Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
III. Abschnitt. Der Schlaf.
§. 4
Die Ursachen des Schlafes.

Nach dem Naturgesezze bringt die Arbeit, welche
wachende Personen verrichten, den Schlaf hervor, und
es verhält sich beinahe die Nothwendigkeit zu schlafen, wie
die Geschäftigkeit am Tage. Daher fliehet dieser süsse
Palsam die Palläste der müßigen Grossen, und bethauet
die Hütte der Landleute. Daher geniessen Kinder, die
immer munter sind, eine leichte und sanfte Ruhe. Und
davon rührt der unwiderstehliche Trieb zum Schlafe her,
indem dieses eine der vornehmsten Ursachen mit war, wa-
rum die tapfern Engländer, die man in eins weg allar-
mirte, das Fort S. Philipp nicht länger beschüzzen konn-
ten (d*), da sie kaum mehr das Gewehr halten konnten,
Saldaten unter dem Donner des schweren Geschüzzes (e)
schläfrig werden, und die Elenden, welche die Officiers
vom Schlafe abhielten (f), nachdem sie lange, einmal wie-
der zu schlafen, Verlangen getragen, endlich mitten un-
ter den Schlägen einschliefen. Auf ein dreitägiges Tan-
zen folgte ein Schlaf von vier Tagen (g). Ein verloh-
ren gegangenes Mädchen, welches man sieben Tage dar-
auf wieder fand, hatte die ganze Zeit über geschlafen, wie
ich glaube vor Ermüdung (h). Vom langen Wachen er-
folgte eine Schlafsucht (i). Unter die stärksten Entkräf-
tungen gehört der Schlaf auf die Tortur (k), welcher
fast tödtlich ist (l).

Die zwote Ursache zum Schlafe, die aber etwas we-
niger wirksam ist, aber doch das ganze thierische Reich
angeht (m), ist das Essen, indem ein wohlgefütterter

Polipe
(d*) [Spaltenumbruch] Lond. Magaz. 1757. p. 541.
(e) BOERHAAVE morb. nerv.
p.
644.
(f) FRIKE Ostind. Reisebesch.
p.
99.
(g) SCHNEIDER de Catarrh III.
p. 475. SALMUTH III. n.
66.
(h) [Spaltenumbruch] Eph. Nat. Cur. Dec. I. ann.
8. obs.
68.
(i) AMAT Cent. I. Cur. 9.
(k) LABAT Voy. d'Ital. T. VII.
p. 5. SCLAMOVIUS ad HORST
Ep. p.
415.
(l) LABAT l. c.
(m) LISTER humor. p. 145.
III. Abſchnitt. Der Schlaf.
§. 4
Die Urſachen des Schlafes.

Nach dem Naturgeſezze bringt die Arbeit, welche
wachende Perſonen verrichten, den Schlaf hervor, und
es verhaͤlt ſich beinahe die Nothwendigkeit zu ſchlafen, wie
die Geſchaͤftigkeit am Tage. Daher fliehet dieſer ſuͤſſe
Palſam die Pallaͤſte der muͤßigen Groſſen, und bethauet
die Huͤtte der Landleute. Daher genieſſen Kinder, die
immer munter ſind, eine leichte und ſanfte Ruhe. Und
davon ruͤhrt der unwiderſtehliche Trieb zum Schlafe her,
indem dieſes eine der vornehmſten Urſachen mit war, wa-
rum die tapfern Englaͤnder, die man in eins weg allar-
mirte, das Fort S. Philipp nicht laͤnger beſchuͤzzen konn-
ten (d*), da ſie kaum mehr das Gewehr halten konnten,
Saldaten unter dem Donner des ſchweren Geſchuͤzzes (e)
ſchlaͤfrig werden, und die Elenden, welche die Officiers
vom Schlafe abhielten (f), nachdem ſie lange, einmal wie-
der zu ſchlafen, Verlangen getragen, endlich mitten un-
ter den Schlaͤgen einſchliefen. Auf ein dreitaͤgiges Tan-
zen folgte ein Schlaf von vier Tagen (g). Ein verloh-
ren gegangenes Maͤdchen, welches man ſieben Tage dar-
auf wieder fand, hatte die ganze Zeit uͤber geſchlafen, wie
ich glaube vor Ermuͤdung (h). Vom langen Wachen er-
folgte eine Schlafſucht (i). Unter die ſtaͤrkſten Entkraͤf-
tungen gehoͤrt der Schlaf auf die Tortur (k), welcher
faſt toͤdtlich iſt (l).

Die zwote Urſache zum Schlafe, die aber etwas we-
niger wirkſam iſt, aber doch das ganze thieriſche Reich
angeht (m), iſt das Eſſen, indem ein wohlgefuͤtterter

Polipe
(d*) [Spaltenumbruch] Lond. Magaz. 1757. p. 541.
(e) BOERHAAVE morb. nerv.
p.
644.
(f) FRIKE Oſtind. Reiſebeſch.
p.
99.
(g) SCHNEIDER de Catarrh III.
p. 475. SALMUTH III. n.
66.
(h) [Spaltenumbruch] Eph. Nat. Cur. Dec. I. ann.
8. obſ.
68.
(i) AMAT Cent. I. Cur. 9.
(k) LABAT Voy. d’Ital. T. VII.
p. 5. SCLAMOVIUS ad HORST
Ep. p.
415.
(l) LABAT l. c.
(m) LISTER humor. p. 145.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f1165" n="1147"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Der Schlaf.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 4<lb/>
Die Ur&#x017F;achen des Schlafes.</head><lb/>
            <p>Nach dem Naturge&#x017F;ezze bringt die Arbeit, welche<lb/>
wachende Per&#x017F;onen verrichten, den Schlaf hervor, und<lb/>
es verha&#x0364;lt &#x017F;ich beinahe die Nothwendigkeit zu &#x017F;chlafen, wie<lb/>
die Ge&#x017F;cha&#x0364;ftigkeit am Tage. Daher fliehet die&#x017F;er &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Pal&#x017F;am die Palla&#x0364;&#x017F;te der mu&#x0364;ßigen Gro&#x017F;&#x017F;en, und bethauet<lb/>
die Hu&#x0364;tte der Landleute. Daher genie&#x017F;&#x017F;en Kinder, die<lb/>
immer munter &#x017F;ind, eine leichte und &#x017F;anfte Ruhe. Und<lb/>
davon ru&#x0364;hrt der unwider&#x017F;tehliche Trieb zum Schlafe her,<lb/>
indem die&#x017F;es eine der vornehm&#x017F;ten Ur&#x017F;achen mit war, wa-<lb/>
rum die tapfern Engla&#x0364;nder, die man in eins weg allar-<lb/>
mirte, das Fort S. Philipp nicht la&#x0364;nger be&#x017F;chu&#x0364;zzen konn-<lb/>
ten <note place="foot" n="(d*)"><cb/><hi rendition="#aq">Lond. Magaz. 1757. p.</hi> 541.</note>, da &#x017F;ie kaum mehr das Gewehr halten konnten,<lb/>
Saldaten unter dem Donner des &#x017F;chweren Ge&#x017F;chu&#x0364;zzes <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq">BOERHAAVE morb. nerv.<lb/>
p.</hi> 644.</note><lb/>
&#x017F;chla&#x0364;frig werden, und die Elenden, welche die Officiers<lb/>
vom Schlafe abhielten <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq">FRIKE O&#x017F;tind. Rei&#x017F;ebe&#x017F;ch.<lb/>
p.</hi> 99.</note>, nachdem &#x017F;ie lange, einmal wie-<lb/>
der zu &#x017F;chlafen, Verlangen getragen, endlich mitten un-<lb/>
ter den Schla&#x0364;gen ein&#x017F;chliefen. Auf ein dreita&#x0364;giges Tan-<lb/>
zen folgte ein Schlaf von vier Tagen <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq">SCHNEIDER de Catarrh III.<lb/>
p. 475. SALMUTH III. n.</hi> 66.</note>. Ein verloh-<lb/>
ren gegangenes Ma&#x0364;dchen, welches man &#x017F;ieben Tage dar-<lb/>
auf wieder fand, hatte die ganze Zeit u&#x0364;ber ge&#x017F;chlafen, wie<lb/>
ich glaube vor Ermu&#x0364;dung <note place="foot" n="(h)"><cb/><hi rendition="#aq">Eph. Nat. Cur. Dec. I. ann.<lb/>
8. ob&#x017F;.</hi> 68.</note>. Vom langen Wachen er-<lb/>
folgte eine Schlaf&#x017F;ucht <note place="foot" n="(i)"><hi rendition="#aq">AMAT Cent. I. Cur.</hi> 9.</note>. Unter die &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Entkra&#x0364;f-<lb/>
tungen geho&#x0364;rt der Schlaf auf die Tortur <note place="foot" n="(k)"><hi rendition="#aq">LABAT Voy. d&#x2019;Ital. T. VII.<lb/>
p. 5. SCLAMOVIUS ad HORST<lb/>
Ep. p.</hi> 415.</note>, welcher<lb/>
fa&#x017F;t to&#x0364;dtlich i&#x017F;t <note place="foot" n="(l)"><hi rendition="#aq">LABAT l. c.</hi></note>.</p><lb/>
            <p>Die zwote Ur&#x017F;ache zum Schlafe, die aber etwas we-<lb/>
niger wirk&#x017F;am i&#x017F;t, aber doch das ganze thieri&#x017F;che Reich<lb/>
angeht <note place="foot" n="(m)"><hi rendition="#aq">LISTER humor. p.</hi> 145.</note>, i&#x017F;t das E&#x017F;&#x017F;en, indem ein wohlgefu&#x0364;tterter<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Polipe</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1147/1165] III. Abſchnitt. Der Schlaf. §. 4 Die Urſachen des Schlafes. Nach dem Naturgeſezze bringt die Arbeit, welche wachende Perſonen verrichten, den Schlaf hervor, und es verhaͤlt ſich beinahe die Nothwendigkeit zu ſchlafen, wie die Geſchaͤftigkeit am Tage. Daher fliehet dieſer ſuͤſſe Palſam die Pallaͤſte der muͤßigen Groſſen, und bethauet die Huͤtte der Landleute. Daher genieſſen Kinder, die immer munter ſind, eine leichte und ſanfte Ruhe. Und davon ruͤhrt der unwiderſtehliche Trieb zum Schlafe her, indem dieſes eine der vornehmſten Urſachen mit war, wa- rum die tapfern Englaͤnder, die man in eins weg allar- mirte, das Fort S. Philipp nicht laͤnger beſchuͤzzen konn- ten (d*), da ſie kaum mehr das Gewehr halten konnten, Saldaten unter dem Donner des ſchweren Geſchuͤzzes (e) ſchlaͤfrig werden, und die Elenden, welche die Officiers vom Schlafe abhielten (f), nachdem ſie lange, einmal wie- der zu ſchlafen, Verlangen getragen, endlich mitten un- ter den Schlaͤgen einſchliefen. Auf ein dreitaͤgiges Tan- zen folgte ein Schlaf von vier Tagen (g). Ein verloh- ren gegangenes Maͤdchen, welches man ſieben Tage dar- auf wieder fand, hatte die ganze Zeit uͤber geſchlafen, wie ich glaube vor Ermuͤdung (h). Vom langen Wachen er- folgte eine Schlafſucht (i). Unter die ſtaͤrkſten Entkraͤf- tungen gehoͤrt der Schlaf auf die Tortur (k), welcher faſt toͤdtlich iſt (l). Die zwote Urſache zum Schlafe, die aber etwas we- niger wirkſam iſt, aber doch das ganze thieriſche Reich angeht (m), iſt das Eſſen, indem ein wohlgefuͤtterter Polipe (d*) Lond. Magaz. 1757. p. 541. (e) BOERHAAVE morb. nerv. p. 644. (f) FRIKE Oſtind. Reiſebeſch. p. 99. (g) SCHNEIDER de Catarrh III. p. 475. SALMUTH III. n. 66. (h) Eph. Nat. Cur. Dec. I. ann. 8. obſ. 68. (i) AMAT Cent. I. Cur. 9. (k) LABAT Voy. d’Ital. T. VII. p. 5. SCLAMOVIUS ad HORST Ep. p. 415. (l) LABAT l. c. (m) LISTER humor. p. 145.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1165
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1165>, abgerufen am 20.11.2024.