einen zusammen kommen, erwächset (r), und da in je- dem Thone sowohl ein ursprünglicher Thon, den der Quell des Thons macht, als auch unzähliche Thöne vor- kommen, die von den harten Körpern, die dieser Thon trift, zurükkgeworfen werden, und welche endlich im Gehörgange, in der Trummel und Jrrgange noch hinzu kommen (s). Warum empfindet man, sage ich, einen so sehr zusammengesezzten Thon doch nur einfach? Es scheint überhaupt die Seele Eindrükke nicht zu unter- scheiden, die sich einander sehr gleich sind; denn wenn sie sie unterscheiden soll, so müssen sehr deutliche Merk- male des Unterschiedes darinnen vorkommen, die sie eben so deutlich empfinden muß, als sie die Objekten empfin- det, die unterschieden werden müssen: wenn diese nicht augenscheinlich genung sind, so wird sie auch die Ob- jekte nicht zu unterscheiden vermögen. So siehet die Seele an einer weissen Wand eine einförmige Weisse, wenn sie sie von weiten ansieht; und daher entstehet in ihr nichts, als eine einfache Empfindung der weissen Farbe. Nähert sich das Auge mehr, so wird man schon Hügelchen und Tiefen an dieser Wand bemerken, und die Seele wird sich überreden, daß einige Theile von der andern unterschieden sind. Nun sind diese ursprüng- lichen Thöne, und die vom Abprallen entstanden sind, in so fern mit einander ganz gleich, daß von dem Ob- jekte des Schalles in harten Körpern harmonische Be- bungen (t), und zwar eben so schnelle Bebungen erregt werden, wenn gleich die ursprünglichen Thöne schwächer, die nachher hinzugekommenen, aber stärker sind. Daher unterscheidet ein geübtes Ohr in diesen zusammengesezz- ten Thönen unähnliche Theile (u), die ein gemeines Ohr nicht zu empfinden verstehet. Wie wenn in dem von unserm Lehrer vorgestellten Exempel eine grosse Menge
Zuhö-
(r)[Spaltenumbruch]p. 264.
(s)p. 295. 296.
(t)[Spaltenumbruch]p. 294. 295.
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III. Abſchnitt. Werkzeug.
einen zuſammen kommen, erwaͤchſet (r), und da in je- dem Thone ſowohl ein urſpruͤnglicher Thon, den der Quell des Thons macht, als auch unzaͤhliche Thoͤne vor- kommen, die von den harten Koͤrpern, die dieſer Thon trift, zuruͤkkgeworfen werden, und welche endlich im Gehoͤrgange, in der Trummel und Jrrgange noch hinzu kommen (s). Warum empfindet man, ſage ich, einen ſo ſehr zuſammengeſezzten Thon doch nur einfach? Es ſcheint uͤberhaupt die Seele Eindruͤkke nicht zu unter- ſcheiden, die ſich einander ſehr gleich ſind; denn wenn ſie ſie unterſcheiden ſoll, ſo muͤſſen ſehr deutliche Merk- male des Unterſchiedes darinnen vorkommen, die ſie eben ſo deutlich empfinden muß, als ſie die Objekten empfin- det, die unterſchieden werden muͤſſen: wenn dieſe nicht augenſcheinlich genung ſind, ſo wird ſie auch die Ob- jekte nicht zu unterſcheiden vermoͤgen. So ſiehet die Seele an einer weiſſen Wand eine einfoͤrmige Weiſſe, wenn ſie ſie von weiten anſieht; und daher entſtehet in ihr nichts, als eine einfache Empfindung der weiſſen Farbe. Naͤhert ſich das Auge mehr, ſo wird man ſchon Huͤgelchen und Tiefen an dieſer Wand bemerken, und die Seele wird ſich uͤberreden, daß einige Theile von der andern unterſchieden ſind. Nun ſind dieſe urſpruͤng- lichen Thoͤne, und die vom Abprallen entſtanden ſind, in ſo fern mit einander ganz gleich, daß von dem Ob- jekte des Schalles in harten Koͤrpern harmoniſche Be- bungen (t), und zwar eben ſo ſchnelle Bebungen erregt werden, wenn gleich die urſpruͤnglichen Thoͤne ſchwaͤcher, die nachher hinzugekommenen, aber ſtaͤrker ſind. Daher unterſcheidet ein geuͤbtes Ohr in dieſen zuſammengeſezz- ten Thoͤnen unaͤhnliche Theile (u), die ein gemeines Ohr nicht zu empfinden verſtehet. Wie wenn in dem von unſerm Lehrer vorgeſtellten Exempel eine groſſe Menge
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III. Abſchnitt. Werkzeug.
einen zuſammen kommen, erwaͤchſet (r), und da in je-
dem Thone ſowohl ein urſpruͤnglicher Thon, den der
Quell des Thons macht, als auch unzaͤhliche Thoͤne vor-
kommen, die von den harten Koͤrpern, die dieſer Thon
trift, zuruͤkkgeworfen werden, und welche endlich im
Gehoͤrgange, in der Trummel und Jrrgange noch hinzu
kommen (s). Warum empfindet man, ſage ich, einen
ſo ſehr zuſammengeſezzten Thon doch nur einfach? Es
ſcheint uͤberhaupt die Seele Eindruͤkke nicht zu unter-
ſcheiden, die ſich einander ſehr gleich ſind; denn wenn
ſie ſie unterſcheiden ſoll, ſo muͤſſen ſehr deutliche Merk-
male des Unterſchiedes darinnen vorkommen, die ſie eben
ſo deutlich empfinden muß, als ſie die Objekten empfin-
det, die unterſchieden werden muͤſſen: wenn dieſe nicht
augenſcheinlich genung ſind, ſo wird ſie auch die Ob-
jekte nicht zu unterſcheiden vermoͤgen. So ſiehet die
Seele an einer weiſſen Wand eine einfoͤrmige Weiſſe,
wenn ſie ſie von weiten anſieht; und daher entſtehet in
ihr nichts, als eine einfache Empfindung der weiſſen
Farbe. Naͤhert ſich das Auge mehr, ſo wird man ſchon
Huͤgelchen und Tiefen an dieſer Wand bemerken, und
die Seele wird ſich uͤberreden, daß einige Theile von
der andern unterſchieden ſind. Nun ſind dieſe urſpruͤng-
lichen Thoͤne, und die vom Abprallen entſtanden ſind,
in ſo fern mit einander ganz gleich, daß von dem Ob-
jekte des Schalles in harten Koͤrpern harmoniſche Be-
bungen (t), und zwar eben ſo ſchnelle Bebungen erregt
werden, wenn gleich die urſpruͤnglichen Thoͤne ſchwaͤcher,
die nachher hinzugekommenen, aber ſtaͤrker ſind. Daher
unterſcheidet ein geuͤbtes Ohr in dieſen zuſammengeſezz-
ten Thoͤnen unaͤhnliche Theile (u), die ein gemeines Ohr
nicht zu empfinden verſtehet. Wie wenn in dem von
unſerm Lehrer vorgeſtellten Exempel eine groſſe Menge
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p. 264.
(s) p. 295. 296.
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(u) p. 273.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/715>, abgerufen am 22.11.2024.
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