schiedenheiten der Vierekken und Dreiekken an den ge- schmakkmachenden Theilchen, von der nächsten Haut nicht unterscheiden lassen. Wenn die Haut, wenn die von dem Zungenüberzuge entblöste Nerven keinen Geschmakk kosten oder unterscheiden (t), so kann auch das Gehirn eben so wenig auf diese Art durch ein fortgehendes Sistem von Nerven gerührt werden, daß es vier und dreiekkige Figu- ren empfinden sollte: und es wird wiederum, wenn man die Bekleidungen der Zunge, und die Beschaffenheit des Speichels ändert, bald dieser, bald jener Geschmakk von einem und eben demselben Objecte im Gehirn empfun- den werden (u).
Vielweniger empfindet unsre Seele die Bilder und Spuren der äusserlichen Objecte, wenn sie wirklich empfin- det. Es empfängt das Gehirn, wenn wir sehen, einige Bewegung (x), unsre Seele aber empfängt nicht ein- mal diese Bewegung, viel weniger die Entfernungen, die Grössen, und andre Dinge, welche wirklich an den Körpern, die wir sehen, vorhanden sind. So siehet das Nothe, aber nicht die Plättchen der Körper, welche rothe Strahlen reflektiren (y), nicht andre verschlukkende Strah- len, nicht die vom Körper zurükkgeworfne rothe Lichtstrah- len (z): viel weniger die schwingende (a), und mit einer gewissen Geschwindigkeit bebende Plättchen. Sie siehet das Blaue, und kleine schwache Strahlen (b), die sich mehr als die rothen brechen lassen, oder dünne zurükkbeu- gende Plättchen (c); sondern etwas, was ihr helle deucht, und was sie leicht vom Rothen unterscheiden kann, ohne dabei weder die Bauart des blauen Körpers, noch etwas von den Strahlen, die davon zurükkstrahlen zu bemerken. Sie siehet eine Kugel: aber nicht ihre Convexität, welche
man
(t)[Spaltenumbruch]pag. 114.
(u)pag. 123.
(x)L. XVII. pag. 530.
(y)L. XVI. p. 462.
(z)[Spaltenumbruch]ibidem.
(a)pag. 464.
(b)pag. 459.
(c)pag. 461.
Der Verſtand. XVII. Buch.
ſchiedenheiten der Vierekken und Dreiekken an den ge- ſchmakkmachenden Theilchen, von der naͤchſten Haut nicht unterſcheiden laſſen. Wenn die Haut, wenn die von dem Zungenuͤberzuge entbloͤſte Nerven keinen Geſchmakk koſten oder unterſcheiden (t), ſo kann auch das Gehirn eben ſo wenig auf dieſe Art durch ein fortgehendes Siſtem von Nerven geruͤhrt werden, daß es vier und dreiekkige Figu- ren empfinden ſollte: und es wird wiederum, wenn man die Bekleidungen der Zunge, und die Beſchaffenheit des Speichels aͤndert, bald dieſer, bald jener Geſchmakk von einem und eben demſelben Objecte im Gehirn empfun- den werden (u).
Vielweniger empfindet unſre Seele die Bilder und Spuren der aͤuſſerlichen Objecte, wenn ſie wirklich empfin- det. Es empfaͤngt das Gehirn, wenn wir ſehen, einige Bewegung (x), unſre Seele aber empfaͤngt nicht ein- mal dieſe Bewegung, viel weniger die Entfernungen, die Groͤſſen, und andre Dinge, welche wirklich an den Koͤrpern, die wir ſehen, vorhanden ſind. So ſiehet das Nothe, aber nicht die Plaͤttchen der Koͤrper, welche rothe Strahlen reflektiren (y), nicht andre verſchlukkende Strah- len, nicht die vom Koͤrper zuruͤkkgeworfne rothe Lichtſtrah- len (z): viel weniger die ſchwingende (a), und mit einer gewiſſen Geſchwindigkeit bebende Plaͤttchen. Sie ſiehet das Blaue, und kleine ſchwache Strahlen (b), die ſich mehr als die rothen brechen laſſen, oder duͤnne zuruͤkkbeu- gende Plaͤttchen (c); ſondern etwas, was ihr helle deucht, und was ſie leicht vom Rothen unterſcheiden kann, ohne dabei weder die Bauart des blauen Koͤrpers, noch etwas von den Strahlen, die davon zuruͤkkſtrahlen zu bemerken. Sie ſiehet eine Kugel: aber nicht ihre Convexitaͤt, welche
man
(t)[Spaltenumbruch]pag. 114.
(u)pag. 123.
(x)L. XVII. pag. 530.
(y)L. XVI. p. 462.
(z)[Spaltenumbruch]ibidem.
(a)pag. 464.
(b)pag. 459.
(c)pag. 461.
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Der Verſtand. XVII. Buch.
ſchiedenheiten der Vierekken und Dreiekken an den ge-
ſchmakkmachenden Theilchen, von der naͤchſten Haut nicht
unterſcheiden laſſen. Wenn die Haut, wenn die von dem
Zungenuͤberzuge entbloͤſte Nerven keinen Geſchmakk koſten
oder unterſcheiden (t), ſo kann auch das Gehirn eben ſo
wenig auf dieſe Art durch ein fortgehendes Siſtem von
Nerven geruͤhrt werden, daß es vier und dreiekkige Figu-
ren empfinden ſollte: und es wird wiederum, wenn man
die Bekleidungen der Zunge, und die Beſchaffenheit
des Speichels aͤndert, bald dieſer, bald jener Geſchmakk
von einem und eben demſelben Objecte im Gehirn empfun-
den werden (u).
Vielweniger empfindet unſre Seele die Bilder und
Spuren der aͤuſſerlichen Objecte, wenn ſie wirklich empfin-
det. Es empfaͤngt das Gehirn, wenn wir ſehen, einige
Bewegung (x), unſre Seele aber empfaͤngt nicht ein-
mal dieſe Bewegung, viel weniger die Entfernungen,
die Groͤſſen, und andre Dinge, welche wirklich an den
Koͤrpern, die wir ſehen, vorhanden ſind. So ſiehet das
Nothe, aber nicht die Plaͤttchen der Koͤrper, welche rothe
Strahlen reflektiren (y), nicht andre verſchlukkende Strah-
len, nicht die vom Koͤrper zuruͤkkgeworfne rothe Lichtſtrah-
len (z): viel weniger die ſchwingende (a), und mit einer
gewiſſen Geſchwindigkeit bebende Plaͤttchen. Sie ſiehet
das Blaue, und kleine ſchwache Strahlen (b), die ſich
mehr als die rothen brechen laſſen, oder duͤnne zuruͤkkbeu-
gende Plaͤttchen (c); ſondern etwas, was ihr helle deucht,
und was ſie leicht vom Rothen unterſcheiden kann, ohne
dabei weder die Bauart des blauen Koͤrpers, noch etwas
von den Strahlen, die davon zuruͤkkſtrahlen zu bemerken.
Sie ſiehet eine Kugel: aber nicht ihre Convexitaͤt, welche
man
(t)
pag. 114.
(u) pag. 123.
(x) L. XVII. pag. 530.
(y) L. XVI. p. 462.
(z)
ibidem.
(a) pag. 464.
(b) pag. 459.
(c) pag. 461.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1048. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1066>, abgerufen am 23.11.2024.
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