Warum diese Nerven aber in der Nase vielmehr, als im Munde oder Gaumen das Riechen verrichten, darauf läßt sich nicht so leicht antworten. So viel sehen wir, daß in der Nase eine Menge Nerven vorkommen, welche alle weich und zart, und in der pulpösen Membran ver- theilt sind, die durch ein höchst zartes Oberhäutchen vor dem Eindringen der Geruchkörper beschüzzt wird, ohne von einem deutlichen Nezzwerke bedekkt zu sein, indem die Nase an den Mohren keine andre Farbe hat. Wir sehen, daß die Zungenwärzchen des Geschmakkes härter sind, und daß sie viel von Fadengewebe, und viel von Gefässen enthalten. So sind die Flokken der Gedärme größtentheils Gefässe, und ihre Nerven in weit geringerer Anzal vorhanden, und viel härter.
Von dieser Weiche und Entblössung der Nerven selbst leiten wir her, daß an keinem Orte im Menschenkörper die angebrachten scharfen Körperchen heftigere Wirkung thun. Es zwingt uns ein wenig Pulver von Niesewurz, daß wir uns fast zu Tode niesen müssen (c), da es doch im Munde, ausser etwas Brennen, weiter nichts hervor- gebracht, und die blosse Augen nicht einmal gereizet ha- ben würde. So gar verursacht ein plözliches Licht dem Menschen, welcher aus dem Finstern kömmt, ein Niesen (d).
Von dieser Entblössung scheinet auch herzurühren, daß so leicht eine etwas grobe Berührung, oder der Ge- ruch von Rosen (e) oder frischen Mosch (f), das Bluten verursacht, und daß endlich von selbst, wenn das Blut mit einiger Gewalt zum Kopfe steigt, ein Nasenbluten erfolgt. Jn diesem Stükke kömmt auch der Bau der Thiere mit dem Menschen überein, daß es Pferde giebt, wiewohl dieses nicht von den gemeinen gilt, welchen die Nase blutet. Schon Empedokles bemerkte, daß die blutlosen Blutadern im Körper offen stehen.
Ubrigens
(c)[Spaltenumbruch]L. VIII. p. 303.
(d)BOYLE effects of languid motion p. 264.
(e)[Spaltenumbruch]CHARDIN L. IV. p. 46.
(f)RHOD, Cent. III. obs. 99.
III. Abſchitt. Werkzeug.
Warum dieſe Nerven aber in der Naſe vielmehr, als im Munde oder Gaumen das Riechen verrichten, darauf laͤßt ſich nicht ſo leicht antworten. So viel ſehen wir, daß in der Naſe eine Menge Nerven vorkommen, welche alle weich und zart, und in der pulpoͤſen Membran ver- theilt ſind, die durch ein hoͤchſt zartes Oberhaͤutchen vor dem Eindringen der Geruchkoͤrper beſchuͤzzt wird, ohne von einem deutlichen Nezzwerke bedekkt zu ſein, indem die Naſe an den Mohren keine andre Farbe hat. Wir ſehen, daß die Zungenwaͤrzchen des Geſchmakkes haͤrter ſind, und daß ſie viel von Fadengewebe, und viel von Gefaͤſſen enthalten. So ſind die Flokken der Gedaͤrme groͤßtentheils Gefaͤſſe, und ihre Nerven in weit geringerer Anzal vorhanden, und viel haͤrter.
Von dieſer Weiche und Entbloͤſſung der Nerven ſelbſt leiten wir her, daß an keinem Orte im Menſchenkoͤrper die angebrachten ſcharfen Koͤrperchen heftigere Wirkung thun. Es zwingt uns ein wenig Pulver von Nieſewurz, daß wir uns faſt zu Tode nieſen muͤſſen (c), da es doch im Munde, auſſer etwas Brennen, weiter nichts hervor- gebracht, und die bloſſe Augen nicht einmal gereizet ha- ben wuͤrde. So gar verurſacht ein ploͤzliches Licht dem Menſchen, welcher aus dem Finſtern koͤmmt, ein Nieſen (d).
Von dieſer Entbloͤſſung ſcheinet auch herzuruͤhren, daß ſo leicht eine etwas grobe Beruͤhrung, oder der Ge- ruch von Roſen (e) oder friſchen Moſch (f), das Bluten verurſacht, und daß endlich von ſelbſt, wenn das Blut mit einiger Gewalt zum Kopfe ſteigt, ein Naſenbluten erfolgt. Jn dieſem Stuͤkke koͤmmt auch der Bau der Thiere mit dem Menſchen uͤberein, daß es Pferde giebt, wiewohl dieſes nicht von den gemeinen gilt, welchen die Naſe blutet. Schon Empedokles bemerkte, daß die blutloſen Blutadern im Koͤrper offen ſtehen.
Ubrigens
(c)[Spaltenumbruch]L. VIII. p. 303.
(d)BOYLE effects of languid motion p. 264.
(e)[Spaltenumbruch]CHARDIN L. IV. p. 46.
(f)RHOD, Cent. III. obſ. 99.
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III. Abſchitt. Werkzeug.
Warum dieſe Nerven aber in der Naſe vielmehr, als
im Munde oder Gaumen das Riechen verrichten, darauf
laͤßt ſich nicht ſo leicht antworten. So viel ſehen wir,
daß in der Naſe eine Menge Nerven vorkommen, welche
alle weich und zart, und in der pulpoͤſen Membran ver-
theilt ſind, die durch ein hoͤchſt zartes Oberhaͤutchen vor
dem Eindringen der Geruchkoͤrper beſchuͤzzt wird, ohne
von einem deutlichen Nezzwerke bedekkt zu ſein, indem
die Naſe an den Mohren keine andre Farbe hat. Wir
ſehen, daß die Zungenwaͤrzchen des Geſchmakkes haͤrter
ſind, und daß ſie viel von Fadengewebe, und viel von
Gefaͤſſen enthalten. So ſind die Flokken der Gedaͤrme
groͤßtentheils Gefaͤſſe, und ihre Nerven in weit geringerer
Anzal vorhanden, und viel haͤrter.
Von dieſer Weiche und Entbloͤſſung der Nerven ſelbſt
leiten wir her, daß an keinem Orte im Menſchenkoͤrper
die angebrachten ſcharfen Koͤrperchen heftigere Wirkung
thun. Es zwingt uns ein wenig Pulver von Nieſewurz,
daß wir uns faſt zu Tode nieſen muͤſſen (c), da es doch
im Munde, auſſer etwas Brennen, weiter nichts hervor-
gebracht, und die bloſſe Augen nicht einmal gereizet ha-
ben wuͤrde. So gar verurſacht ein ploͤzliches Licht dem
Menſchen, welcher aus dem Finſtern koͤmmt, ein Nieſen (d).
Von dieſer Entbloͤſſung ſcheinet auch herzuruͤhren,
daß ſo leicht eine etwas grobe Beruͤhrung, oder der Ge-
ruch von Roſen (e) oder friſchen Moſch (f), das Bluten
verurſacht, und daß endlich von ſelbſt, wenn das Blut
mit einiger Gewalt zum Kopfe ſteigt, ein Naſenbluten
erfolgt. Jn dieſem Stuͤkke koͤmmt auch der Bau der
Thiere mit dem Menſchen uͤberein, daß es Pferde giebt,
wiewohl dieſes nicht von den gemeinen gilt, welchen die
Naſe blutet. Schon Empedokles bemerkte, daß die
blutloſen Blutadern im Koͤrper offen ſtehen.
Ubrigens
(c)
L. VIII. p. 303.
(d) BOYLE effects of languid
motion p. 264.
(e)
CHARDIN L. IV. p. 46.
(f) RHOD, Cent. III. obſ. 99.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/529>, abgerufen am 22.11.2024.
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