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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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I. Abschnitt. Der Verstand.
fortpflanze, da wir doch gezeiget haben, daß solche durch
diese Fasern nicht fortgeführt werden kann. Folglich ist
die Bewegung, welche wie wir gesagt haben, von der
Nezzhaut fortgepflanzt wird, und im Gehirn entsteht, nicht
das Bild des gesehenen Körpers (p), wie bereits gezeigt
worden: sondern es ist vielmehr, so viel wir einsehen, die
im Gehirn verursachte und von derjenigen Bewegung her-
vorgebrachte Bewegung, welche der erblikkte äusserliche
Körper in dem Auge erregt hat.

Nun ist diese in den Fäserchen des Gehirns hervorge-
brachte Bewegung, bald so, bald anders beschaffen, wenn
gleich die Gegenstände, und das Licht einerlei ist, nachdem
unser Auge mehr, oder weniger erhaben, mehr oder we-
niger zart, mehr oder weniger gefärbt ist, und was sonst
bei dem Werkzeuge des Sehens mehr vor Bedingungen
sind (q). Folglich findet zwischen den äusserlichen Kör-
pern, und zwischem dem, was im Gehirn durch ihren
Eindrukk vorgeht, zwar ein gewisses Verhältnis, aber
kein Bild, noch Maas oder Modell statt.

Es ist ferner bei dem Geschmakke des Meersalzes (r)
eine kubische Figur, und eine prismatische bei dem Ge-
schmakke des Salpeters zu gegen. Zwar behaupte ich
nicht, daß aus der Verschiedenheit dieser Figuren, auch
die Verschiedenheit in ihrem Geschmakke einzig und allein
gefolgert werden müsse (r*); allein das wird doch Nie-
mand läugnen, daß der Unterschied in der Figur der
Theile, auch einigen Einflus auf den Geschmakk selbst
habe (s). Nun legen sich also auf die Zunge, wenn sie
schmekkt, vierekkige oder runde Körperchen, an die Zun-
genwärzchen an, und es wird dadurch der Nervenbrei,
von einer gewissen Bewegung gerührt, welche nur die
Zunge allein zu leiden geschikkt ist; indem sich diese Ver-

schie-
(p) [Spaltenumbruch] PLUCHE Spect. de la natur.
T. V. p.
161. 162. Bilder behaup-
tete CARTESIUS homin. p. 133.
CEAANEN p. 576. &c.
(q) [Spaltenumbruch] pag. 519. &c.
(r) L. XIII. p. 120.
(r*) pag. 123.
(s) ibid.
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I. Abſchnitt. Der Verſtand.
fortpflanze, da wir doch gezeiget haben, daß ſolche durch
dieſe Faſern nicht fortgefuͤhrt werden kann. Folglich iſt
die Bewegung, welche wie wir geſagt haben, von der
Nezzhaut fortgepflanzt wird, und im Gehirn entſteht, nicht
das Bild des geſehenen Koͤrpers (p), wie bereits gezeigt
worden: ſondern es iſt vielmehr, ſo viel wir einſehen, die
im Gehirn verurſachte und von derjenigen Bewegung her-
vorgebrachte Bewegung, welche der erblikkte aͤuſſerliche
Koͤrper in dem Auge erregt hat.

Nun iſt dieſe in den Faͤſerchen des Gehirns hervorge-
brachte Bewegung, bald ſo, bald anders beſchaffen, wenn
gleich die Gegenſtaͤnde, und das Licht einerlei iſt, nachdem
unſer Auge mehr, oder weniger erhaben, mehr oder we-
niger zart, mehr oder weniger gefaͤrbt iſt, und was ſonſt
bei dem Werkzeuge des Sehens mehr vor Bedingungen
ſind (q). Folglich findet zwiſchen den aͤuſſerlichen Koͤr-
pern, und zwiſchem dem, was im Gehirn durch ihren
Eindrukk vorgeht, zwar ein gewiſſes Verhaͤltnis, aber
kein Bild, noch Maas oder Modell ſtatt.

Es iſt ferner bei dem Geſchmakke des Meerſalzes (r)
eine kubiſche Figur, und eine priſmatiſche bei dem Ge-
ſchmakke des Salpeters zu gegen. Zwar behaupte ich
nicht, daß aus der Verſchiedenheit dieſer Figuren, auch
die Verſchiedenheit in ihrem Geſchmakke einzig und allein
gefolgert werden muͤſſe (r*); allein das wird doch Nie-
mand laͤugnen, daß der Unterſchied in der Figur der
Theile, auch einigen Einflus auf den Geſchmakk ſelbſt
habe (s). Nun legen ſich alſo auf die Zunge, wenn ſie
ſchmekkt, vierekkige oder runde Koͤrperchen, an die Zun-
genwaͤrzchen an, und es wird dadurch der Nervenbrei,
von einer gewiſſen Bewegung geruͤhrt, welche nur die
Zunge allein zu leiden geſchikkt iſt; indem ſich dieſe Ver-

ſchie-
(p) [Spaltenumbruch] PLUCHE Spect. de la natur.
T. V. p.
161. 162. Bilder behaup-
tete CARTESIUS homin. p. 133.
CEAANEN p. 576. &c.
(q) [Spaltenumbruch] pag. 519. &c.
(r) L. XIII. p. 120.
(r*) pag. 123.
(s) ibid.
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[1047/1065] I. Abſchnitt. Der Verſtand. fortpflanze, da wir doch gezeiget haben, daß ſolche durch dieſe Faſern nicht fortgefuͤhrt werden kann. Folglich iſt die Bewegung, welche wie wir geſagt haben, von der Nezzhaut fortgepflanzt wird, und im Gehirn entſteht, nicht das Bild des geſehenen Koͤrpers (p), wie bereits gezeigt worden: ſondern es iſt vielmehr, ſo viel wir einſehen, die im Gehirn verurſachte und von derjenigen Bewegung her- vorgebrachte Bewegung, welche der erblikkte aͤuſſerliche Koͤrper in dem Auge erregt hat. Nun iſt dieſe in den Faͤſerchen des Gehirns hervorge- brachte Bewegung, bald ſo, bald anders beſchaffen, wenn gleich die Gegenſtaͤnde, und das Licht einerlei iſt, nachdem unſer Auge mehr, oder weniger erhaben, mehr oder we- niger zart, mehr oder weniger gefaͤrbt iſt, und was ſonſt bei dem Werkzeuge des Sehens mehr vor Bedingungen ſind (q). Folglich findet zwiſchen den aͤuſſerlichen Koͤr- pern, und zwiſchem dem, was im Gehirn durch ihren Eindrukk vorgeht, zwar ein gewiſſes Verhaͤltnis, aber kein Bild, noch Maas oder Modell ſtatt. Es iſt ferner bei dem Geſchmakke des Meerſalzes (r) eine kubiſche Figur, und eine priſmatiſche bei dem Ge- ſchmakke des Salpeters zu gegen. Zwar behaupte ich nicht, daß aus der Verſchiedenheit dieſer Figuren, auch die Verſchiedenheit in ihrem Geſchmakke einzig und allein gefolgert werden muͤſſe (r*); allein das wird doch Nie- mand laͤugnen, daß der Unterſchied in der Figur der Theile, auch einigen Einflus auf den Geſchmakk ſelbſt habe (s). Nun legen ſich alſo auf die Zunge, wenn ſie ſchmekkt, vierekkige oder runde Koͤrperchen, an die Zun- genwaͤrzchen an, und es wird dadurch der Nervenbrei, von einer gewiſſen Bewegung geruͤhrt, welche nur die Zunge allein zu leiden geſchikkt iſt; indem ſich dieſe Ver- ſchie- (p) PLUCHE Spect. de la natur. T. V. p. 161. 162. Bilder behaup- tete CARTESIUS homin. p. 133. CEAANEN p. 576. &c. (q) pag. 519. &c. (r) L. XIII. p. 120. (r*) pag. 123. (s) ibid. U u u 4

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1047. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1065>, abgerufen am 23.11.2024.