Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Geschmak. XIII. Buch.

Jm thierischen Reiche ist die Säure etwas sparsamer,
und dennoch stekkt selbige in dem roten Geiste (u) von
thierischen Theilen, im Fette und dessen Flüßigkeit, in
den scharfen Säften (x) einiger Pflanzen, besonders
aber in der Milch, welche unter allen Flüßigkeiten am
ersten sauer wird, oder auch von der veränderten
Mischung der Luft, oder vom Donnerwetter eine Säure
an sich nimmt.

Unter den Salzen der ersten Art befindet sich dasje-
nige Sauersalz, welches in der Luft (y) und in den mei-
sten Wassern stekkt, und mit den verschiednen Erden von
saurem Bestandwesen Salze macht, als Vitriol, Alaun,
Salpeter, Meersalz, aus denen allen blos das Feuer eine
sehr starke Säure austreibt. Eben diese Säure theilt
den mineralischen Wassern ihren Geschmakk mit, wie wir
nunmehr nach den ehemaligen Demonstrationen des vor-
treflichen Seip, vom Karl Lukas deutlich lernen. Es
färbte der Dunst des Spaawassers, den man des Mor-
gens früh untersuchte, den Violensirup rot. Doch man
empfindet auch eben diese Säure im Meerwasser (y*).

Der süsse Geschmakk, ob ihn gleich die Zunge von
sauren Dingen weit zu entfernen scheint, ist doch der
Sache nach wenig davon unterschieden, und man findet
ihn nicht leicht ohne eine offenbare Säure. Beeren und
zeitige Gartenfrüchte sind die kurze Zeit ihrer Dauer über
süsse; denn die Sonne verfertigt aus den höchst sauren Wein-
beerfafte einen süssen Wein, welcher von selbst wieder zu ei-
ner scharfen Eßigsäure wird; und eben diese Verwandlung
steht auch der Zukker, der Honig und alle wirkliche Süßig-
keiten aus. Sobald man Feuer an sie bringt, destillirt
man aus den Süssesten Sachen saure Tropfen (z).

Doch es ist auch die Süßigkeit im Mineralreiche was Sel-
tenes, wiewol sie sich in den bleuschen Arbeiten zeiget, und

die-
(u) [Spaltenumbruch] L. V.
(x) pag. 91. 92.
(y) L. VIII.
(y*) [Spaltenumbruch] WALLER ad HIAERNE.
pag.
64.
(z) BORRICH de natur. dule.
pag.
69.
Der Geſchmak. XIII. Buch.

Jm thieriſchen Reiche iſt die Saͤure etwas ſparſamer,
und dennoch ſtekkt ſelbige in dem roten Geiſte (u) von
thieriſchen Theilen, im Fette und deſſen Fluͤßigkeit, in
den ſcharfen Saͤften (x) einiger Pflanzen, beſonders
aber in der Milch, welche unter allen Fluͤßigkeiten am
erſten ſauer wird, oder auch von der veraͤnderten
Miſchung der Luft, oder vom Donnerwetter eine Saͤure
an ſich nimmt.

Unter den Salzen der erſten Art befindet ſich dasje-
nige Sauerſalz, welches in der Luft (y) und in den mei-
ſten Waſſern ſtekkt, und mit den verſchiednen Erden von
ſaurem Beſtandweſen Salze macht, als Vitriol, Alaun,
Salpeter, Meerſalz, aus denen allen blos das Feuer eine
ſehr ſtarke Saͤure austreibt. Eben dieſe Saͤure theilt
den mineraliſchen Waſſern ihren Geſchmakk mit, wie wir
nunmehr nach den ehemaligen Demonſtrationen des vor-
treflichen Seip, vom Karl Lukas deutlich lernen. Es
faͤrbte der Dunſt des Spaawaſſers, den man des Mor-
gens fruͤh unterſuchte, den Violenſirup rot. Doch man
empfindet auch eben dieſe Saͤure im Meerwaſſer (y*).

Der ſuͤſſe Geſchmakk, ob ihn gleich die Zunge von
ſauren Dingen weit zu entfernen ſcheint, iſt doch der
Sache nach wenig davon unterſchieden, und man findet
ihn nicht leicht ohne eine offenbare Saͤure. Beeren und
zeitige Gartenfruͤchte ſind die kurze Zeit ihrer Dauer uͤber
ſuͤſſe; denn die Sonne verfertigt aus den hoͤchſt ſauren Wein-
beerfafte einen ſuͤſſen Wein, welcher von ſelbſt wieder zu ei-
ner ſcharfen Eßigſaͤure wird; und eben dieſe Verwandlung
ſteht auch der Zukker, der Honig und alle wirkliche Suͤßig-
keiten aus. Sobald man Feuer an ſie bringt, deſtillirt
man aus den Suͤſſeſten Sachen ſaure Tropfen (z).

Doch es iſt auch die Suͤßigkeit im Mineralreiche was Sel-
tenes, wiewol ſie ſich in den bleuſchen Arbeiten zeiget, und

die-
(u) [Spaltenumbruch] L. V.
(x) pag. 91. 92.
(y) L. VIII.
(y*) [Spaltenumbruch] WALLER ad HIÆRNE.
pag.
64.
(z) BORRICH de natur. dule.
pag.
69.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0436" n="418"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Ge&#x017F;chmak. <hi rendition="#aq">XIII.</hi> Buch.</hi> </fw><lb/>
            <p>Jm thieri&#x017F;chen Reiche i&#x017F;t die Sa&#x0364;ure etwas &#x017F;par&#x017F;amer,<lb/>
und dennoch &#x017F;tekkt &#x017F;elbige in dem roten Gei&#x017F;te <note place="foot" n="(u)"><cb/><hi rendition="#aq">L. V.</hi></note> von<lb/>
thieri&#x017F;chen Theilen, im Fette und de&#x017F;&#x017F;en Flu&#x0364;ßigkeit, in<lb/>
den &#x017F;charfen Sa&#x0364;ften <note place="foot" n="(x)"><hi rendition="#aq">pag.</hi> 91. 92.</note> einiger Pflanzen, be&#x017F;onders<lb/>
aber in der Milch, welche unter allen Flu&#x0364;ßigkeiten am<lb/>
er&#x017F;ten &#x017F;auer wird, oder auch von der vera&#x0364;nderten<lb/>
Mi&#x017F;chung der Luft, oder vom Donnerwetter eine Sa&#x0364;ure<lb/>
an &#x017F;ich nimmt.</p><lb/>
            <p>Unter den Salzen der er&#x017F;ten Art befindet &#x017F;ich dasje-<lb/>
nige Sauer&#x017F;alz, welches in der Luft <note place="foot" n="(y)"><hi rendition="#aq">L. VIII.</hi></note> und in den mei-<lb/>
&#x017F;ten Wa&#x017F;&#x017F;ern &#x017F;tekkt, und mit den ver&#x017F;chiednen Erden von<lb/>
&#x017F;aurem Be&#x017F;tandwe&#x017F;en Salze macht, als Vitriol, Alaun,<lb/>
Salpeter, Meer&#x017F;alz, aus denen allen blos das Feuer eine<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;tarke Sa&#x0364;ure austreibt. Eben die&#x017F;e Sa&#x0364;ure theilt<lb/>
den minerali&#x017F;chen Wa&#x017F;&#x017F;ern ihren Ge&#x017F;chmakk mit, wie wir<lb/>
nunmehr nach den ehemaligen Demon&#x017F;trationen des vor-<lb/>
treflichen <hi rendition="#fr">Seip,</hi> vom Karl <hi rendition="#fr">Lukas</hi> deutlich lernen. Es<lb/>
fa&#x0364;rbte der Dun&#x017F;t des Spaawa&#x017F;&#x017F;ers, den man des Mor-<lb/>
gens fru&#x0364;h unter&#x017F;uchte, den Violen&#x017F;irup rot. Doch man<lb/>
empfindet auch eben die&#x017F;e Sa&#x0364;ure im Meerwa&#x017F;&#x017F;er <note place="foot" n="(y*)"><cb/><hi rendition="#aq">WALLER ad HIÆRNE.<lb/>
pag.</hi> 64.</note>.</p><lb/>
            <p>Der &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Ge&#x017F;chmakk, ob ihn gleich die Zunge von<lb/>
&#x017F;auren Dingen weit zu entfernen &#x017F;cheint, i&#x017F;t doch der<lb/>
Sache nach wenig davon unter&#x017F;chieden, und man findet<lb/>
ihn nicht leicht ohne eine offenbare Sa&#x0364;ure. Beeren und<lb/>
zeitige Gartenfru&#x0364;chte &#x017F;ind die kurze Zeit ihrer Dauer u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; denn die Sonne verfertigt aus den ho&#x0364;ch&#x017F;t &#x017F;auren Wein-<lb/>
beerfafte einen &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Wein, welcher von &#x017F;elb&#x017F;t wieder zu ei-<lb/>
ner &#x017F;charfen Eßig&#x017F;a&#x0364;ure wird; und eben die&#x017F;e Verwandlung<lb/>
&#x017F;teht auch der Zukker, der Honig und alle wirkliche Su&#x0364;ßig-<lb/>
keiten aus. Sobald man Feuer an &#x017F;ie bringt, de&#x017F;tillirt<lb/>
man aus den Su&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Sachen &#x017F;aure Tropfen <note place="foot" n="(z)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">BORRICH</hi> de natur. dule.<lb/>
pag.</hi> 69.</note>.</p><lb/>
            <p>Doch es i&#x017F;t auch die Su&#x0364;ßigkeit im Mineralreiche was Sel-<lb/>
tenes, wiewol &#x017F;ie &#x017F;ich in den bleu&#x017F;chen Arbeiten zeiget, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[418/0436] Der Geſchmak. XIII. Buch. Jm thieriſchen Reiche iſt die Saͤure etwas ſparſamer, und dennoch ſtekkt ſelbige in dem roten Geiſte (u) von thieriſchen Theilen, im Fette und deſſen Fluͤßigkeit, in den ſcharfen Saͤften (x) einiger Pflanzen, beſonders aber in der Milch, welche unter allen Fluͤßigkeiten am erſten ſauer wird, oder auch von der veraͤnderten Miſchung der Luft, oder vom Donnerwetter eine Saͤure an ſich nimmt. Unter den Salzen der erſten Art befindet ſich dasje- nige Sauerſalz, welches in der Luft (y) und in den mei- ſten Waſſern ſtekkt, und mit den verſchiednen Erden von ſaurem Beſtandweſen Salze macht, als Vitriol, Alaun, Salpeter, Meerſalz, aus denen allen blos das Feuer eine ſehr ſtarke Saͤure austreibt. Eben dieſe Saͤure theilt den mineraliſchen Waſſern ihren Geſchmakk mit, wie wir nunmehr nach den ehemaligen Demonſtrationen des vor- treflichen Seip, vom Karl Lukas deutlich lernen. Es faͤrbte der Dunſt des Spaawaſſers, den man des Mor- gens fruͤh unterſuchte, den Violenſirup rot. Doch man empfindet auch eben dieſe Saͤure im Meerwaſſer (y*). Der ſuͤſſe Geſchmakk, ob ihn gleich die Zunge von ſauren Dingen weit zu entfernen ſcheint, iſt doch der Sache nach wenig davon unterſchieden, und man findet ihn nicht leicht ohne eine offenbare Saͤure. Beeren und zeitige Gartenfruͤchte ſind die kurze Zeit ihrer Dauer uͤber ſuͤſſe; denn die Sonne verfertigt aus den hoͤchſt ſauren Wein- beerfafte einen ſuͤſſen Wein, welcher von ſelbſt wieder zu ei- ner ſcharfen Eßigſaͤure wird; und eben dieſe Verwandlung ſteht auch der Zukker, der Honig und alle wirkliche Suͤßig- keiten aus. Sobald man Feuer an ſie bringt, deſtillirt man aus den Suͤſſeſten Sachen ſaure Tropfen (z). Doch es iſt auch die Suͤßigkeit im Mineralreiche was Sel- tenes, wiewol ſie ſich in den bleuſchen Arbeiten zeiget, und die- (u) L. V. (x) pag. 91. 92. (y) L. VIII. (y*) WALLER ad HIÆRNE. pag. 64. (z) BORRICH de natur. dule. pag. 69.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/436
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/436>, abgerufen am 25.11.2024.