messen, beständig um so viel abnimmt (m), als sich das Object vom Auge zurükkdrükkt, so scheinen uns Kör- per, welche weit abliegen, wenn alles übrige gleich ist, allezeit kleiner zu sein, bis sie uns endlich aus den Augen verschwinden (n). Folglich muß man allemal, wenn man von der Grösse urtheilen will, die Distanz mit in Rechnung bringen (o).
Unter gleich weit entfernten Dingen, erblikken wir einen hohen Körper, z. E. einen Thurm nicht so gut, als wenn eben dieser Körper auf eine Ebene gelegt wird (p).
Wir urtheilen schlecht von dem Unterschiede entfern- ter Körper, was ihre Grösse betrift (q), daß dasjenige klein sei, wodurch sich die so kleine Bilder unterscheiden.
Es scheint auch die Seele von der grössern Empfin- dung der Nezzhaut, auf die Grösse des erblikkten Körpers zu schliessen: Daher sehen diejenigen, denen vor kurzen der Staar gestochen, und das Gesichte wiedergegeben worden, Dinge grösser (r). Es sahe auch ein Epilepti- scher, die Objecte grösser (s). Diese eingebildete Grösse mindert sich, wenn man die Empfindungen wiederholet.
Die übrigen Ursachen, warum die Seele von der Grösse der Dinge bald so, bald anders urtheilet, scheinen mir entweder zu subtil, oder auch nicht wahr zu sein. Da überhaupt die Grösse des auf der Nezzhaut abgemahlten Bildes, wenn alles übrige gleich ist, wie der Sehwinkel und wie das Maaß der Grösse beschaffen ist, so hat man sich auf eine subtile Art ausgedacht, es müsse sich alles in
einem
(m)[Spaltenumbruch]pag. 476.
(n)p. 477. seqq.
(o)NOLLET lec. de physique T. cit. p. 124.
(p)BERKLEY p. 274. Jch füh- re hier den Mond zum Exempel an. Dieser erscheint auch auf einer vollkommnen Ebene grösser, wenn er vom Horizonte des Meeres auf- [Spaltenumbruch]
geht. Folglich nicht von zwischen- liegenden Bäumen. PORTER- FIELD T. I. p. 381. S' GRAVE- ZANDE n. 3119.
(q)le CAT p. 448.
(r)CHESELDEN p. 304.
(s)Iourn. des medec. 1760. m. Nov.
T t t 4
IV. Abſchnitt. Das Sehen.
meſſen, beſtaͤndig um ſo viel abnimmt (m), als ſich das Object vom Auge zuruͤkkdruͤkkt, ſo ſcheinen uns Koͤr- per, welche weit abliegen, wenn alles uͤbrige gleich iſt, allezeit kleiner zu ſein, bis ſie uns endlich aus den Augen verſchwinden (n). Folglich muß man allemal, wenn man von der Groͤſſe urtheilen will, die Diſtanz mit in Rechnung bringen (o).
Unter gleich weit entfernten Dingen, erblikken wir einen hohen Koͤrper, z. E. einen Thurm nicht ſo gut, als wenn eben dieſer Koͤrper auf eine Ebene gelegt wird (p).
Wir urtheilen ſchlecht von dem Unterſchiede entfern- ter Koͤrper, was ihre Groͤſſe betrift (q), daß dasjenige klein ſei, wodurch ſich die ſo kleine Bilder unterſcheiden.
Es ſcheint auch die Seele von der groͤſſern Empfin- dung der Nezzhaut, auf die Groͤſſe des erblikkten Koͤrpers zu ſchlieſſen: Daher ſehen diejenigen, denen vor kurzen der Staar geſtochen, und das Geſichte wiedergegeben worden, Dinge groͤſſer (r). Es ſahe auch ein Epilepti- ſcher, die Objecte groͤſſer (s). Dieſe eingebildete Groͤſſe mindert ſich, wenn man die Empfindungen wiederholet.
Die uͤbrigen Urſachen, warum die Seele von der Groͤſſe der Dinge bald ſo, bald anders urtheilet, ſcheinen mir entweder zu ſubtil, oder auch nicht wahr zu ſein. Da uͤberhaupt die Groͤſſe des auf der Nezzhaut abgemahlten Bildes, wenn alles uͤbrige gleich iſt, wie der Sehwinkel und wie das Maaß der Groͤſſe beſchaffen iſt, ſo hat man ſich auf eine ſubtile Art ausgedacht, es muͤſſe ſich alles in
einem
(m)[Spaltenumbruch]pag. 476.
(n)p. 477. ſeqq.
(o)NOLLET lec. de phyſique T. cit. p. 124.
(p)BERKLEY p. 274. Jch fuͤh- re hier den Mond zum Exempel an. Dieſer erſcheint auch auf einer vollkommnen Ebene groͤſſer, wenn er vom Horizonte des Meeres auf- [Spaltenumbruch]
geht. Folglich nicht von zwiſchen- liegenden Baͤumen. PORTER- FIELD T. I. p. 381. S’ GRAVE- ZANDE n. 3119.
(q)le CAT p. 448.
(r)CHESELDEN p. 304.
(s)Iourn. des médec. 1760. m. Nov.
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IV. Abſchnitt. Das Sehen.
meſſen, beſtaͤndig um ſo viel abnimmt (m), als ſich das
Object vom Auge zuruͤkkdruͤkkt, ſo ſcheinen uns Koͤr-
per, welche weit abliegen, wenn alles uͤbrige gleich iſt,
allezeit kleiner zu ſein, bis ſie uns endlich aus den Augen
verſchwinden (n). Folglich muß man allemal, wenn
man von der Groͤſſe urtheilen will, die Diſtanz mit in
Rechnung bringen (o).
Unter gleich weit entfernten Dingen, erblikken wir
einen hohen Koͤrper, z. E. einen Thurm nicht ſo gut, als
wenn eben dieſer Koͤrper auf eine Ebene gelegt wird (p).
Wir urtheilen ſchlecht von dem Unterſchiede entfern-
ter Koͤrper, was ihre Groͤſſe betrift (q), daß dasjenige
klein ſei, wodurch ſich die ſo kleine Bilder unterſcheiden.
Es ſcheint auch die Seele von der groͤſſern Empfin-
dung der Nezzhaut, auf die Groͤſſe des erblikkten Koͤrpers
zu ſchlieſſen: Daher ſehen diejenigen, denen vor kurzen
der Staar geſtochen, und das Geſichte wiedergegeben
worden, Dinge groͤſſer (r). Es ſahe auch ein Epilepti-
ſcher, die Objecte groͤſſer (s). Dieſe eingebildete Groͤſſe
mindert ſich, wenn man die Empfindungen wiederholet.
Die uͤbrigen Urſachen, warum die Seele von der
Groͤſſe der Dinge bald ſo, bald anders urtheilet, ſcheinen mir
entweder zu ſubtil, oder auch nicht wahr zu ſein. Da
uͤberhaupt die Groͤſſe des auf der Nezzhaut abgemahlten
Bildes, wenn alles uͤbrige gleich iſt, wie der Sehwinkel
und wie das Maaß der Groͤſſe beſchaffen iſt, ſo hat man
ſich auf eine ſubtile Art ausgedacht, es muͤſſe ſich alles in
einem
(m)
pag. 476.
(n) p. 477. ſeqq.
(o) NOLLET lec. de phyſique
T. cit. p. 124.
(p) BERKLEY p. 274. Jch fuͤh-
re hier den Mond zum Exempel
an. Dieſer erſcheint auch auf einer
vollkommnen Ebene groͤſſer, wenn
er vom Horizonte des Meeres auf-
geht. Folglich nicht von zwiſchen-
liegenden Baͤumen. PORTER-
FIELD T. I. p. 381. S’ GRAVE-
ZANDE n. 3119.
(q) le CAT p. 448.
(r) CHESELDEN p. 304.
(s) Iourn. des médec. 1760. m.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1031. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1049>, abgerufen am 23.11.2024.
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