Versuche, indem dieselben lehren, daß alle Empfindung im Gehirn und nicht in demienigen Theile vorgehe [Spaltenumbruch]x, welcher die Eindrücke von den Dingen auffängt; ia es streitet endlich auch wider den Augenschein, da man alle Nerven bis zum Gehirn fortlaufen, und nichts, was ei- nem Nerven ähnlich wäre, ausser dem Gehirn, ent- springen sieht.
Da man dieser Meinung zum Behuf sagen möchte, daß Nerven immer grösser werden y, ie weiter sie sich vom Gehirn entfernen, und daß auch die Leibesfrüchte aus dem Grunde ohne Gehirn leben können, weil den- noch ihre Nerven, von ihren kleinen Gefässen einigen Zuschub erhalten z, und daß das Geschäfte des Ge- hirns von den übrigen Nerven des gesammten Körpers, ersetzt werden könne z*, so geben wir auf den ersten Einwurf so viel nach, daß das Zellgewebe, das keinen geringen Theil von den Nerven ausmacht, im Fortlau- fen grösser werde, und auch Ursache sei, daß der ganze Nerve grösser zu werden scheint, und daß an den Glied- massen offenbar eine Menge dicker, und dichter Zellfä- den, nach Art der Membranen a, die Nervenschnüre umwickele, da sie sonst näher am Gehirne blos markig, und weich sind.
Dieienigen Alten, welche die Nerven vom Herzen b, herleiten, und den Sitz der Seele, oder der Hirnwuth ins Herz verlegen c, d, richten theils ihr Absehen auf die Würde des primi mobilis in einem belebten Körper, theils auf die Wirksamkeit der Leiden-
schaften,
xp. 296. seqq.
ySimson essays T. V. p. 229.
zIdem ibid.
z*p. 232.
ap. 192.
bAristoteles et Praxagoras apud Galenum Plat. et Hipp. decret. L. I. Caesalpin. quaest. perip. L. V. c. 3. [Spaltenumbruch]Cremonin. p. 443. Ludw. Winslow anim. locat.
cHippocraticus auctor [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt] [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt]& alter de corde. Al- bertin. de adfect. cordes I. p. 136.
dAthenaeus apud Galenum method. med. L. 13.
VIII. Abſchnitt. Die Muthmaſſungen.
Verſuche, indem dieſelben lehren, daß alle Empfindung im Gehirn und nicht in demienigen Theile vorgehe [Spaltenumbruch]x, welcher die Eindruͤcke von den Dingen auffaͤngt; ia es ſtreitet endlich auch wider den Augenſchein, da man alle Nerven bis zum Gehirn fortlaufen, und nichts, was ei- nem Nerven aͤhnlich waͤre, auſſer dem Gehirn, ent- ſpringen ſieht.
Da man dieſer Meinung zum Behuf ſagen moͤchte, daß Nerven immer groͤſſer werden y, ie weiter ſie ſich vom Gehirn entfernen, und daß auch die Leibesfruͤchte aus dem Grunde ohne Gehirn leben koͤnnen, weil den- noch ihre Nerven, von ihren kleinen Gefaͤſſen einigen Zuſchub erhalten z, und daß das Geſchaͤfte des Ge- hirns von den uͤbrigen Nerven des geſammten Koͤrpers, erſetzt werden koͤnne z*, ſo geben wir auf den erſten Einwurf ſo viel nach, daß das Zellgewebe, das keinen geringen Theil von den Nerven ausmacht, im Fortlau- fen groͤſſer werde, und auch Urſache ſei, daß der ganze Nerve groͤſſer zu werden ſcheint, und daß an den Glied- maſſen offenbar eine Menge dicker, und dichter Zellfaͤ- den, nach Art der Membranen a, die Nervenſchnuͤre umwickele, da ſie ſonſt naͤher am Gehirne blos markig, und weich ſind.
Dieienigen Alten, welche die Nerven vom Herzen b, herleiten, und den Sitz der Seele, oder der Hirnwuth ins Herz verlegen c, d, richten theils ihr Abſehen auf die Wuͤrde des primi mobilis in einem belebten Koͤrper, theils auf die Wirkſamkeit der Leiden-
ſchaften,
xp. 296. ſeqq.
ySimſon eſſays T. V. p. 229.
zIdem ibid.
z*p. 232.
ap. 192.
bAriſtoteles et Praxagoras apud Galenum Plat. et Hipp. decret. L. I. Caeſalpin. quaeſt. perip. L. V. c. 3. [Spaltenumbruch]Cremonin. p. 443. Ludw. Winslow anim. locat.
cHippocraticus auctor [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt] [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt]& alter de corde. Al- bertin. de adfect. cordes I. p. 136.
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VIII. Abſchnitt. Die Muthmaſſungen.
Verſuche, indem dieſelben lehren, daß alle Empfindung
im Gehirn und nicht in demienigen Theile vorgehe
x,
welcher die Eindruͤcke von den Dingen auffaͤngt; ia es
ſtreitet endlich auch wider den Augenſchein, da man alle
Nerven bis zum Gehirn fortlaufen, und nichts, was ei-
nem Nerven aͤhnlich waͤre, auſſer dem Gehirn, ent-
ſpringen ſieht.
Da man dieſer Meinung zum Behuf ſagen moͤchte,
daß Nerven immer groͤſſer werden y, ie weiter ſie ſich
vom Gehirn entfernen, und daß auch die Leibesfruͤchte
aus dem Grunde ohne Gehirn leben koͤnnen, weil den-
noch ihre Nerven, von ihren kleinen Gefaͤſſen einigen
Zuſchub erhalten z, und daß das Geſchaͤfte des Ge-
hirns von den uͤbrigen Nerven des geſammten Koͤrpers,
erſetzt werden koͤnne z*, ſo geben wir auf den erſten
Einwurf ſo viel nach, daß das Zellgewebe, das keinen
geringen Theil von den Nerven ausmacht, im Fortlau-
fen groͤſſer werde, und auch Urſache ſei, daß der ganze
Nerve groͤſſer zu werden ſcheint, und daß an den Glied-
maſſen offenbar eine Menge dicker, und dichter Zellfaͤ-
den, nach Art der Membranen a, die Nervenſchnuͤre
umwickele, da ſie ſonſt naͤher am Gehirne blos markig,
und weich ſind.
Dieienigen Alten, welche die Nerven vom
Herzen b, herleiten, und den Sitz der Seele, oder
der Hirnwuth ins Herz verlegen c, d, richten theils
ihr Abſehen auf die Wuͤrde des primi mobilis in einem
belebten Koͤrper, theils auf die Wirkſamkeit der Leiden-
ſchaften,
x p. 296. ſeqq.
y Simſon eſſays T. V. p. 229.
z Idem ibid.
z* p. 232.
a p. 192.
b Ariſtoteles et Praxagoras apud
Galenum Plat. et Hipp. decret. L. I.
Caeſalpin. quaeſt. perip. L. V. c. 3.
Cremonin. p. 443. Ludw. Winslow
anim. locat.
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_& alter de corde. Al-
bertin. de adfect. cordes I. p. 136.
d Athenaeus apud Galenum
method. med. L. 13.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/643>, abgerufen am 16.02.2025.
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