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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Das Gehör. XV. Buch.

Am Menschen ist das äusserliche Ohr weniger konisch,
allein es hat vorragende knorpliche Erhabenheiten. Jn-
dessen pflegte uns doch Boerhaave (d) zu berichten, daß
er mit vieler Gedult am äussern Ohre eines todten Kör-
pers Linien gezogen, welche mit jedweder, aufs Ohr
auffallenden Linie gleich grosse Winkel machen würden,
und es wären auf solche Art alle diese Linien endlich in
den Gehörgang zusammen gekommen.

Es scheinen nicht nur die Thiere, sondern auch Men-
schen, die von keinem unterrichtet worden, diesen Zu-
sammenfluß der Thonstrahlen in dem Gehörgang, als
ein Hülfsmittel anzusehen, indem die Pferde (e) und
Hirsche (f) und andere vierfüßige Thiere augenscheinlich
die Ohren in die Höhe richten, und sie ausgestrekkt, da
sie bei ihnen beweglich sind, gegen den Ort hin zu dre-
hen, (g) wo der Schall herkommt, um dadurch desto-
mehr Strahlen des Schalles zusammen zu bringen. Jn
Jamaika strekkt das Heerdevieh die Ohren nach dem
Schalle des Hirten hin, welcher es zum Futter ruft,
und wenn sie diesen Schall gehörig vernommen, so ma-
chen sie sich kurz darauf zur Abreise fertig (g*). Da-
her hören Thiere auch genau, wenn sie die Ohren aus-
strekken, und undeutlich, wenn sie solche herabhängen
lassen (h).

Die Menschen können kaum merklich das Ohr bewe-
gen, allein sie strekken sie doch durch ihre bereits er-
zählte Kräfte in so fern aus, daß der Zugang zur Schnek-
ke mehr geöffnet wird. Sie legen, und sonderlich die

ein
(d) [Spaltenumbruch] Praelect. T. IV. num. 549.
p. 317. add. DUVERNEY, p.
73.
(e) GIBSON, discurs. of hors.
p.
44. 45.
(f) ARISTOTELES, histor.
anim. L. IX. c. 5. PLINIUS, L.
VIII. c.
32.
(g) [Spaltenumbruch] Equus GIBSON, l. c. pu-
rorius apud GREW, Cosmol,
sacr. p.
24.
(g*) SLOANE, Iamaica.
(h) ARISTOTELES, PLIN.
l. c.
Das Gehoͤr. XV. Buch.

Am Menſchen iſt das aͤuſſerliche Ohr weniger koniſch,
allein es hat vorragende knorpliche Erhabenheiten. Jn-
deſſen pflegte uns doch Boerhaave (d) zu berichten, daß
er mit vieler Gedult am aͤuſſern Ohre eines todten Koͤr-
pers Linien gezogen, welche mit jedweder, aufs Ohr
auffallenden Linie gleich groſſe Winkel machen wuͤrden,
und es waͤren auf ſolche Art alle dieſe Linien endlich in
den Gehoͤrgang zuſammen gekommen.

Es ſcheinen nicht nur die Thiere, ſondern auch Men-
ſchen, die von keinem unterrichtet worden, dieſen Zu-
ſammenfluß der Thonſtrahlen in dem Gehoͤrgang, als
ein Huͤlfsmittel anzuſehen, indem die Pferde (e) und
Hirſche (f) und andere vierfuͤßige Thiere augenſcheinlich
die Ohren in die Hoͤhe richten, und ſie ausgeſtrekkt, da
ſie bei ihnen beweglich ſind, gegen den Ort hin zu dre-
hen, (g) wo der Schall herkommt, um dadurch deſto-
mehr Strahlen des Schalles zuſammen zu bringen. Jn
Jamaika ſtrekkt das Heerdevieh die Ohren nach dem
Schalle des Hirten hin, welcher es zum Futter ruft,
und wenn ſie dieſen Schall gehoͤrig vernommen, ſo ma-
chen ſie ſich kurz darauf zur Abreiſe fertig (g*). Da-
her hoͤren Thiere auch genau, wenn ſie die Ohren aus-
ſtrekken, und undeutlich, wenn ſie ſolche herabhaͤngen
laſſen (h).

Die Menſchen koͤnnen kaum merklich das Ohr bewe-
gen, allein ſie ſtrekken ſie doch durch ihre bereits er-
zaͤhlte Kraͤfte in ſo fern aus, daß der Zugang zur Schnek-
ke mehr geoͤffnet wird. Sie legen, und ſonderlich die

ein
(d) [Spaltenumbruch] Prælect. T. IV. num. 549.
p. 317. add. DUVERNEY, p.
73.
(e) GIBSON, diſcurs. of horſ.
p.
44. 45.
(f) ARISTOTELES, hiſtor.
anim. L. IX. c. 5. PLINIUS, L.
VIII. c.
32.
(g) [Spaltenumbruch] Equus GIBSON, l. c. pu-
rorius apud GREW, Coſmol,
ſacr. p.
24.
(g*) SLOANE, Iamaica.
(h) ARISTOTELES, PLIN.
l. c.
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[664/0682] Das Gehoͤr. XV. Buch. Am Menſchen iſt das aͤuſſerliche Ohr weniger koniſch, allein es hat vorragende knorpliche Erhabenheiten. Jn- deſſen pflegte uns doch Boerhaave (d) zu berichten, daß er mit vieler Gedult am aͤuſſern Ohre eines todten Koͤr- pers Linien gezogen, welche mit jedweder, aufs Ohr auffallenden Linie gleich groſſe Winkel machen wuͤrden, und es waͤren auf ſolche Art alle dieſe Linien endlich in den Gehoͤrgang zuſammen gekommen. Es ſcheinen nicht nur die Thiere, ſondern auch Men- ſchen, die von keinem unterrichtet worden, dieſen Zu- ſammenfluß der Thonſtrahlen in dem Gehoͤrgang, als ein Huͤlfsmittel anzuſehen, indem die Pferde (e) und Hirſche (f) und andere vierfuͤßige Thiere augenſcheinlich die Ohren in die Hoͤhe richten, und ſie ausgeſtrekkt, da ſie bei ihnen beweglich ſind, gegen den Ort hin zu dre- hen, (g) wo der Schall herkommt, um dadurch deſto- mehr Strahlen des Schalles zuſammen zu bringen. Jn Jamaika ſtrekkt das Heerdevieh die Ohren nach dem Schalle des Hirten hin, welcher es zum Futter ruft, und wenn ſie dieſen Schall gehoͤrig vernommen, ſo ma- chen ſie ſich kurz darauf zur Abreiſe fertig (g*). Da- her hoͤren Thiere auch genau, wenn ſie die Ohren aus- ſtrekken, und undeutlich, wenn ſie ſolche herabhaͤngen laſſen (h). Die Menſchen koͤnnen kaum merklich das Ohr bewe- gen, allein ſie ſtrekken ſie doch durch ihre bereits er- zaͤhlte Kraͤfte in ſo fern aus, daß der Zugang zur Schnek- ke mehr geoͤffnet wird. Sie legen, und ſonderlich die ein (d) Prælect. T. IV. num. 549. p. 317. add. DUVERNEY, p. 73. (e) GIBSON, diſcurs. of horſ. p. 44. 45. (f) ARISTOTELES, hiſtor. anim. L. IX. c. 5. PLINIUS, L. VIII. c. 32. (g) Equus GIBSON, l. c. pu- rorius apud GREW, Coſmol, ſacr. p. 24. (g*) SLOANE, Iamaica. (h) ARISTOTELES, PLIN. l. c.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 664. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/682>, abgerufen am 22.11.2024.