eine anständige Weite herauskomme, oder damit die ergriffene Körper von der Erde bis zum Munde, um nur ein einziges Exempel zu geben, heraufgebracht werden mögen. Man muste, mit einem Worte, darauf sehen, daß das Gewichte einen grossen Weg, und die Gewalt einen kleinen durchlaufen möchte. Man hätte aber weder fort- schreiten oder einen Fus vor den andern sezzen, noch den untern Kinnbakken vor dem obern in die Höhe bewegen können, noch die Zunge aus dem Munde strekken mögen, wenn nicht der Muskel, welcher diese Bewegungen her- vorbringen mus, anstatt in das Ende des zu bewegenden Hebels, vielmehr in den Ruhepunkt desselben eingefugt wäre. Und indem eine menschliche Gewalt, die näher an den Ruhepunkt gebracht wird, einen kürzern Bogen, hingegen der an dem äussersten Hebeltheil angehängte Widerstand, einen grössern Bogen beschreibt, so wächset nothwendig die Geschwindigkeit in der Aufhebung des Widerstandes. Und dieses war auch die Ursache, war- um der Schöpfer sein Absehn nicht auf den Abgang (r) von der dem Ruhepunkte näher gelagerten Kraft ge- richtet hat (r*).
So war es ferner notwendig, den Ursprung der Mus- keln vom Körperstamme, und den Theilen, die dem Stamme unsers Körpers nahe liegen, und das Ende der- selben, wofern sie bewegt werden sollten, über die äussersten Gelenke herzuleiten. Wenn demnach die Bedürfnisse des Menschen ein Glied verlangten, welches sich über viele Gelenke beugen lassen muste, so geschahe es, daß der Muskel über etliche Zwischengelenke fortgeführt wurde (s).
Es musten ferner die Gliedmaßen rundlich (s*) und kegelförmig sein, damit sie nach der Reihe leichter werden
könnten,
(r)[Spaltenumbruch]Fr. BAYLE oper. pag. 94. DESAGULIERS T. I. p 157. PARENT. hist. de l'Acad. 1702. p. 97. PLUCHE spect. de la Nat. T. V. p. 136.
(r*)[Spaltenumbruch]pag. 489.
(s)pag. 493.
(s*) Von der Zierlichkeit ihrer Figur in MANGETTI theatr. pag. 35.
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
eine anſtaͤndige Weite herauskomme, oder damit die ergriffene Koͤrper von der Erde bis zum Munde, um nur ein einziges Exempel zu geben, heraufgebracht werden moͤgen. Man muſte, mit einem Worte, darauf ſehen, daß das Gewichte einen groſſen Weg, und die Gewalt einen kleinen durchlaufen moͤchte. Man haͤtte aber weder fort- ſchreiten oder einen Fus vor den andern ſezzen, noch den untern Kinnbakken vor dem obern in die Hoͤhe bewegen koͤnnen, noch die Zunge aus dem Munde ſtrekken moͤgen, wenn nicht der Muſkel, welcher dieſe Bewegungen her- vorbringen mus, anſtatt in das Ende des zu bewegenden Hebels, vielmehr in den Ruhepunkt deſſelben eingefugt waͤre. Und indem eine menſchliche Gewalt, die naͤher an den Ruhepunkt gebracht wird, einen kuͤrzern Bogen, hingegen der an dem aͤuſſerſten Hebeltheil angehaͤngte Widerſtand, einen groͤſſern Bogen beſchreibt, ſo waͤchſet nothwendig die Geſchwindigkeit in der Aufhebung des Widerſtandes. Und dieſes war auch die Urſache, war- um der Schoͤpfer ſein Abſehn nicht auf den Abgang (r) von der dem Ruhepunkte naͤher gelagerten Kraft ge- richtet hat (r*).
So war es ferner notwendig, den Urſprung der Muſ- keln vom Koͤrperſtamme, und den Theilen, die dem Stamme unſers Koͤrpers nahe liegen, und das Ende der- ſelben, wofern ſie bewegt werden ſollten, uͤber die aͤuſſerſten Gelenke herzuleiten. Wenn demnach die Beduͤrfniſſe des Menſchen ein Glied verlangten, welches ſich uͤber viele Gelenke beugen laſſen muſte, ſo geſchahe es, daß der Muſkel uͤber etliche Zwiſchengelenke fortgefuͤhrt wurde (s).
Es muſten ferner die Gliedmaßen rundlich (s*) und kegelfoͤrmig ſein, damit ſie nach der Reihe leichter werden
koͤnnten,
(r)[Spaltenumbruch]Fr. BAYLE oper. pag. 94. DESAGULIERS T. I. p 157. PARENT. hiſt. de l’Acad. 1702. p. 97. PLUCHE ſpect. de la Nat. T. V. p. 136.
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(s)pag. 493.
(s*) Von der Zierlichkeit ihrer Figur in MANGETTI theatr. pag. 35.
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Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
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ergriffene Koͤrper von der Erde bis zum Munde, um
nur ein einziges Exempel zu geben, heraufgebracht werden
moͤgen. Man muſte, mit einem Worte, darauf ſehen, daß
das Gewichte einen groſſen Weg, und die Gewalt einen
kleinen durchlaufen moͤchte. Man haͤtte aber weder fort-
ſchreiten oder einen Fus vor den andern ſezzen, noch den
untern Kinnbakken vor dem obern in die Hoͤhe bewegen
koͤnnen, noch die Zunge aus dem Munde ſtrekken moͤgen,
wenn nicht der Muſkel, welcher dieſe Bewegungen her-
vorbringen mus, anſtatt in das Ende des zu bewegenden
Hebels, vielmehr in den Ruhepunkt deſſelben eingefugt
waͤre. Und indem eine menſchliche Gewalt, die naͤher
an den Ruhepunkt gebracht wird, einen kuͤrzern Bogen,
hingegen der an dem aͤuſſerſten Hebeltheil angehaͤngte
Widerſtand, einen groͤſſern Bogen beſchreibt, ſo waͤchſet
nothwendig die Geſchwindigkeit in der Aufhebung des
Widerſtandes. Und dieſes war auch die Urſache, war-
um der Schoͤpfer ſein Abſehn nicht auf den Abgang (r)
von der dem Ruhepunkte naͤher gelagerten Kraft ge-
richtet hat (r*).
So war es ferner notwendig, den Urſprung der Muſ-
keln vom Koͤrperſtamme, und den Theilen, die dem
Stamme unſers Koͤrpers nahe liegen, und das Ende der-
ſelben, wofern ſie bewegt werden ſollten, uͤber die aͤuſſerſten
Gelenke herzuleiten. Wenn demnach die Beduͤrfniſſe des
Menſchen ein Glied verlangten, welches ſich uͤber viele
Gelenke beugen laſſen muſte, ſo geſchahe es, daß der
Muſkel uͤber etliche Zwiſchengelenke fortgefuͤhrt wurde (s).
Es muſten ferner die Gliedmaßen rundlich (s*) und
kegelfoͤrmig ſein, damit ſie nach der Reihe leichter werden
koͤnnten,
(r)
Fr. BAYLE oper. pag. 94.
DESAGULIERS T. I. p 157.
PARENT. hiſt. de l’Acad. 1702.
p. 97. PLUCHE ſpect. de la
Nat. T. V. p. 136.
(r*)
pag. 489.
(s) pag. 493.
(s*) Von der Zierlichkeit ihrer
Figur in MANGETTI theatr.
pag. 35.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/112>, abgerufen am 23.11.2024.
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