diese Spinne ganz unschuldig, und die Krankheit viel- mehr eine Art von Melancholie sei, von der einige Leu- te angefallen würden. Nun gebe ich in so ferne zu, daß Schwermüthige durch lustige Thöne curiret werden, daß selbige ihr zur Betrübniß geneigtes Gemüthe von derje- nigen Wollust abziehen, welche Leute von diesem Schla- ge in schwermüthigen Jdeen suchen.
Es stekkt auch in den starken Thönen etwas Mecha- nisches, das Gehirn zu beunruhigen, das Geblüt in Bewegung zu setzen, und eine Art von Fieber hervor- zu bringen. Wir lesen, daß das Blut beim Trummel- schlage geschwinder fliesse, wenn man dabei eine Blut- ader öffnet (t).
Dieses versuchte ehedem der berühmte Roger(u), dem das Schicksal kein langes Leben bestimmt hatte, dadurch zu erklären, daß fremdartige Theile unter unsere Lebens- geister gemischt würden: diese würden nach seiner Mey- nung verdichtet, und auf solche Art gleichstimmig mit solchen Thönen, mit denen sie sonst nichts harmonisch hatten; wenn also diese Thöne erregt würden, so entste- he in den Lebensgeistern eine Bewegung, wodurch sie feiner gemacht würden. Doch es hätte erst das Phä- nomenon bestätigt seyn müssen, ehe man seine Auflö- sung suchte.
[Spaltenumbruch]
Etwas
lancholischen Wahnwizz. SERAO daß sich dabei moralische Ursachen und Begierde zur Freiheit vermi- schen. MICHELI beim MANETT ad sauvages p. 216. daß diese Fa- bel nicht von der Tarantel, sondern Sonnenhizze entsiehe BIRCH T. III. p. 9. IAMES ca- [Spaltenumbruch]
nin. madn. p. 242. daß es eine Fabel der Bettler und Vagabun- den sei. SWAMMERDAM bibl. pag. 56.
(t)ZODIAC, Med. Gall. T. II. p. 149.
(u)p. 95. sqq.
Das Gehoͤr. XV. Buch.
dieſe Spinne ganz unſchuldig, und die Krankheit viel- mehr eine Art von Melancholie ſei, von der einige Leu- te angefallen wuͤrden. Nun gebe ich in ſo ferne zu, daß Schwermuͤthige durch luſtige Thoͤne curiret werden, daß ſelbige ihr zur Betruͤbniß geneigtes Gemuͤthe von derje- nigen Wolluſt abziehen, welche Leute von dieſem Schla- ge in ſchwermuͤthigen Jdeen ſuchen.
Es ſtekkt auch in den ſtarken Thoͤnen etwas Mecha- niſches, das Gehirn zu beunruhigen, das Gebluͤt in Bewegung zu ſetzen, und eine Art von Fieber hervor- zu bringen. Wir leſen, daß das Blut beim Trummel- ſchlage geſchwinder flieſſe, wenn man dabei eine Blut- ader oͤffnet (t).
Dieſes verſuchte ehedem der beruͤhmte Roger(u), dem das Schickſal kein langes Leben beſtimmt hatte, dadurch zu erklaͤren, daß fremdartige Theile unter unſere Lebens- geiſter gemiſcht wuͤrden: dieſe wuͤrden nach ſeiner Mey- nung verdichtet, und auf ſolche Art gleichſtimmig mit ſolchen Thoͤnen, mit denen ſie ſonſt nichts harmoniſch hatten; wenn alſo dieſe Thoͤne erregt wuͤrden, ſo entſte- he in den Lebensgeiſtern eine Bewegung, wodurch ſie feiner gemacht wuͤrden. Doch es haͤtte erſt das Phaͤ- nomenon beſtaͤtigt ſeyn muͤſſen, ehe man ſeine Aufloͤ- ſung ſuchte.
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Etwas
lancholiſchen Wahnwizz. SERAO daß ſich dabei moraliſche Urſachen und Begierde zur Freiheit vermi- ſchen. MICHELI beim MANETT ad ſauvages p. 216. daß dieſe Fa- bel nicht von der Tarantel, ſondern Sonnenhizze entſiehe BIRCH T. III. p. 9. IAMES ca- [Spaltenumbruch]
nin. madn. p. 242. daß es eine Fabel der Bettler und Vagabun- den ſei. SWAMMERDAM bibl. pag. 56.
(t)ZODIAC, Med. Gall. T. II. p. 149.
(u)p. 95. ſqq.
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Das Gehoͤr. XV. Buch.
dieſe Spinne ganz unſchuldig, und die Krankheit viel-
mehr eine Art von Melancholie ſei, von der einige Leu-
te angefallen wuͤrden. Nun gebe ich in ſo ferne zu, daß
Schwermuͤthige durch luſtige Thoͤne curiret werden, daß
ſelbige ihr zur Betruͤbniß geneigtes Gemuͤthe von derje-
nigen Wolluſt abziehen, welche Leute von dieſem Schla-
ge in ſchwermuͤthigen Jdeen ſuchen.
Es ſtekkt auch in den ſtarken Thoͤnen etwas Mecha-
niſches, das Gehirn zu beunruhigen, das Gebluͤt in
Bewegung zu ſetzen, und eine Art von Fieber hervor-
zu bringen. Wir leſen, daß das Blut beim Trummel-
ſchlage geſchwinder flieſſe, wenn man dabei eine Blut-
ader oͤffnet (t).
Dieſes verſuchte ehedem der beruͤhmte Roger (u), dem
das Schickſal kein langes Leben beſtimmt hatte, dadurch
zu erklaͤren, daß fremdartige Theile unter unſere Lebens-
geiſter gemiſcht wuͤrden: dieſe wuͤrden nach ſeiner Mey-
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ſolchen Thoͤnen, mit denen ſie ſonſt nichts harmoniſch
hatten; wenn alſo dieſe Thoͤne erregt wuͤrden, ſo entſte-
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feiner gemacht wuͤrden. Doch es haͤtte erſt das Phaͤ-
nomenon beſtaͤtigt ſeyn muͤſſen, ehe man ſeine Aufloͤ-
ſung ſuchte.
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(t) ZODIAC, Med. Gall. T.
II. p. 149.
(u) p. 95. ſqq.
(s) lancholiſchen Wahnwizz. SERAO
daß ſich dabei moraliſche Urſachen
und Begierde zur Freiheit vermi-
ſchen. MICHELI beim MANETT
ad ſauvages p. 216. daß dieſe Fa-
bel nicht von der Tarantel,
ſondern Sonnenhizze entſiehe
BIRCH T. III. p. 9. IAMES ca-
nin. madn. p. 242. daß es eine
Fabel der Bettler und Vagabun-
den ſei. SWAMMERDAM bibl.
pag. 56.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 708. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/726>, abgerufen am 22.11.2024.
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