Es ist dieser Schuzz den Augen so ohnentbehrlich, daß Augen, denen die Augenlieder fehlen, theils von allen Verlezzungen leiden, theils den so angenehmen Schlaf vermissen. Wenigstens lesen wir, daß der Consul Re- gulus, den die Carthaginenser durch alle Arten der Marter umgebracht haben sollen, in beständiger Schlaf- losigkeit (z), weil man ihm die Augenlieder endlich ab- geschnitten, sein Leben geendigt habe (a); wenn dieses nicht eine römische Verleumdung ist, denn andere wol- len, daß er durch ein langsames Gift umgekommen, und es hat überhaupt die ganze Erzählung wenig Wahr- scheinlichkeit. Man lieset, daß bei den Sinesen, oder Japanern ein heiliger Mann, mit Namen Darma, nachdem er alles vergebens ausgestanden, endlich durch das Abschneiden der Augenlieder zuwege gebracht habe, daß ihn kein Schlaf in seinen hohen Betrachtungen stö- ren mußte (a*).
Es ist daher ein tödtliches Zeichen, wenn die Augen- lieder im Schlafe nicht zusammen schliessen wollen (b), indem hier die Seele nachläßig wirkt, und den Nach- theil ihres Körpers nicht mehr empfindet.
Es hat daher die Noth, wo man beständigen Schnee hat, und die Sonnenstrahlen immer am Horizonte her- um spielen, und also den Augen Gefahr drohen, die barbarischen Völker gelehret, sich gedoppelte künstliche Augenlieder zu machen, und diese beweisen fast in die- sem einzigen Stükke allein einen Wizz. Es sind dieses Schuzzwehren von Holze, oder Elfenbein, (c) in denen eine zarte Spalte das Licht durchläßt. Was die Renn-
thiere
(z)[Spaltenumbruch]CICERO de offiic. L. III.
(a)A. GELLIUS L. IV. c. 4.
(a*)KAEMPFER, Amoen. Exot. p. 609. 610.
(b)[Spaltenumbruch]HIPPOCR. aphor. S. VI. n. 52. prognost. Sect. II. pag 4. CELSUS L. II. c. 6. p. m. 54.
(c)ELLIS voyage tot Hud- sonsbay etc. p. 137. 143.
Das Geſicht. XVI. Buch.
Es iſt dieſer Schuzz den Augen ſo ohnentbehrlich, daß Augen, denen die Augenlieder fehlen, theils von allen Verlezzungen leiden, theils den ſo angenehmen Schlaf vermiſſen. Wenigſtens leſen wir, daß der Conſul Re- gulus, den die Carthaginenſer durch alle Arten der Marter umgebracht haben ſollen, in beſtaͤndiger Schlaf- loſigkeit (z), weil man ihm die Augenlieder endlich ab- geſchnitten, ſein Leben geendigt habe (a); wenn dieſes nicht eine roͤmiſche Verleumdung iſt, denn andere wol- len, daß er durch ein langſames Gift umgekommen, und es hat uͤberhaupt die ganze Erzaͤhlung wenig Wahr- ſcheinlichkeit. Man lieſet, daß bei den Sineſen, oder Japanern ein heiliger Mann, mit Namen Darma, nachdem er alles vergebens ausgeſtanden, endlich durch das Abſchneiden der Augenlieder zuwege gebracht habe, daß ihn kein Schlaf in ſeinen hohen Betrachtungen ſtoͤ- ren mußte (a*).
Es iſt daher ein toͤdtliches Zeichen, wenn die Augen- lieder im Schlafe nicht zuſammen ſchlieſſen wollen (b), indem hier die Seele nachlaͤßig wirkt, und den Nach- theil ihres Koͤrpers nicht mehr empfindet.
Es hat daher die Noth, wo man beſtaͤndigen Schnee hat, und die Sonnenſtrahlen immer am Horizonte her- um ſpielen, und alſo den Augen Gefahr drohen, die barbariſchen Voͤlker gelehret, ſich gedoppelte kuͤnſtliche Augenlieder zu machen, und dieſe beweiſen faſt in die- ſem einzigen Stuͤkke allein einen Wizz. Es ſind dieſes Schuzzwehren von Holze, oder Elfenbein, (c) in denen eine zarte Spalte das Licht durchlaͤßt. Was die Renn-
thiere
(z)[Spaltenumbruch]CICERO de offiic. L. III.
(a)A. GELLIUS L. IV. c. 4.
(a*)KAEMPFER, Amoen. Exot. p. 609. 610.
(b)[Spaltenumbruch]HIPPOCR. aphor. S. VI. n. 52. prognoſt. Sect. II. pag 4. CELSUS L. II. c. 6. p. m. 54.
(c)ELLIS voyage tot Hud- ſonsbay etc. p. 137. 143.
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Das Geſicht. XVI. Buch.
Es iſt dieſer Schuzz den Augen ſo ohnentbehrlich, daß
Augen, denen die Augenlieder fehlen, theils von allen
Verlezzungen leiden, theils den ſo angenehmen Schlaf
vermiſſen. Wenigſtens leſen wir, daß der Conſul Re-
gulus, den die Carthaginenſer durch alle Arten der
Marter umgebracht haben ſollen, in beſtaͤndiger Schlaf-
loſigkeit (z), weil man ihm die Augenlieder endlich ab-
geſchnitten, ſein Leben geendigt habe (a); wenn dieſes
nicht eine roͤmiſche Verleumdung iſt, denn andere wol-
len, daß er durch ein langſames Gift umgekommen,
und es hat uͤberhaupt die ganze Erzaͤhlung wenig Wahr-
ſcheinlichkeit. Man lieſet, daß bei den Sineſen, oder
Japanern ein heiliger Mann, mit Namen Darma,
nachdem er alles vergebens ausgeſtanden, endlich durch
das Abſchneiden der Augenlieder zuwege gebracht habe,
daß ihn kein Schlaf in ſeinen hohen Betrachtungen ſtoͤ-
ren mußte (a*).
Es iſt daher ein toͤdtliches Zeichen, wenn die Augen-
lieder im Schlafe nicht zuſammen ſchlieſſen wollen (b),
indem hier die Seele nachlaͤßig wirkt, und den Nach-
theil ihres Koͤrpers nicht mehr empfindet.
Es hat daher die Noth, wo man beſtaͤndigen Schnee
hat, und die Sonnenſtrahlen immer am Horizonte her-
um ſpielen, und alſo den Augen Gefahr drohen, die
barbariſchen Voͤlker gelehret, ſich gedoppelte kuͤnſtliche
Augenlieder zu machen, und dieſe beweiſen faſt in die-
ſem einzigen Stuͤkke allein einen Wizz. Es ſind dieſes
Schuzzwehren von Holze, oder Elfenbein, (c) in denen
eine zarte Spalte das Licht durchlaͤßt. Was die Renn-
thiere
(z)
CICERO de offiic. L. III.
(a) A. GELLIUS L. IV. c. 4.
(a*) KAEMPFER, Amoen.
Exot. p. 609. 610.
(b)
HIPPOCR. aphor. S. VI.
n. 52. prognoſt. Sect. II. pag 4.
CELSUS L. II. c. 6. p. m. 54.
(c) ELLIS voyage tot Hud-
ſonsbay etc. p. 137. 143.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 724. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/742>, abgerufen am 22.11.2024.
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