Jch habe diesem Grunde, so viel Scheinbarkeit, als möglich, gegeben, und ich sehe, daß eine ähnliche Be- trachtung B. Ludw. Tralles[Spaltenumbruch]t, diesem so zierlichen und fehr erfahrnen Arzte, von grosser Wichtigkeit gewesen.
Und dennoch scheint es, daß man hie auf sehr wohl antworten könne, so viel als nämlich hinreichend ist, ei- nen Menschen zu überzeugen, dem es blos um die Wahr- heit zu thun ist.
Es ziehet sich in der Empfindung nicht das mindeste zusammen, weder in dem gemeinen Sammelplatze der Empfindungen, noch an dem empfindenden Nerven, der in diesem Sammelplatze mit begriffen ist, es eräugnet sich an ihm bis zum Gehirne fort, nicht die mindeste Veränderung, den ersten kleinen Druck ausgenommen, welcher auf das kleine Gefässe, oder wenn man es lieber will, auf den markigen und vom Geiste geschwängerten Brei geschehen ist [Spaltenumbruch]u. Es geschicht aber hier keine Em- pfindung, sondern es läufet dieses flüßige, kraft seines angebornen Gesetzes, zum Gehirn zurücke, und trägt den Druck, welchen es erlitten, der Seele vor, und es be- rührt daselbst eine empfindende Menschenmonade, oder es hat der Allmächtige die Verfügung getroffen, daß der Druck dieses flüßigen in der Seele eine Veränderung er- weckt, so bald es an seiner bestimmten Stelle angelangt ist. Es trift dieser Schluß dieienigen, welche die Seele in dem sinnlichen Werkzeuge empfinden lassen, hingegen trift er uns nicht, die wir glauben, daß sich die Eindrü- cke der Sinne, der Seele im Gehirn abbilden.
Bei
t Daß blos feste Theile empfin- den und schmerzen, und dennoch Nerven empfinden, als Kanäle, de opio T. I. p. 223. Die Nerven schmerzen nicht, als wo sie Mem- branen haben, Winter. l. c.
u Denn wir streiten hier noch nicht darüber, ob die Geister in einem Gefäßgen enthalten sind, oder ob sie in den fächrigen Räu- men zwischen der festen Faser ste- cken.
Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
Jch habe dieſem Grunde, ſo viel Scheinbarkeit, als moͤglich, gegeben, und ich ſehe, daß eine aͤhnliche Be- trachtung B. Ludw. Tralles[Spaltenumbruch]t, dieſem ſo zierlichen und fehr erfahrnen Arzte, von groſſer Wichtigkeit geweſen.
Und dennoch ſcheint es, daß man hie auf ſehr wohl antworten koͤnne, ſo viel als naͤmlich hinreichend iſt, ei- nen Menſchen zu uͤberzeugen, dem es blos um die Wahr- heit zu thun iſt.
Es ziehet ſich in der Empfindung nicht das mindeſte zuſammen, weder in dem gemeinen Sammelplatze der Empfindungen, noch an dem empfindenden Nerven, der in dieſem Sammelplatze mit begriffen iſt, es eraͤugnet ſich an ihm bis zum Gehirne fort, nicht die mindeſte Veraͤnderung, den erſten kleinen Druck ausgenommen, welcher auf das kleine Gefaͤſſe, oder wenn man es lieber will, auf den markigen und vom Geiſte geſchwaͤngerten Brei geſchehen iſt [Spaltenumbruch]u. Es geſchicht aber hier keine Em- pfindung, ſondern es laͤufet dieſes fluͤßige, kraft ſeines angebornen Geſetzes, zum Gehirn zuruͤcke, und traͤgt den Druck, welchen es erlitten, der Seele vor, und es be- ruͤhrt daſelbſt eine empfindende Menſchenmonade, oder es hat der Allmaͤchtige die Verfuͤgung getroffen, daß der Druck dieſes fluͤßigen in der Seele eine Veraͤnderung er- weckt, ſo bald es an ſeiner beſtimmten Stelle angelangt iſt. Es trift dieſer Schluß dieienigen, welche die Seele in dem ſinnlichen Werkzeuge empfinden laſſen, hingegen trift er uns nicht, die wir glauben, daß ſich die Eindruͤ- cke der Sinne, der Seele im Gehirn abbilden.
Bei
t Daß blos feſte Theile empfin- den und ſchmerzen, und dennoch Nerven empfinden, als Kanaͤle, de opio T. I. p. 223. Die Nerven ſchmerzen nicht, als wo ſie Mem- branen haben, Winter. l. c.
u Denn wir ſtreiten hier noch nicht daruͤber, ob die Geiſter in einem Gefaͤßgen enthalten ſind, oder ob ſie in den faͤchrigen Raͤu- men zwiſchen der feſten Faſer ſte- cken.
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[582/0618]
Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
Jch habe dieſem Grunde, ſo viel Scheinbarkeit,
als moͤglich, gegeben, und ich ſehe, daß eine aͤhnliche Be-
trachtung B. Ludw. Tralles
t, dieſem ſo zierlichen und
fehr erfahrnen Arzte, von groſſer Wichtigkeit geweſen.
Und dennoch ſcheint es, daß man hie auf ſehr wohl
antworten koͤnne, ſo viel als naͤmlich hinreichend iſt, ei-
nen Menſchen zu uͤberzeugen, dem es blos um die Wahr-
heit zu thun iſt.
Es ziehet ſich in der Empfindung nicht das mindeſte
zuſammen, weder in dem gemeinen Sammelplatze der
Empfindungen, noch an dem empfindenden Nerven, der
in dieſem Sammelplatze mit begriffen iſt, es eraͤugnet
ſich an ihm bis zum Gehirne fort, nicht die mindeſte
Veraͤnderung, den erſten kleinen Druck ausgenommen,
welcher auf das kleine Gefaͤſſe, oder wenn man es lieber
will, auf den markigen und vom Geiſte geſchwaͤngerten
Brei geſchehen iſt
u. Es geſchicht aber hier keine Em-
pfindung, ſondern es laͤufet dieſes fluͤßige, kraft ſeines
angebornen Geſetzes, zum Gehirn zuruͤcke, und traͤgt den
Druck, welchen es erlitten, der Seele vor, und es be-
ruͤhrt daſelbſt eine empfindende Menſchenmonade, oder
es hat der Allmaͤchtige die Verfuͤgung getroffen, daß der
Druck dieſes fluͤßigen in der Seele eine Veraͤnderung er-
weckt, ſo bald es an ſeiner beſtimmten Stelle angelangt
iſt. Es trift dieſer Schluß dieienigen, welche die Seele
in dem ſinnlichen Werkzeuge empfinden laſſen, hingegen
trift er uns nicht, die wir glauben, daß ſich die Eindruͤ-
cke der Sinne, der Seele im Gehirn abbilden.
Bei
t Daß blos feſte Theile empfin-
den und ſchmerzen, und dennoch
Nerven empfinden, als Kanaͤle, de
opio T. I. p. 223. Die Nerven
ſchmerzen nicht, als wo ſie Mem-
branen haben, Winter. l. c.
u Denn wir ſtreiten hier noch
nicht daruͤber, ob die Geiſter in
einem Gefaͤßgen enthalten ſind,
oder ob ſie in den faͤchrigen Raͤu-
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/618>, abgerufen am 25.11.2024.
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