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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Der Verstand. XVII. Buch.
auf denen unter öffentlicher Begläubigung, der Werth
von Gold oder Silber aufgedrükkl ist, eines eben so wirk-
lichen Reichthums, als das Gold selbst, oder Waaren die
mit dem Golde einerlei Preis haben.

Nun stellt sich unsre Seele die Empfindung vor, es
entstehet nämlich in derselben ein neuer Zustand, welcher
vorher nicht vorhanden war, und in diesem Zustande stel-
let sich, so lange derselbe währet, etwas der Seele vor,
was in der Welt vorgeht: nicht das was vorgeht, denn
es mus dasselbe oft wiederholt werden, sondern etwas,
dem Vorgegangenen ähnliches (u), welches durch ein be-
ständiges, doch willkürliches Gesezze damit verbunden ist
(x). Es ist dieses, so vorgehet, in unserm Körper eine
Berührung eines Nervens: und ausserhalb unsers Körpers
ist es irgend eine Erscheinung, die mittelst eines, unsrer
fünf Sinnen in der Seele die gegebne Veränderung her-
vorbringen kann.

Hier fangen wir an, die Seele vom Körper zu unter-
scheiden; denn was im Gehirn geschicht, ist die Bewe-
gung einer markigen Faser; und was in der Seele vor-
geht, ist eine, von dieser Bewegung höchst verschiedene
Jdee. Diese Jdee schwebt der Seele vor Augen, sie
stellt sich selbige vor, und sie ist sich bewust, daß sie sich
dieselbe vorstellt; übrigens ist ihr alle Bewegung, so im
Gehirn, oder Nerven vorgefallen, völlig unbekannt (y),
so wie ein Kind, eben so gut neben mir hört, und Farben
sieht, ohne daß es weis, daß es inwendig im Ohre höret,
oder die Farben sieht, wenn es solches nicht durch Ver-
nunftschlüsse erlernt hat. Folglich ist die Seele etwas
ganz anders, als der Körper. Wäre sie ein Körper,
und könnte sie sich demohngeachtet Vorstellungen machen,
so würde sie in der That eine Bewegung im Gehirnmar-
ke, welche doch ganz allein im Körper geschicht, sich vor-

stel-
(u) [Spaltenumbruch] pag. 534.
(x) ibidem.
(y) Das Gehirn empfindet sich
[Spaltenumbruch] selbst nicht, und die Nerven ken-
nen sich selbst nicht. Lettres d' un
Americain T. VI. p.
160. 162.

Der Verſtand. XVII. Buch.
auf denen unter oͤffentlicher Beglaͤubigung, der Werth
von Gold oder Silber aufgedruͤkkl iſt, eines eben ſo wirk-
lichen Reichthums, als das Gold ſelbſt, oder Waaren die
mit dem Golde einerlei Preis haben.

Nun ſtellt ſich unſre Seele die Empfindung vor, es
entſtehet naͤmlich in derſelben ein neuer Zuſtand, welcher
vorher nicht vorhanden war, und in dieſem Zuſtande ſtel-
let ſich, ſo lange derſelbe waͤhret, etwas der Seele vor,
was in der Welt vorgeht: nicht das was vorgeht, denn
es mus daſſelbe oft wiederholt werden, ſondern etwas,
dem Vorgegangenen aͤhnliches (u), welches durch ein be-
ſtaͤndiges, doch willkuͤrliches Geſezze damit verbunden iſt
(x). Es iſt dieſes, ſo vorgehet, in unſerm Koͤrper eine
Beruͤhrung eines Nervens: und auſſerhalb unſers Koͤrpers
iſt es irgend eine Erſcheinung, die mittelſt eines, unſrer
fuͤnf Sinnen in der Seele die gegebne Veraͤnderung her-
vorbringen kann.

Hier fangen wir an, die Seele vom Koͤrper zu unter-
ſcheiden; denn was im Gehirn geſchicht, iſt die Bewe-
gung einer markigen Faſer; und was in der Seele vor-
geht, iſt eine, von dieſer Bewegung hoͤchſt verſchiedene
Jdee. Dieſe Jdee ſchwebt der Seele vor Augen, ſie
ſtellt ſich ſelbige vor, und ſie iſt ſich bewuſt, daß ſie ſich
dieſelbe vorſtellt; uͤbrigens iſt ihr alle Bewegung, ſo im
Gehirn, oder Nerven vorgefallen, voͤllig unbekannt (y),
ſo wie ein Kind, eben ſo gut neben mir hoͤrt, und Farben
ſieht, ohne daß es weis, daß es inwendig im Ohre hoͤret,
oder die Farben ſieht, wenn es ſolches nicht durch Ver-
nunftſchluͤſſe erlernt hat. Folglich iſt die Seele etwas
ganz anders, als der Koͤrper. Waͤre ſie ein Koͤrper,
und koͤnnte ſie ſich demohngeachtet Vorſtellungen machen,
ſo wuͤrde ſie in der That eine Bewegung im Gehirnmar-
ke, welche doch ganz allein im Koͤrper geſchicht, ſich vor-

ſtel-
(u) [Spaltenumbruch] pag. 534.
(x) ibidem.
(y) Das Gehirn empfindet ſich
[Spaltenumbruch] ſelbſt nicht, und die Nerven ken-
nen ſich ſelbſt nicht. Lettres d’ un
Americain T. VI. p.
160. 162.
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[1052/1070] Der Verſtand. XVII. Buch. auf denen unter oͤffentlicher Beglaͤubigung, der Werth von Gold oder Silber aufgedruͤkkl iſt, eines eben ſo wirk- lichen Reichthums, als das Gold ſelbſt, oder Waaren die mit dem Golde einerlei Preis haben. Nun ſtellt ſich unſre Seele die Empfindung vor, es entſtehet naͤmlich in derſelben ein neuer Zuſtand, welcher vorher nicht vorhanden war, und in dieſem Zuſtande ſtel- let ſich, ſo lange derſelbe waͤhret, etwas der Seele vor, was in der Welt vorgeht: nicht das was vorgeht, denn es mus daſſelbe oft wiederholt werden, ſondern etwas, dem Vorgegangenen aͤhnliches (u), welches durch ein be- ſtaͤndiges, doch willkuͤrliches Geſezze damit verbunden iſt (x). Es iſt dieſes, ſo vorgehet, in unſerm Koͤrper eine Beruͤhrung eines Nervens: und auſſerhalb unſers Koͤrpers iſt es irgend eine Erſcheinung, die mittelſt eines, unſrer fuͤnf Sinnen in der Seele die gegebne Veraͤnderung her- vorbringen kann. Hier fangen wir an, die Seele vom Koͤrper zu unter- ſcheiden; denn was im Gehirn geſchicht, iſt die Bewe- gung einer markigen Faſer; und was in der Seele vor- geht, iſt eine, von dieſer Bewegung hoͤchſt verſchiedene Jdee. Dieſe Jdee ſchwebt der Seele vor Augen, ſie ſtellt ſich ſelbige vor, und ſie iſt ſich bewuſt, daß ſie ſich dieſelbe vorſtellt; uͤbrigens iſt ihr alle Bewegung, ſo im Gehirn, oder Nerven vorgefallen, voͤllig unbekannt (y), ſo wie ein Kind, eben ſo gut neben mir hoͤrt, und Farben ſieht, ohne daß es weis, daß es inwendig im Ohre hoͤret, oder die Farben ſieht, wenn es ſolches nicht durch Ver- nunftſchluͤſſe erlernt hat. Folglich iſt die Seele etwas ganz anders, als der Koͤrper. Waͤre ſie ein Koͤrper, und koͤnnte ſie ſich demohngeachtet Vorſtellungen machen, ſo wuͤrde ſie in der That eine Bewegung im Gehirnmar- ke, welche doch ganz allein im Koͤrper geſchicht, ſich vor- ſtel- (u) pag. 534. (x) ibidem. (y) Das Gehirn empfindet ſich ſelbſt nicht, und die Nerven ken- nen ſich ſelbſt nicht. Lettres d’ un Americain T. VI. p. 160. 162.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1052. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1070>, abgerufen am 23.11.2024.