men würde. Wenn man solchergestalt den Beuger er- schlaffen liesse, und blos mit der einzigen Nervenkraft den Ausstrekker reizte, so könnten von dem Zutritte eines noch so kleinen neuen Theilgen, grosse Bewegungen erfolgen, daß diese erfolgen, haben wir durch einen Versuch gezeigt (a), und ich habe dergleichen an todten Körpern wirklich gesehen. Daß kraft des Willens der zusammenziehenden Kraft der Muskeln wirklich etwas benommen werden könne, haben einige, an sich selbst leicht, warzunehmen geglaubt (b), wenn sie z. E. um die Last abzulegen, den Rükken und Kopf nach vorne sinken lassen, indem diese Bewe- gung nicht von dem schnell wirkenden Gewichte, noch von einiger Gewalt der Beuger, denn diese ruhen zu der Zeit, sondern von der Erschlaffung der Ausstrekker erhalten wird. Wenn daher die Kraft des Ausstrekkers a wäre, die Kraft des Ausstrekkers b = a, so könnte, wenn man von a erst welchen Theil der Nervenstärke c abnäme, und ohne eine neue Kraft, wenn eine gleiche Kraft c zum Muskel b ge- than würde, die übrige Kraft des Beugers in a -- c die Kraft des Ausstrekkers in a = c verwandelt werden, und so würde das Uebergewichte des Ausstrekkers sein = 2 c, weil keine neue Kraft erzeugt worden, und um desto grös- ser würde das Uebergewichte sein, folglich wäre die wirk- same Kraft des ausstrekkenden Muskels um desto stärker, je grösser die Gewalt c zu a ist. Und wenn c = a wäre oder wenn man die ganze Kraft des Beugers vernichtete, so würde überhaupt die Kraft, welche nunmehr im Aus- strekker ganz ist, gedoppelt so gros, gegen diejenige sein, welche vorher in ihm verborgen war.
Viele berümte Männer (c) haben sich dieser oder einer änlichen Auslegungsart bedienet, die Bewegungen durch die Muskeln zu erläutern.
Es
(a)[Spaltenumbruch]pag. 447.
(b)WINSLOW Mem. de 1720. p. 86.
(c)[Spaltenumbruch]PERRAULT Mecan. des anim. t. 3. f. 2. p. 72. seqq. et du mouvem. peristalt. Doch es schreibt
die-
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
men wuͤrde. Wenn man ſolchergeſtalt den Beuger er- ſchlaffen lieſſe, und blos mit der einzigen Nervenkraft den Ausſtrekker reizte, ſo koͤnnten von dem Zutritte eines noch ſo kleinen neuen Theilgen, groſſe Bewegungen erfolgen, daß dieſe erfolgen, haben wir durch einen Verſuch gezeigt (a), und ich habe dergleichen an todten Koͤrpern wirklich geſehen. Daß kraft des Willens der zuſammenziehenden Kraft der Muſkeln wirklich etwas benommen werden koͤnne, haben einige, an ſich ſelbſt leicht, warzunehmen geglaubt (b), wenn ſie z. E. um die Laſt abzulegen, den Ruͤkken und Kopf nach vorne ſinken laſſen, indem dieſe Bewe- gung nicht von dem ſchnell wirkenden Gewichte, noch von einiger Gewalt der Beuger, denn dieſe ruhen zu der Zeit, ſondern von der Erſchlaffung der Ausſtrekker erhalten wird. Wenn daher die Kraft des Ausſtrekkers a waͤre, die Kraft des Ausſtrekkers b = a, ſo koͤnnte, wenn man von a erſt welchen Theil der Nervenſtaͤrke c abnaͤme, und ohne eine neue Kraft, wenn eine gleiche Kraft c zum Muſkel b ge- than wuͤrde, die uͤbrige Kraft des Beugers in a — c die Kraft des Ausſtrekkers in a = c verwandelt werden, und ſo wuͤrde das Uebergewichte des Ausſtrekkers ſein = 2 c, weil keine neue Kraft erzeugt worden, und um deſto groͤſ- ſer wuͤrde das Uebergewichte ſein, folglich waͤre die wirk- ſame Kraft des ausſtrekkenden Muſkels um deſto ſtaͤrker, je groͤſſer die Gewalt c zu a iſt. Und wenn c = a waͤre oder wenn man die ganze Kraft des Beugers vernichtete, ſo wuͤrde uͤberhaupt die Kraft, welche nunmehr im Aus- ſtrekker ganz iſt, gedoppelt ſo gros, gegen diejenige ſein, welche vorher in ihm verborgen war.
Viele beruͤmte Maͤnner (c) haben ſich dieſer oder einer aͤnlichen Auslegungsart bedienet, die Bewegungen durch die Muſkeln zu erlaͤutern.
Es
(a)[Spaltenumbruch]pag. 447.
(b)WINSLOW Mem. de 1720. p. 86.
(c)[Spaltenumbruch]PERRAULT Mecan. des anim. t. 3. f. 2. p. 72. ſeqq. et du mouvem. periſtalt. Doch es ſchreibt
die-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0128"n="110"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Thieriſche Bewegung. <hirendition="#aq">XI.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
men wuͤrde. Wenn man ſolchergeſtalt den Beuger er-<lb/>ſchlaffen lieſſe, und blos mit der einzigen Nervenkraft den<lb/>
Ausſtrekker reizte, ſo koͤnnten von dem Zutritte eines noch<lb/>ſo kleinen neuen Theilgen, groſſe Bewegungen erfolgen,<lb/>
daß dieſe erfolgen, haben wir durch einen Verſuch gezeigt<lb/><noteplace="foot"n="(a)"><cb/><hirendition="#aq">pag.</hi> 447.</note>, und ich habe dergleichen an todten Koͤrpern wirklich<lb/>
geſehen. Daß kraft des Willens der zuſammenziehenden<lb/>
Kraft der Muſkeln wirklich etwas benommen werden koͤnne,<lb/>
haben einige, an ſich ſelbſt leicht, warzunehmen geglaubt<lb/><noteplace="foot"n="(b)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">WINSLOW</hi> Mem. de<lb/>
1720. p.</hi> 86.</note>, wenn ſie z. E. um die Laſt abzulegen, den Ruͤkken<lb/>
und Kopf nach vorne ſinken laſſen, indem dieſe Bewe-<lb/>
gung nicht von dem ſchnell wirkenden Gewichte, noch von<lb/>
einiger Gewalt der Beuger, denn dieſe ruhen zu der Zeit,<lb/>ſondern von der Erſchlaffung der Ausſtrekker erhalten wird.<lb/>
Wenn daher die Kraft des Ausſtrekkers <hirendition="#aq">a</hi> waͤre, die Kraft<lb/>
des Ausſtrekkers <hirendition="#aq">b = a,</hi>ſo koͤnnte, wenn man von <hirendition="#aq">a</hi> erſt<lb/>
welchen Theil der Nervenſtaͤrke <hirendition="#aq">c</hi> abnaͤme, und ohne eine<lb/>
neue Kraft, wenn eine gleiche Kraft <hirendition="#aq">c</hi> zum Muſkel <hirendition="#aq">b</hi> ge-<lb/>
than wuͤrde, die uͤbrige Kraft des Beugers in <hirendition="#aq">a — c</hi> die<lb/>
Kraft des Ausſtrekkers in <hirendition="#aq">a</hi> = <hirendition="#aq">c</hi> verwandelt werden, und<lb/>ſo wuͤrde das Uebergewichte des Ausſtrekkers ſein = 2 <hirendition="#aq">c,</hi><lb/>
weil keine neue Kraft erzeugt worden, und um deſto groͤſ-<lb/>ſer wuͤrde das Uebergewichte ſein, folglich waͤre die wirk-<lb/>ſame Kraft des ausſtrekkenden Muſkels um deſto ſtaͤrker,<lb/>
je groͤſſer die Gewalt <hirendition="#aq">c</hi> zu <hirendition="#aq">a</hi> iſt. Und wenn <hirendition="#aq">c = a</hi> waͤre<lb/>
oder wenn man die ganze Kraft des Beugers vernichtete,<lb/>ſo wuͤrde uͤberhaupt die Kraft, welche nunmehr im Aus-<lb/>ſtrekker ganz iſt, gedoppelt ſo gros, gegen diejenige ſein,<lb/>
welche vorher in ihm verborgen war.</p><lb/><p>Viele beruͤmte Maͤnner <notexml:id="f19"next="#f20"place="foot"n="(c)"><cb/><hirendition="#aq"><hirendition="#g">PERRAULT</hi> Mecan. des<lb/>
anim. t. 3. f. 2. p. 72. ſeqq. et du<lb/>
mouvem. periſtalt.</hi> Doch es ſchreibt<lb/><fwplace="bottom"type="catch">die-</fw></note> haben ſich dieſer oder einer<lb/>
aͤnlichen Auslegungsart bedienet, die Bewegungen durch<lb/>
die Muſkeln zu erlaͤutern.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[110/0128]
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
men wuͤrde. Wenn man ſolchergeſtalt den Beuger er-
ſchlaffen lieſſe, und blos mit der einzigen Nervenkraft den
Ausſtrekker reizte, ſo koͤnnten von dem Zutritte eines noch
ſo kleinen neuen Theilgen, groſſe Bewegungen erfolgen,
daß dieſe erfolgen, haben wir durch einen Verſuch gezeigt
(a), und ich habe dergleichen an todten Koͤrpern wirklich
geſehen. Daß kraft des Willens der zuſammenziehenden
Kraft der Muſkeln wirklich etwas benommen werden koͤnne,
haben einige, an ſich ſelbſt leicht, warzunehmen geglaubt
(b), wenn ſie z. E. um die Laſt abzulegen, den Ruͤkken
und Kopf nach vorne ſinken laſſen, indem dieſe Bewe-
gung nicht von dem ſchnell wirkenden Gewichte, noch von
einiger Gewalt der Beuger, denn dieſe ruhen zu der Zeit,
ſondern von der Erſchlaffung der Ausſtrekker erhalten wird.
Wenn daher die Kraft des Ausſtrekkers a waͤre, die Kraft
des Ausſtrekkers b = a, ſo koͤnnte, wenn man von a erſt
welchen Theil der Nervenſtaͤrke c abnaͤme, und ohne eine
neue Kraft, wenn eine gleiche Kraft c zum Muſkel b ge-
than wuͤrde, die uͤbrige Kraft des Beugers in a — c die
Kraft des Ausſtrekkers in a = c verwandelt werden, und
ſo wuͤrde das Uebergewichte des Ausſtrekkers ſein = 2 c,
weil keine neue Kraft erzeugt worden, und um deſto groͤſ-
ſer wuͤrde das Uebergewichte ſein, folglich waͤre die wirk-
ſame Kraft des ausſtrekkenden Muſkels um deſto ſtaͤrker,
je groͤſſer die Gewalt c zu a iſt. Und wenn c = a waͤre
oder wenn man die ganze Kraft des Beugers vernichtete,
ſo wuͤrde uͤberhaupt die Kraft, welche nunmehr im Aus-
ſtrekker ganz iſt, gedoppelt ſo gros, gegen diejenige ſein,
welche vorher in ihm verborgen war.
Viele beruͤmte Maͤnner (c) haben ſich dieſer oder einer
aͤnlichen Auslegungsart bedienet, die Bewegungen durch
die Muſkeln zu erlaͤutern.
Es
(a)
pag. 447.
(b) WINSLOW Mem. de
1720. p. 86.
(c)
PERRAULT Mecan. des
anim. t. 3. f. 2. p. 72. ſeqq. et du
mouvem. periſtalt. Doch es ſchreibt
die-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/128>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.