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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

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VIII. Abschnitt. Die Muthmassungen.
daß die Seele gleich bei der Hand sei, und nicht durch
Botschafter handele, welche ihre Befehle erst überbringen
müsten, so fieng man an vielen Orten an, in der That,
an diesen Geistern zu zweifeln, und noch ietzt werden sie
von den grösten Männern in Zweifel gezogen.

Wir wollen daher erst die Gründe der Verneinung
anhören, damit der Leser die Kraft dieser kleinen Unsicht-
baren desto leicher erkennen lerne, wofern man demsel-
ben zeigen kann, daß man gegen die Geister keine gründ-
liche Einwendungen machen könne.

§. 6.
Einwürfe gegen diese Hipotese.

Es fällt einem der Einwurf bald ein, daß die Blut-
gefässe eine deutliche Oefnung haben und hohl sind, daß
aber dergleichen gar nicht an dem Gehirnmarke vorkom-
me, und daß Nerven eben so wenig hohl sind t, wenn
man gleich die allerkügligsten Vergrösserungsgläser zu
Hülfe nehme, daß sich zwar Gefäße ins Mark werfen,
aber wie an einem Knochen anhängen u und sich bei den
allerkleinsten Nervenschnüren eben so mit Aesten zerthei-
len, wie sie sich bei den Muskeln und Zellfasern zertheilen.

Jch mag mich hier nicht der gegenseitigen Zeugnisse
des Anton von Leeuwenhoeck x, noch des neuern Jo-
hann Hill y, oder des berümten Ledermüllers y*, be-
dienen, welche beide kleine Gefäßgens gesehen zu haben
glauben, aus denen der gesammte Nerve herauskomme,
und welche fächrig und voller Fäden gewesen sein sollen;

indem
t Cabrolius l. c. Cowper l. c.
Bidlous, Glisson de hep. p. 419.
Gohl von dem an Vourth. p. 83.
[Spaltenumbruch] Cheyne
englisch Malad. l. c. Frick.
Battie
on madness. p. 13. Bidloo
excerc. I. de nervis. De Haen rat.
med. IV. p.
191.
u Albin adnot. I. p. 47. seqq.
x Epist. phys. T. IV. p. 330.
y On nerves p. 5.
y* Fraenk. Anmerk. T. V. n. 27.

VIII. Abſchnitt. Die Muthmaſſungen.
daß die Seele gleich bei der Hand ſei, und nicht durch
Botſchafter handele, welche ihre Befehle erſt uͤberbringen
muͤſten, ſo fieng man an vielen Orten an, in der That,
an dieſen Geiſtern zu zweifeln, und noch ietzt werden ſie
von den groͤſten Maͤnnern in Zweifel gezogen.

Wir wollen daher erſt die Gruͤnde der Verneinung
anhoͤren, damit der Leſer die Kraft dieſer kleinen Unſicht-
baren deſto leicher erkennen lerne, wofern man demſel-
ben zeigen kann, daß man gegen die Geiſter keine gruͤnd-
liche Einwendungen machen koͤnne.

§. 6.
Einwuͤrfe gegen dieſe Hipoteſe.

Es faͤllt einem der Einwurf bald ein, daß die Blut-
gefaͤſſe eine deutliche Oefnung haben und hohl ſind, daß
aber dergleichen gar nicht an dem Gehirnmarke vorkom-
me, und daß Nerven eben ſo wenig hohl ſind t, wenn
man gleich die allerkuͤgligſten Vergroͤſſerungsglaͤſer zu
Huͤlfe nehme, daß ſich zwar Gefaͤße ins Mark werfen,
aber wie an einem Knochen anhaͤngen u und ſich bei den
allerkleinſten Nervenſchnuͤren eben ſo mit Aeſten zerthei-
len, wie ſie ſich bei den Muskeln und Zellfaſern zertheilen.

Jch mag mich hier nicht der gegenſeitigen Zeugniſſe
des Anton von Leeuwenhoeck x, noch des neuern Jo-
hann Hill y, oder des beruͤmten Ledermuͤllers y*, be-
dienen, welche beide kleine Gefaͤßgens geſehen zu haben
glauben, aus denen der geſammte Nerve herauskomme,
und welche faͤchrig und voller Faͤden geweſen ſein ſollen;

indem
t Cabrolius l. c. Cowper l. c.
Bidlous, Gliſſon de hep. p. 419.
Gohl von dem an Vourth. p. 83.
[Spaltenumbruch] Cheyne
engliſch Malad. l. c. Frick.
Battie
on madneſſ. p. 13. Bidloo
excerc. I. de nervis. De Haen rat.
med. IV. p.
191.
u Albin adnot. I. p. 47. ſeqq.
x Epiſt. phyſ. T. IV. p. 330.
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y* Frænk. Anmerk. T. V. n. 27.
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[575/0611] VIII. Abſchnitt. Die Muthmaſſungen. daß die Seele gleich bei der Hand ſei, und nicht durch Botſchafter handele, welche ihre Befehle erſt uͤberbringen muͤſten, ſo fieng man an vielen Orten an, in der That, an dieſen Geiſtern zu zweifeln, und noch ietzt werden ſie von den groͤſten Maͤnnern in Zweifel gezogen. Wir wollen daher erſt die Gruͤnde der Verneinung anhoͤren, damit der Leſer die Kraft dieſer kleinen Unſicht- baren deſto leicher erkennen lerne, wofern man demſel- ben zeigen kann, daß man gegen die Geiſter keine gruͤnd- liche Einwendungen machen koͤnne. §. 6. Einwuͤrfe gegen dieſe Hipoteſe. Es faͤllt einem der Einwurf bald ein, daß die Blut- gefaͤſſe eine deutliche Oefnung haben und hohl ſind, daß aber dergleichen gar nicht an dem Gehirnmarke vorkom- me, und daß Nerven eben ſo wenig hohl ſind t, wenn man gleich die allerkuͤgligſten Vergroͤſſerungsglaͤſer zu Huͤlfe nehme, daß ſich zwar Gefaͤße ins Mark werfen, aber wie an einem Knochen anhaͤngen u und ſich bei den allerkleinſten Nervenſchnuͤren eben ſo mit Aeſten zerthei- len, wie ſie ſich bei den Muskeln und Zellfaſern zertheilen. Jch mag mich hier nicht der gegenſeitigen Zeugniſſe des Anton von Leeuwenhoeck x, noch des neuern Jo- hann Hill y, oder des beruͤmten Ledermuͤllers y*, be- dienen, welche beide kleine Gefaͤßgens geſehen zu haben glauben, aus denen der geſammte Nerve herauskomme, und welche faͤchrig und voller Faͤden geweſen ſein ſollen; indem t Cabrolius l. c. Cowper l. c. Bidlous, Gliſſon de hep. p. 419. Gohl von dem an Vourth. p. 83. Cheyne engliſch Malad. l. c. Frick. Battie on madneſſ. p. 13. Bidloo excerc. I. de nervis. De Haen rat. med. IV. p. 191. u Albin adnot. I. p. 47. ſeqq. x Epiſt. phyſ. T. IV. p. 330. y On nerves p. 5. y* Frænk. Anmerk. T. V. n. 27.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/611>, abgerufen am 20.11.2024.