Es lassen sich auch die Theile eines entfernten Körpers nicht recht unterscheiden (l), theils weil ihr Bild nicht recht klar ist, theils weil diese Theile gar zu klein erschei- nen, und einen Winkel machen (m), welcher kleiner ist als derjenige, unter welchen wir deutlich sehen. Daher scheinen uns Berge nach dem Regen nahe, und bei schwu- lem Himmel entfernt zu sein, weil wir durch die gereinig- te Luft, Bäume und andere Körper gut unterscheiden, hingegen durch einen schwulen, und mit Dämpfen über- ladenen Himmel weniger Dinge erkennen können.
Hiezu könnte man noch sezzen, daß unser Auge die Distanzen der Körper weniger bemerken könne, von de- ren Distanz wir gewiß wissen, daß sie groß sei, und als- dann überzeuget uns dieselbe, daß solche Objecte entfernt sind, wenn sie uns gleich wirklich nahe zu sein scheinen. So sehen wir daß Alleen zwischen Paralellinien (n) sich von uns weit entfernen, weil die Distanz der beiden lezz- ten Bäume, von der wir wissen, daß sie groß ist, uns nur klein vorkömmt.
Dieser Hülfsmittel bedienet sich die Seele: Und ver- mittelst derselben drükken Mahler die Entfernungen der Dinge richtig, durch eine kleinere und bleiche Figur, durch Beimischung blauer Dämpfe, durch schwache und ver- worrene Umrisse, und dadurch aus, daß sie die Distan- zen grosser Dinge vermindern:
Einigermassen bedienen wir uns auch dabei einer Menge von zwischenliegenden Körpern: Denn diese deu- ten uns eine grössere Distanz an (o)(p). Daher schei- nen uns Teiche viel schmäler zu sein. Hiemit verbindet die Seele, Kraft ihrer wiederholten Erfahrung das Still-
liegen
(l)[Spaltenumbruch]La HIRE p. 536. le CLERC system. art. 21. PORTERFIELD l. c. T. II. pag. 404. 405. IURIN p. 40. le CAT p. 473. HARTLEY p. 202.
(m)p. 477. seqq.
(n)[Spaltenumbruch]Conf. SENAC l. c. p. 584.
(o)NOLLET ibid.
(p)La HIRE, HARTLEY pag. 202 CONDILLAC II. pag. 74. NOLLET Lecons T. V. p. 113.
IV. Abſchnitt. Das Sehen.
Es laſſen ſich auch die Theile eines entfernten Koͤrpers nicht recht unterſcheiden (l), theils weil ihr Bild nicht recht klar iſt, theils weil dieſe Theile gar zu klein erſchei- nen, und einen Winkel machen (m), welcher kleiner iſt als derjenige, unter welchen wir deutlich ſehen. Daher ſcheinen uns Berge nach dem Regen nahe, und bei ſchwu- lem Himmel entfernt zu ſein, weil wir durch die gereinig- te Luft, Baͤume und andere Koͤrper gut unterſcheiden, hingegen durch einen ſchwulen, und mit Daͤmpfen uͤber- ladenen Himmel weniger Dinge erkennen koͤnnen.
Hiezu koͤnnte man noch ſezzen, daß unſer Auge die Diſtanzen der Koͤrper weniger bemerken koͤnne, von de- ren Diſtanz wir gewiß wiſſen, daß ſie groß ſei, und als- dann uͤberzeuget uns dieſelbe, daß ſolche Objecte entfernt ſind, wenn ſie uns gleich wirklich nahe zu ſein ſcheinen. So ſehen wir daß Alleen zwiſchen Paralellinien (n) ſich von uns weit entfernen, weil die Diſtanz der beiden lezz- ten Baͤume, von der wir wiſſen, daß ſie groß iſt, uns nur klein vorkoͤmmt.
Dieſer Huͤlfsmittel bedienet ſich die Seele: Und ver- mittelſt derſelben druͤkken Mahler die Entfernungen der Dinge richtig, durch eine kleinere und bleiche Figur, durch Beimiſchung blauer Daͤmpfe, durch ſchwache und ver- worrene Umriſſe, und dadurch aus, daß ſie die Diſtan- zen groſſer Dinge vermindern:
Einigermaſſen bedienen wir uns auch dabei einer Menge von zwiſchenliegenden Koͤrpern: Denn dieſe deu- ten uns eine groͤſſere Diſtanz an (o)(p). Daher ſchei- nen uns Teiche viel ſchmaͤler zu ſein. Hiemit verbindet die Seele, Kraft ihrer wiederholten Erfahrung das Still-
liegen
(l)[Spaltenumbruch]La HIRE p. 536. le CLERC ſyſtem. art. 21. PORTERFIELD l. c. T. II. pag. 404. 405. IURIN p. 40. le CAT p. 473. HARTLEY p. 202.
(m)p. 477. ſeqq.
(n)[Spaltenumbruch]Conf. SENAC l. c. p. 584.
(o)NOLLET ibid.
(p)La HIRE, HARTLEY pag. 202 CONDILLAC II. pag. 74. NOLLET Leçons T. V. p. 113.
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IV. Abſchnitt. Das Sehen.
Es laſſen ſich auch die Theile eines entfernten Koͤrpers
nicht recht unterſcheiden (l), theils weil ihr Bild nicht
recht klar iſt, theils weil dieſe Theile gar zu klein erſchei-
nen, und einen Winkel machen (m), welcher kleiner iſt
als derjenige, unter welchen wir deutlich ſehen. Daher
ſcheinen uns Berge nach dem Regen nahe, und bei ſchwu-
lem Himmel entfernt zu ſein, weil wir durch die gereinig-
te Luft, Baͤume und andere Koͤrper gut unterſcheiden,
hingegen durch einen ſchwulen, und mit Daͤmpfen uͤber-
ladenen Himmel weniger Dinge erkennen koͤnnen.
Hiezu koͤnnte man noch ſezzen, daß unſer Auge die
Diſtanzen der Koͤrper weniger bemerken koͤnne, von de-
ren Diſtanz wir gewiß wiſſen, daß ſie groß ſei, und als-
dann uͤberzeuget uns dieſelbe, daß ſolche Objecte entfernt
ſind, wenn ſie uns gleich wirklich nahe zu ſein ſcheinen.
So ſehen wir daß Alleen zwiſchen Paralellinien (n) ſich
von uns weit entfernen, weil die Diſtanz der beiden lezz-
ten Baͤume, von der wir wiſſen, daß ſie groß iſt, uns
nur klein vorkoͤmmt.
Dieſer Huͤlfsmittel bedienet ſich die Seele: Und ver-
mittelſt derſelben druͤkken Mahler die Entfernungen der
Dinge richtig, durch eine kleinere und bleiche Figur, durch
Beimiſchung blauer Daͤmpfe, durch ſchwache und ver-
worrene Umriſſe, und dadurch aus, daß ſie die Diſtan-
zen groſſer Dinge vermindern:
Einigermaſſen bedienen wir uns auch dabei einer
Menge von zwiſchenliegenden Koͤrpern: Denn dieſe deu-
ten uns eine groͤſſere Diſtanz an (o) (p). Daher ſchei-
nen uns Teiche viel ſchmaͤler zu ſein. Hiemit verbindet
die Seele, Kraft ihrer wiederholten Erfahrung das Still-
liegen
(l)
La HIRE p. 536. le CLERC
ſyſtem. art. 21. PORTERFIELD
l. c. T. II. pag. 404. 405. IURIN
p. 40. le CAT p. 473. HARTLEY
p. 202.
(m) p. 477. ſeqq.
(n)
Conf. SENAC l. c. p. 584.
(o) NOLLET ibid.
(p) La HIRE, HARTLEY pag.
202 CONDILLAC II. pag. 74.
NOLLET Leçons T. V. p. 113.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1037. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1055>, abgerufen am 23.11.2024.
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