Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite




Zweiter Abschnitt.
Der Wille.


§. 1.
Der Schmerz.

Man könnte den Verstand mit dem Lichte, den Wil-
len mit dem Feuer in Vergleichung stellen. Je-
ner wirkt auf eine sanfte Art; hingegen der Wil-
le mit grosser Heftigkeit. Die den Thieren anerschaffne
Natur beruht auf der Empfindung, und dem Wollen (g).
Es ist der Wille eine Handlung der Seele, vermöge
welcher sie ihren Zustand, einem andern Zustande vor-
zieht (h). Und gut ist dasjenige, was wir bei uns zu sein,
und übel, was wir von uns entfernt zu sein wünschen.

Jn körperlichen Dingen ist der Schmerz das gröste
und wirkliche Uebel, welches wir zu meiden suchen; indes-
sen fallen uns doch auch andre Dinge noch beschwerlich.
Es ist aber der Schmerz, eine jede, so starke Empfin-
dung (i), daß die Seele veranlast wird, dieselbe weit
von sich weg zu wünschen. Man wird sagen, ich circulire
mit meinen Erklärungen; wir haben aber keinen andern
Terminus.

Jn Schmerz verwandelt sich ein übermäßiges Licht,
ein scharfer Geschmakk, ein starkes Reiben der Haut.
Die von ihrem Oberhäutchen entblöste Haut schmerzt,
wenn man sie gleicht mit einem noch so weichen Tuche zu-
dekkt. Es verursacht das Licht, die Luft, und die lebhaf-
te Farbe bei wasserscheuen Personen Schmerzen, weil ihre
Nerven empfindlicher sind (i*).

Viele
(g) [Spaltenumbruch] BASTER uytspanning. T. I.
pag.
64.
(h) BONNET p. 115.
(i) HARTLEY p. 35. GORTER
Chirurg. p.
189.
(i*) [Spaltenumbruch] Lond. mag. 1735. pag. 291.
Iourn. de med. T. III. n. 3. add. p.
nost.
559.




Zweiter Abſchnitt.
Der Wille.


§. 1.
Der Schmerz.

Man koͤnnte den Verſtand mit dem Lichte, den Wil-
len mit dem Feuer in Vergleichung ſtellen. Je-
ner wirkt auf eine ſanfte Art; hingegen der Wil-
le mit groſſer Heftigkeit. Die den Thieren anerſchaffne
Natur beruht auf der Empfindung, und dem Wollen (g).
Es iſt der Wille eine Handlung der Seele, vermoͤge
welcher ſie ihren Zuſtand, einem andern Zuſtande vor-
zieht (h). Und gut iſt dasjenige, was wir bei uns zu ſein,
und uͤbel, was wir von uns entfernt zu ſein wuͤnſchen.

Jn koͤrperlichen Dingen iſt der Schmerz das groͤſte
und wirkliche Uebel, welches wir zu meiden ſuchen; indeſ-
ſen fallen uns doch auch andre Dinge noch beſchwerlich.
Es iſt aber der Schmerz, eine jede, ſo ſtarke Empfin-
dung (i), daß die Seele veranlaſt wird, dieſelbe weit
von ſich weg zu wuͤnſchen. Man wird ſagen, ich circulire
mit meinen Erklaͤrungen; wir haben aber keinen andern
Terminus.

Jn Schmerz verwandelt ſich ein uͤbermaͤßiges Licht,
ein ſcharfer Geſchmakk, ein ſtarkes Reiben der Haut.
Die von ihrem Oberhaͤutchen entbloͤſte Haut ſchmerzt,
wenn man ſie gleicht mit einem noch ſo weichen Tuche zu-
dekkt. Es verurſacht das Licht, die Luft, und die lebhaf-
te Farbe bei waſſerſcheuen Perſonen Schmerzen, weil ihre
Nerven empfindlicher ſind (i*).

Viele
(g) [Spaltenumbruch] BASTER uytſpanning. T. I.
pag.
64.
(h) BONNET p. 115.
(i) HARTLEY p. 35. GORTER
Chirurg. p.
189.
(i*) [Spaltenumbruch] Lond. mag. 1735. pag. 291.
Iourn. de med. T. III. n. 3. add. p.
noſt.
559.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f1128" n="1110"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Zweiter Ab&#x017F;chnitt.<lb/>
Der Wille.</hi> </hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">§. 1.<lb/>
Der Schmerz.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">M</hi>an ko&#x0364;nnte den Ver&#x017F;tand mit dem Lichte, den Wil-<lb/>
len mit dem Feuer in Vergleichung &#x017F;tellen. Je-<lb/>
ner wirkt auf eine &#x017F;anfte Art; hingegen der Wil-<lb/>
le mit gro&#x017F;&#x017F;er Heftigkeit. Die den Thieren aner&#x017F;chaffne<lb/>
Natur beruht auf der Empfindung, und dem Wollen <note place="foot" n="(g)"><cb/><hi rendition="#aq">BASTER uyt&#x017F;panning. T. I.<lb/>
pag.</hi> 64.</note>.<lb/>
Es i&#x017F;t der <hi rendition="#fr">Wille</hi> eine Handlung der Seele, vermo&#x0364;ge<lb/>
welcher &#x017F;ie ihren Zu&#x017F;tand, einem andern Zu&#x017F;tande vor-<lb/>
zieht <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#aq">BONNET p.</hi> 115.</note>. Und <hi rendition="#fr">gut</hi> i&#x017F;t dasjenige, was wir bei uns zu &#x017F;ein,<lb/>
und <hi rendition="#fr">u&#x0364;bel,</hi> was wir von uns entfernt zu &#x017F;ein wu&#x0364;n&#x017F;chen.</p><lb/>
            <p>Jn ko&#x0364;rperlichen Dingen i&#x017F;t der <hi rendition="#fr">Schmerz</hi> das gro&#x0364;&#x017F;te<lb/>
und wirkliche Uebel, welches wir zu meiden &#x017F;uchen; inde&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en fallen uns doch auch andre Dinge noch be&#x017F;chwerlich.<lb/>
Es i&#x017F;t aber der Schmerz, eine jede, &#x017F;o &#x017F;tarke Empfin-<lb/>
dung <note place="foot" n="(i)"><hi rendition="#aq">HARTLEY p. 35. GORTER<lb/>
Chirurg. p.</hi> 189.</note>, daß die Seele veranla&#x017F;t wird, die&#x017F;elbe weit<lb/>
von &#x017F;ich weg zu wu&#x0364;n&#x017F;chen. Man wird &#x017F;agen, ich circulire<lb/>
mit meinen Erkla&#x0364;rungen; wir haben aber keinen andern<lb/>
Terminus.</p><lb/>
            <p>Jn Schmerz verwandelt &#x017F;ich ein u&#x0364;berma&#x0364;ßiges Licht,<lb/>
ein &#x017F;charfer Ge&#x017F;chmakk, ein &#x017F;tarkes Reiben der Haut.<lb/>
Die von ihrem Oberha&#x0364;utchen entblo&#x0364;&#x017F;te Haut &#x017F;chmerzt,<lb/>
wenn man &#x017F;ie gleicht mit einem noch &#x017F;o weichen Tuche zu-<lb/>
dekkt. Es verur&#x017F;acht das Licht, die Luft, und die lebhaf-<lb/>
te Farbe bei wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;cheuen Per&#x017F;onen Schmerzen, weil ihre<lb/>
Nerven empfindlicher &#x017F;ind <note place="foot" n="(i*)"><cb/><hi rendition="#aq">Lond. mag. 1735. pag. 291.<lb/>
Iourn. de med. T. III. n. 3. add. p.<lb/>
no&#x017F;t.</hi> 559.</note>.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Viele</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1110/1128] Zweiter Abſchnitt. Der Wille. §. 1. Der Schmerz. Man koͤnnte den Verſtand mit dem Lichte, den Wil- len mit dem Feuer in Vergleichung ſtellen. Je- ner wirkt auf eine ſanfte Art; hingegen der Wil- le mit groſſer Heftigkeit. Die den Thieren anerſchaffne Natur beruht auf der Empfindung, und dem Wollen (g). Es iſt der Wille eine Handlung der Seele, vermoͤge welcher ſie ihren Zuſtand, einem andern Zuſtande vor- zieht (h). Und gut iſt dasjenige, was wir bei uns zu ſein, und uͤbel, was wir von uns entfernt zu ſein wuͤnſchen. Jn koͤrperlichen Dingen iſt der Schmerz das groͤſte und wirkliche Uebel, welches wir zu meiden ſuchen; indeſ- ſen fallen uns doch auch andre Dinge noch beſchwerlich. Es iſt aber der Schmerz, eine jede, ſo ſtarke Empfin- dung (i), daß die Seele veranlaſt wird, dieſelbe weit von ſich weg zu wuͤnſchen. Man wird ſagen, ich circulire mit meinen Erklaͤrungen; wir haben aber keinen andern Terminus. Jn Schmerz verwandelt ſich ein uͤbermaͤßiges Licht, ein ſcharfer Geſchmakk, ein ſtarkes Reiben der Haut. Die von ihrem Oberhaͤutchen entbloͤſte Haut ſchmerzt, wenn man ſie gleicht mit einem noch ſo weichen Tuche zu- dekkt. Es verurſacht das Licht, die Luft, und die lebhaf- te Farbe bei waſſerſcheuen Perſonen Schmerzen, weil ihre Nerven empfindlicher ſind (i*). Viele (g) BASTER uytſpanning. T. I. pag. 64. (h) BONNET p. 115. (i) HARTLEY p. 35. GORTER Chirurg. p. 189. (i*) Lond. mag. 1735. pag. 291. Iourn. de med. T. III. n. 3. add. p. noſt. 559.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1128
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1128>, abgerufen am 20.11.2024.