Töne hat. Hingegen äussern sich sonderlich im Angesich- te die Kennzeichen der Affekten, die sich so leicht lesen lassen, daß die Mahler alle Gemüthsbewegungen blos durch das Gesicht, und wenn man dieses von der Seite ansieht, sehr wohl auszudrükken verstehen. Diese Spe- culation ist artig, und wir wollen ihre erste Grundstriche zeichnen.
Die Liebe, und Bewunderung giebt sich durch eine in die Höhe gezogne ausgedehnte Stirn, und durch Augen, welche wie die Augenlieder, in die Höhe steigen, zu er- kennen. Hier wirket der Muskel des Hinterkopfes, und der gerade obere Augenmuskel, wie auch der Hebemuskel des Augenliedes (c). Die Neugierde und Bewunderung eines Redners, öffnet zugleich den Mund, damit die klin- gende Luft zur Trompete gelangen möge (c*).
Die Freude, und das Lachen (d), verschliest fast die Augen, es wird der Mundwinkel in die Höhe gezogen, man runzelt die Haut der Nase, und der Mund wird durch den Trompeter und Lachmuskel verzerrt. An vie- len Personen entsteht alsdann eine Grube an der Wange, und vermehrt die Anmuth, indem dieses, wie ich davor halte, zwischen den schwellenden Jochmuskeln vorgeht.
Jm Weinen (e), und trauriger Leidenschaft, ziehet sich die Unterleffze herab, daß das Gesicht länger zu werden scheint, es verzerren sich die Leffzenwinkel vermittelst der dreiekkigen Muskel; es ist das Auge geschlossen, und es verbirgt sich der Augenstern unter das obere Augenlied.
Jm Zorn und Hasse, erregt sich die Unterleffze über die Oberlippe; die Stirn senkt sich herab, und bezieht sich mit Runzeln.
Die Verachtung macht ein ungleiches Gesicht, indem sich das eine Auge fast schliest, und das andre spöttisch herabsieht (e*)
Jm
(c)[Spaltenumbruch]Add. PARSONS on phy- siognom. p. 53.
(c*)IDEM p. 54.
(d)[Spaltenumbruch]PARSONS ibid. p. 72.
(e)IDEM p. 77.
(e*)Conf. IDEM. p. 64.
Der Wille. XVII. Buch.
Toͤne hat. Hingegen aͤuſſern ſich ſonderlich im Angeſich- te die Kennzeichen der Affekten, die ſich ſo leicht leſen laſſen, daß die Mahler alle Gemuͤthsbewegungen blos durch das Geſicht, und wenn man dieſes von der Seite anſieht, ſehr wohl auszudruͤkken verſtehen. Dieſe Spe- culation iſt artig, und wir wollen ihre erſte Grundſtriche zeichnen.
Die Liebe, und Bewunderung giebt ſich durch eine in die Hoͤhe gezogne ausgedehnte Stirn, und durch Augen, welche wie die Augenlieder, in die Hoͤhe ſteigen, zu er- kennen. Hier wirket der Muſkel des Hinterkopfes, und der gerade obere Augenmuſkel, wie auch der Hebemuſkel des Augenliedes (c). Die Neugierde und Bewunderung eines Redners, oͤffnet zugleich den Mund, damit die klin- gende Luft zur Trompete gelangen moͤge (c*).
Die Freude, und das Lachen (d), verſchlieſt faſt die Augen, es wird der Mundwinkel in die Hoͤhe gezogen, man runzelt die Haut der Naſe, und der Mund wird durch den Trompeter und Lachmuſkel verzerrt. An vie- len Perſonen entſteht alsdann eine Grube an der Wange, und vermehrt die Anmuth, indem dieſes, wie ich davor halte, zwiſchen den ſchwellenden Jochmuſkeln vorgeht.
Jm Weinen (e), und trauriger Leidenſchaft, ziehet ſich die Unterleffze herab, daß das Geſicht laͤnger zu werden ſcheint, es verzerren ſich die Leffzenwinkel vermittelſt der dreiekkigen Muſkel; es iſt das Auge geſchloſſen, und es verbirgt ſich der Augenſtern unter das obere Augenlied.
Jm Zorn und Haſſe, erregt ſich die Unterleffze uͤber die Oberlippe; die Stirn ſenkt ſich herab, und bezieht ſich mit Runzeln.
Die Verachtung macht ein ungleiches Geſicht, indem ſich das eine Auge faſt ſchlieſt, und das andre ſpoͤttiſch herabſieht (e*)
Jm
(c)[Spaltenumbruch]Add. PARSONS on phy- ſiognom. p. 53.
(c*)IDEM p. 54.
(d)[Spaltenumbruch]PARSONS ibid. p. 72.
(e)IDEM p. 77.
(e*)Conf. IDEM. p. 64.
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Der Wille. XVII. Buch.
Toͤne hat. Hingegen aͤuſſern ſich ſonderlich im Angeſich-
te die Kennzeichen der Affekten, die ſich ſo leicht leſen
laſſen, daß die Mahler alle Gemuͤthsbewegungen blos
durch das Geſicht, und wenn man dieſes von der Seite
anſieht, ſehr wohl auszudruͤkken verſtehen. Dieſe Spe-
culation iſt artig, und wir wollen ihre erſte Grundſtriche
zeichnen.
Die Liebe, und Bewunderung giebt ſich durch eine in
die Hoͤhe gezogne ausgedehnte Stirn, und durch Augen,
welche wie die Augenlieder, in die Hoͤhe ſteigen, zu er-
kennen. Hier wirket der Muſkel des Hinterkopfes, und
der gerade obere Augenmuſkel, wie auch der Hebemuſkel
des Augenliedes (c). Die Neugierde und Bewunderung
eines Redners, oͤffnet zugleich den Mund, damit die klin-
gende Luft zur Trompete gelangen moͤge (c*).
Die Freude, und das Lachen (d), verſchlieſt faſt die
Augen, es wird der Mundwinkel in die Hoͤhe gezogen,
man runzelt die Haut der Naſe, und der Mund wird
durch den Trompeter und Lachmuſkel verzerrt. An vie-
len Perſonen entſteht alsdann eine Grube an der Wange,
und vermehrt die Anmuth, indem dieſes, wie ich davor
halte, zwiſchen den ſchwellenden Jochmuſkeln vorgeht.
Jm Weinen (e), und trauriger Leidenſchaft, ziehet ſich
die Unterleffze herab, daß das Geſicht laͤnger zu werden
ſcheint, es verzerren ſich die Leffzenwinkel vermittelſt der
dreiekkigen Muſkel; es iſt das Auge geſchloſſen, und es
verbirgt ſich der Augenſtern unter das obere Augenlied.
Jm Zorn und Haſſe, erregt ſich die Unterleffze uͤber
die Oberlippe; die Stirn ſenkt ſich herab, und bezieht ſich
mit Runzeln.
Die Verachtung macht ein ungleiches Geſicht, indem
ſich das eine Auge faſt ſchlieſt, und das andre ſpoͤttiſch
herabſieht (e*)
Jm
(c)
Add. PARSONS on phy-
ſiognom. p. 53.
(c*) IDEM p. 54.
(d)
PARSONS ibid. p. 72.
(e) IDEM p. 77.
(e*) Conf. IDEM. p. 64.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1152>, abgerufen am 23.11.2024.
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