Doch entsteht in andern Fällen einige Veränderung in den thätigen Kräften, wofern beide Enden eines Mus- kels nicht blos beweglich sind, sondern sich auch wirklich zugleich mit bewegen. Denn alsdenn kann es durch die vereinigte Kraft andrer Muskeln geschehen, daß das eine schlaffe Ende ein grösseres Stükk in der vorhabenden Be- wegung vollendet, indessen daß das andre feste Ende we- niger niedergeht. Man hat ein Exempel am zweibäuchi- gen. Wir bedienen uns dieses Muskels gemeiniglich beim Herunterschlingen dergestalt, daß er das Zungenbein, und den damit verbundnen Schlundkopf, gegen die angezogne Kinnbakken, wie gegen ein unbewegliches Ende, in die Höhe zieht. Und dennoch können wir, obwol mit Be- schwerlichkeit, einiger maßen hinabschlingen, oder das Zungenbein und den Luftröhrenkopf in die Höhe heben, daß zugleich der Mund offen stehen bleibe, oder auch um den Mund zugleich zu eröfnen. Jn diesem Falle halten die Schläfen- Käu - und innere Flügelmuskeln den Kinn- bakken zwar aber doch dermaßen zurükke, daß sie nach Belieben der Seele etwas erschlaffen, und man kann zu- gleich warnemen, wie die Kräfte, welche den Kinnbakken niederziehen, nämlich der Hautmuskel des Halses, und der erste Kopf des Zweibäuchigen, in einer heftigen Ar- beit begriffen sind. Folglich steigt der Kinnbakken allmä- lich und mit Widerwillen herab, und zugleich steigt das Zungenbein, der Schlundkopf, der Luftröhrenkopf viel freier, weil er von andren Muskeln, und durch sich selbst in die Höhe gezogen wird, in die Höhe. Unter diesen Muskeln befindet sich auch der Zweibäuchige zweite, der in seiner Thätigkeit den Kinnbakken allmälich öffnet, und das Zungenbein viel besser in die Höhe zieht. So nähert sich in der Bewegung des Zwerchfelles, das Zwerchfell den Ribben, indessen daß sich die Ribben gegen das Zwerchfell ziehen lassen (o**).
Es
(o**)[Spaltenumbruch]de respir. exp. 48. [Spaltenumbruch]
Der vortrefliche CAMPERUS I.
pag.
H 4
II. Abſchnitt. Erſcheinungen.
Doch entſteht in andern Faͤllen einige Veraͤnderung in den thaͤtigen Kraͤften, wofern beide Enden eines Muſ- kels nicht blos beweglich ſind, ſondern ſich auch wirklich zugleich mit bewegen. Denn alsdenn kann es durch die vereinigte Kraft andrer Muſkeln geſchehen, daß das eine ſchlaffe Ende ein groͤſſeres Stuͤkk in der vorhabenden Be- wegung vollendet, indeſſen daß das andre feſte Ende we- niger niedergeht. Man hat ein Exempel am zweibaͤuchi- gen. Wir bedienen uns dieſes Muſkels gemeiniglich beim Herunterſchlingen dergeſtalt, daß er das Zungenbein, und den damit verbundnen Schlundkopf, gegen die angezogne Kinnbakken, wie gegen ein unbewegliches Ende, in die Hoͤhe zieht. Und dennoch koͤnnen wir, obwol mit Be- ſchwerlichkeit, einiger maßen hinabſchlingen, oder das Zungenbein und den Luftroͤhrenkopf in die Hoͤhe heben, daß zugleich der Mund offen ſtehen bleibe, oder auch um den Mund zugleich zu eroͤfnen. Jn dieſem Falle halten die Schlaͤfen- Kaͤu - und innere Fluͤgelmuſkeln den Kinn- bakken zwar aber doch dermaßen zuruͤkke, daß ſie nach Belieben der Seele etwas erſchlaffen, und man kann zu- gleich warnemen, wie die Kraͤfte, welche den Kinnbakken niederziehen, naͤmlich der Hautmuſkel des Halſes, und der erſte Kopf des Zweibaͤuchigen, in einer heftigen Ar- beit begriffen ſind. Folglich ſteigt der Kinnbakken allmaͤ- lich und mit Widerwillen herab, und zugleich ſteigt das Zungenbein, der Schlundkopf, der Luftroͤhrenkopf viel freier, weil er von andren Muſkeln, und durch ſich ſelbſt in die Hoͤhe gezogen wird, in die Hoͤhe. Unter dieſen Muſkeln befindet ſich auch der Zweibaͤuchige zweite, der in ſeiner Thaͤtigkeit den Kinnbakken allmaͤlich oͤffnet, und das Zungenbein viel beſſer in die Hoͤhe zieht. So naͤhert ſich in der Bewegung des Zwerchfelles, das Zwerchfell den Ribben, indeſſen daß ſich die Ribben gegen das Zwerchfell ziehen laſſen (o**).
Es
(o**)[Spaltenumbruch]de reſpir. exp. 48. [Spaltenumbruch]
Der vortrefliche CAMPERUS I.
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II. Abſchnitt. Erſcheinungen.
Doch entſteht in andern Faͤllen einige Veraͤnderung
in den thaͤtigen Kraͤften, wofern beide Enden eines Muſ-
kels nicht blos beweglich ſind, ſondern ſich auch wirklich
zugleich mit bewegen. Denn alsdenn kann es durch die
vereinigte Kraft andrer Muſkeln geſchehen, daß das eine
ſchlaffe Ende ein groͤſſeres Stuͤkk in der vorhabenden Be-
wegung vollendet, indeſſen daß das andre feſte Ende we-
niger niedergeht. Man hat ein Exempel am zweibaͤuchi-
gen. Wir bedienen uns dieſes Muſkels gemeiniglich beim
Herunterſchlingen dergeſtalt, daß er das Zungenbein, und
den damit verbundnen Schlundkopf, gegen die angezogne
Kinnbakken, wie gegen ein unbewegliches Ende, in die
Hoͤhe zieht. Und dennoch koͤnnen wir, obwol mit Be-
ſchwerlichkeit, einiger maßen hinabſchlingen, oder das
Zungenbein und den Luftroͤhrenkopf in die Hoͤhe heben,
daß zugleich der Mund offen ſtehen bleibe, oder auch um
den Mund zugleich zu eroͤfnen. Jn dieſem Falle halten
die Schlaͤfen- Kaͤu - und innere Fluͤgelmuſkeln den Kinn-
bakken zwar aber doch dermaßen zuruͤkke, daß ſie nach
Belieben der Seele etwas erſchlaffen, und man kann zu-
gleich warnemen, wie die Kraͤfte, welche den Kinnbakken
niederziehen, naͤmlich der Hautmuſkel des Halſes, und
der erſte Kopf des Zweibaͤuchigen, in einer heftigen Ar-
beit begriffen ſind. Folglich ſteigt der Kinnbakken allmaͤ-
lich und mit Widerwillen herab, und zugleich ſteigt das
Zungenbein, der Schlundkopf, der Luftroͤhrenkopf viel
freier, weil er von andren Muſkeln, und durch ſich ſelbſt
in die Hoͤhe gezogen wird, in die Hoͤhe. Unter dieſen
Muſkeln befindet ſich auch der Zweibaͤuchige zweite, der
in ſeiner Thaͤtigkeit den Kinnbakken allmaͤlich oͤffnet, und
das Zungenbein viel beſſer in die Hoͤhe zieht. So naͤhert
ſich in der Bewegung des Zwerchfelles, das Zwerchfell
den Ribben, indeſſen daß ſich die Ribben gegen das
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/137>, abgerufen am 23.11.2024.
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