/>
gen Perſonen den groͤſten Ruhm. Wir wollen aber von<lb/>
dieſer Sache an einem andern Orte handeln.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 20.<lb/><hirendition="#b">Es ſchwillt der Muſkel auf, wenn er wirkſam iſt.</hi></head><lb/><p>Da ſich das Fleiſch eines wirkſamen Muſkels, von<lb/>ſeinen Enden gegen die Mitte zuruͤkke zieht <noteplace="foot"n="(t)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">WILLIS.</hi> mot. muſc. p.</hi><lb/><cb/>
31. <hirendition="#aq">B. <hirendition="#g">LANGRISCH</hi> Croo-<lb/>
nian. lect. n. 70. <hirendition="#g">DEIDIER</hi><lb/>
in proprio ſcripto.</hi></note>, ſo mus<lb/>
derſelbe notwendig, weil er kuͤrzer wird, zugleich auch<lb/>
dikker werden <noteplace="foot"n="(u)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g"><hirendition="#k">de</hi> HEYDE</hi> Exp. p.</hi> 33.</note>, indem ſich das Fleiſch deſſelben gleich-<lb/>ſam gegen die Mitte zu anhaͤuft, und daſelbſt aufſchwillt.<lb/>
Folglich ſchwellen die Baͤuche der Biegemuſkeln, auch<lb/>
alsdenn, wenn der Muſkel nicht von dem Willen der<lb/>
Seele, ſondern von der ſtaͤrkern Gewalt ſeines Gegners<lb/>
verkuͤrzt, und das Glied gebogen wird, auf <noteplace="foot"n="(x)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">CROONE</hi> p. 3. <hirendition="#g">RID-<lb/>
LEY</hi> p. 103. ed. bat.</hi></note>. Es<lb/>
mus auch dieſes in der That geſchehen, da die Muſkeln<lb/>
nach der Uebereinſtimmung der Zergliederer, der Bild-<lb/>
hauer und Maler, ſehr aufſchwellen, und ſich erheben,<lb/>
wenn ſie bei verſchiednen Handlungen des Lebens in eine<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">hef-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[57/0075]
II. Abſchnitt. Erſcheinungen.
Da ſich aber die Feſtigkeiten der Theile, die vom
Muſkel herbei gezogen werden, und vermoͤge derſelben
auch die Lage, kraft der vereinigten Bemuͤhung der an-
dern Muſkeln, ungemein veraͤndern laſſen, ſo kann es
geſchehen, daß einerlei Muſkel unter dieſer oder jener Be-
dingung, bald ſein Ende A, entweder einzig und allein,
oder doch mehr gegen B, und wieder das Ende B, ein-
zig und allein, oder doch mehr gegen A anzieht. Wir
ſind dieſe Betrachtung, in der Beſtimmung der Muſkel-
handlung, ſonderlich dem Jakob Benignus Winslow
(s) ſchuldig; und es verdient derſelbe, auch ſchon wegen
dieſer Unterſuchung, bey allen dankbaren und aufrichti-
gen Perſonen den groͤſten Ruhm. Wir wollen aber von
dieſer Sache an einem andern Orte handeln.
§. 20.
Es ſchwillt der Muſkel auf, wenn er wirkſam iſt.
Da ſich das Fleiſch eines wirkſamen Muſkels, von
ſeinen Enden gegen die Mitte zuruͤkke zieht (t), ſo mus
derſelbe notwendig, weil er kuͤrzer wird, zugleich auch
dikker werden (u), indem ſich das Fleiſch deſſelben gleich-
ſam gegen die Mitte zu anhaͤuft, und daſelbſt aufſchwillt.
Folglich ſchwellen die Baͤuche der Biegemuſkeln, auch
alsdenn, wenn der Muſkel nicht von dem Willen der
Seele, ſondern von der ſtaͤrkern Gewalt ſeines Gegners
verkuͤrzt, und das Glied gebogen wird, auf (x). Es
mus auch dieſes in der That geſchehen, da die Muſkeln
nach der Uebereinſtimmung der Zergliederer, der Bild-
hauer und Maler, ſehr aufſchwellen, und ſich erheben,
wenn ſie bei verſchiednen Handlungen des Lebens in eine
hef-
(s)
ferner in den Memoir. de
l’Academie des Sciences 1720. p.
90. auch im Opere anatomico
SCHREIBER in præf. ad DOU-
GLASS. Myolog.
(t) WILLIS. mot. muſc. p.
31. B. LANGRISCH Croo-
nian. lect. n. 70. DEIDIER
in proprio ſcripto.
(u) de HEYDE Exp. p. 33.
(x) CROONE p. 3. RID-
LEY p. 103. ed. bat.
D 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/75>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.