Es kömmt mir die Erzählung des Rzadskinski[Spaltenumbruch]k, welcher einen geköpften Menschen, das Schwerdt drei- mal bewegen, und eine dergleichen enthauptete Frauens- person eine Elle weit fortgehen läst, wunderlich vor.
Es hätte dieses von Philosophen bestätigt werden müssen, indem es, nach den gesammelten Erfahrungen, gewiß ist, daß nur alsdenn die Sinne vergehen l, und ein Mensch in Ohnmacht falle, wenn die Ursache des Uebels das Gehirn erreichtet hat. Es ist gewiß, daß der Wille, die Empfindung, und die Bewegung der übrigen Theile nicht aufhöre, wenn irgend ein anderer Theil gedruckt, durchschnitten, oder zerstöhrt worden; wenn man aber das Gehirn beschädigt, so höret dieses alles auf der Stelle auf m. Die Berichte bezeugen es, daß die zwo zusammen gewachsnen Mädgen, mit zween Köpfen, auch ein gedoppelter Wille, und verschiedne Empfindungen bemerkt worden m*, dergleichen auch von Knaben bekannt ist [Spaltenumbruch]m+. Dergleichen zusammen gewachsene Menschen haben gewöhnlicher maßen nur ein einziges Herz m++.
Daher gestehen, selbst die Vertheidiger der gegen- seitigen Meinung, welche das empfindende Wesen durch den ganzen Körper vertheilen, daß dennoch die vernünf- tige Seele ihren Sitz im Kopfe habe n.
§. 24. Folglich ist der Empfindungsquell nicht in dem ganzen Körper zu suchen.
Es schrieb Klaudius Perraulto, und zwar vor dem Stahl, daß sich die Sinnen so weit über den gan-
zen
kHist. natur. polon. p. 363. conf. p. 352. 353.
lp. 304. 305. 335. 336.
mIbidem.
m*Conf. Turner. sorce of imag. farther considerd. p. 58. 59. Torkes in phil. trans. &c.
m+Birch. T. IV. p. 41.
m++Opusc. anat. p. 181.
nR. Whytt physiol. essays p. 170. Andreae de irritabil. p. 49.
oDu toucher p. 530. du mou- vement des yeux p. 591. 592. &
prius
Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
Es koͤmmt mir die Erzaͤhlung des Rzadskinski[Spaltenumbruch]k, welcher einen gekoͤpften Menſchen, das Schwerdt drei- mal bewegen, und eine dergleichen enthauptete Frauens- perſon eine Elle weit fortgehen laͤſt, wunderlich vor.
Es haͤtte dieſes von Philoſophen beſtaͤtigt werden muͤſſen, indem es, nach den geſammelten Erfahrungen, gewiß iſt, daß nur alsdenn die Sinne vergehen l, und ein Menſch in Ohnmacht falle, wenn die Urſache des Uebels das Gehirn erreichtet hat. Es iſt gewiß, daß der Wille, die Empfindung, und die Bewegung der uͤbrigen Theile nicht aufhoͤre, wenn irgend ein anderer Theil gedruckt, durchſchnitten, oder zerſtoͤhrt worden; wenn man aber das Gehirn beſchaͤdigt, ſo hoͤret dieſes alles auf der Stelle auf m. Die Berichte bezeugen es, daß die zwo zuſammen gewachſnen Maͤdgen, mit zween Koͤpfen, auch ein gedoppelter Wille, und verſchiedne Empfindungen bemerkt worden m*, dergleichen auch von Knaben bekannt iſt [Spaltenumbruch]m†. Dergleichen zuſammen gewachſene Menſchen haben gewoͤhnlicher maßen nur ein einziges Herz m††.
Daher geſtehen, ſelbſt die Vertheidiger der gegen- ſeitigen Meinung, welche das empfindende Weſen durch den ganzen Koͤrper vertheilen, daß dennoch die vernuͤnf- tige Seele ihren Sitz im Kopfe habe n.
§. 24. Folglich iſt der Empfindungsquell nicht in dem ganzen Koͤrper zu ſuchen.
Es ſchrieb Klaudius Perraulto, und zwar vor dem Stahl, daß ſich die Sinnen ſo weit uͤber den gan-
zen
kHiſt. natur. polon. p. 363. conf. p. 352. 353.
lp. 304. 305. 335. 336.
mIbidem.
m*Conf. Turner. ſorce of imag. farther conſiderd. p. 58. 59. Torkes in phil. trans. &c.
m†Birch. T. IV. p. 41.
m††Opuſc. anat. p. 181.
nR. Whytt phyſiol. eſſays p. 170. Andreae de irritabil. p. 49.
oDu toucher p. 530. du mou- vement des yeux p. 591. 592. &
prius
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0656"n="620"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das Gehirn und die Nerven. <hirendition="#aq">X.</hi> Buch.</hi></fw><lb/><p>Es koͤmmt mir die Erzaͤhlung des <hirendition="#fr">Rzadskinski</hi><cb/><noteplace="foot"n="k"><hirendition="#aq">Hiſt. natur. polon. p. 363.<lb/>
conf. p.</hi> 352. 353.</note>,<lb/>
welcher einen gekoͤpften Menſchen, das Schwerdt drei-<lb/>
mal bewegen, und eine dergleichen enthauptete Frauens-<lb/>
perſon eine Elle weit fortgehen laͤſt, wunderlich vor.</p><lb/><p>Es haͤtte dieſes von Philoſophen beſtaͤtigt werden<lb/>
muͤſſen, indem es, nach den geſammelten Erfahrungen,<lb/>
gewiß iſt, daß nur alsdenn die Sinne vergehen <noteplace="foot"n="l"><hirendition="#aq">p.</hi> 304. 305. 335. 336.</note>, und<lb/>
ein Menſch in Ohnmacht falle, wenn die Urſache des<lb/>
Uebels das Gehirn erreichtet hat. Es iſt gewiß, daß<lb/>
der Wille, die Empfindung, und die Bewegung der<lb/>
uͤbrigen Theile nicht aufhoͤre, wenn irgend ein anderer<lb/>
Theil gedruckt, durchſchnitten, oder zerſtoͤhrt worden;<lb/>
wenn man aber das Gehirn beſchaͤdigt, ſo hoͤret dieſes<lb/>
alles auf der Stelle auf <noteplace="foot"n="m"><hirendition="#aq">Ibidem.</hi></note>. Die Berichte bezeugen es,<lb/>
daß die zwo zuſammen gewachſnen Maͤdgen, mit zween<lb/>
Koͤpfen, auch ein gedoppelter Wille, und verſchiedne<lb/>
Empfindungen bemerkt worden <noteplace="foot"n="m*"><hirendition="#aq">Conf. <hirendition="#i">Turner.</hi>ſorce of<lb/>
imag. farther conſiderd. p. 58. 59.<lb/><hirendition="#i">Torkes</hi> in phil. trans. &c.</hi></note>, dergleichen auch<lb/>
von Knaben bekannt iſt <cb/><noteplace="foot"n="m†"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Birch.</hi> T. IV. p.</hi> 41.</note>. Dergleichen zuſammen<lb/>
gewachſene Menſchen haben gewoͤhnlicher maßen nur ein<lb/>
einziges Herz <noteplace="foot"n="m††"><hirendition="#aq">Opuſc. anat. p.</hi> 181.</note>.</p><lb/><p>Daher geſtehen, ſelbſt die Vertheidiger der gegen-<lb/>ſeitigen Meinung, welche das empfindende Weſen durch<lb/>
den ganzen Koͤrper vertheilen, daß dennoch die vernuͤnf-<lb/>
tige Seele ihren Sitz im Kopfe habe <noteplace="foot"n="n"><hirendition="#aq">R. <hirendition="#i">Whytt</hi> phyſiol. eſſays p.<lb/>
170. <hirendition="#i">Andreae</hi> de irritabil. p.</hi> 49.</note>.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 24.<lb/>
Folglich iſt der Empfindungsquell nicht in dem<lb/>
ganzen Koͤrper zu ſuchen.</head><lb/><p>Es ſchrieb Klaudius <hirendition="#fr">Perrault</hi><notexml:id="f79"next="#f80"place="foot"n="o"><hirendition="#aq">Du toucher p. 530. du mou-<lb/>
vement des yeux p. 591. 592. &</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">prius</hi></fw></note>, und zwar vor<lb/>
dem <hirendition="#fr">Stahl,</hi> daß ſich die Sinnen ſo weit uͤber den gan-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zen</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[620/0656]
Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
Es koͤmmt mir die Erzaͤhlung des Rzadskinski
k,
welcher einen gekoͤpften Menſchen, das Schwerdt drei-
mal bewegen, und eine dergleichen enthauptete Frauens-
perſon eine Elle weit fortgehen laͤſt, wunderlich vor.
Es haͤtte dieſes von Philoſophen beſtaͤtigt werden
muͤſſen, indem es, nach den geſammelten Erfahrungen,
gewiß iſt, daß nur alsdenn die Sinne vergehen l, und
ein Menſch in Ohnmacht falle, wenn die Urſache des
Uebels das Gehirn erreichtet hat. Es iſt gewiß, daß
der Wille, die Empfindung, und die Bewegung der
uͤbrigen Theile nicht aufhoͤre, wenn irgend ein anderer
Theil gedruckt, durchſchnitten, oder zerſtoͤhrt worden;
wenn man aber das Gehirn beſchaͤdigt, ſo hoͤret dieſes
alles auf der Stelle auf m. Die Berichte bezeugen es,
daß die zwo zuſammen gewachſnen Maͤdgen, mit zween
Koͤpfen, auch ein gedoppelter Wille, und verſchiedne
Empfindungen bemerkt worden m*, dergleichen auch
von Knaben bekannt iſt
m†. Dergleichen zuſammen
gewachſene Menſchen haben gewoͤhnlicher maßen nur ein
einziges Herz m††.
Daher geſtehen, ſelbſt die Vertheidiger der gegen-
ſeitigen Meinung, welche das empfindende Weſen durch
den ganzen Koͤrper vertheilen, daß dennoch die vernuͤnf-
tige Seele ihren Sitz im Kopfe habe n.
§. 24.
Folglich iſt der Empfindungsquell nicht in dem
ganzen Koͤrper zu ſuchen.
Es ſchrieb Klaudius Perrault o, und zwar vor
dem Stahl, daß ſich die Sinnen ſo weit uͤber den gan-
zen
k Hiſt. natur. polon. p. 363.
conf. p. 352. 353.
l p. 304. 305. 335. 336.
m Ibidem.
m* Conf. Turner. ſorce of
imag. farther conſiderd. p. 58. 59.
Torkes in phil. trans. &c.
m† Birch. T. IV. p. 41.
m†† Opuſc. anat. p. 181.
n R. Whytt phyſiol. eſſays p.
170. Andreae de irritabil. p. 49.
o Du toucher p. 530. du mou-
vement des yeux p. 591. 592. &
prius
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/656>, abgerufen am 20.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.