daß die Seele gleich bei der Hand sei, und nicht durch Botschafter handele, welche ihre Befehle erst überbringen müsten, so fieng man an vielen Orten an, in der That, an diesen Geistern zu zweifeln, und noch ietzt werden sie von den grösten Männern in Zweifel gezogen.
Wir wollen daher erst die Gründe der Verneinung anhören, damit der Leser die Kraft dieser kleinen Unsicht- baren desto leicher erkennen lerne, wofern man demsel- ben zeigen kann, daß man gegen die Geister keine gründ- liche Einwendungen machen könne.
§. 6. Einwürfe gegen diese Hipotese.
Es fällt einem der Einwurf bald ein, daß die Blut- gefässe eine deutliche Oefnung haben und hohl sind, daß aber dergleichen gar nicht an dem Gehirnmarke vorkom- me, und daß Nerven eben so wenig hohl sind t, wenn man gleich die allerkügligsten Vergrösserungsgläser zu Hülfe nehme, daß sich zwar Gefäße ins Mark werfen, aber wie an einem Knochen anhängen u und sich bei den allerkleinsten Nervenschnüren eben so mit Aesten zerthei- len, wie sie sich bei den Muskeln und Zellfasern zertheilen.
Jch mag mich hier nicht der gegenseitigen Zeugnisse des Anton von Leeuwenhoeckx, noch des neuern Jo- hann Hilly, oder des berümten Ledermüllersy*, be- dienen, welche beide kleine Gefäßgens gesehen zu haben glauben, aus denen der gesammte Nerve herauskomme, und welche fächrig und voller Fäden gewesen sein sollen;
indem
tCabrolius l. c. Cowper l. c. Bidlous, Glisson de hep. p. 419. Gohl von dem an Vourth. p. 83. [Spaltenumbruch]Cheyne englisch Malad. l. c. Frick. Battie on madness. p. 13. Bidloo excerc. I. de nervis. De Haen rat. med. IV. p. 191.
uAlbin adnot. I. p. 47. seqq.
xEpist. phys. T. IV. p. 330.
yOn nerves p. 5.
y*Fraenk. Anmerk. T. V. n. 27.
VIII. Abſchnitt. Die Muthmaſſungen.
daß die Seele gleich bei der Hand ſei, und nicht durch Botſchafter handele, welche ihre Befehle erſt uͤberbringen muͤſten, ſo fieng man an vielen Orten an, in der That, an dieſen Geiſtern zu zweifeln, und noch ietzt werden ſie von den groͤſten Maͤnnern in Zweifel gezogen.
Wir wollen daher erſt die Gruͤnde der Verneinung anhoͤren, damit der Leſer die Kraft dieſer kleinen Unſicht- baren deſto leicher erkennen lerne, wofern man demſel- ben zeigen kann, daß man gegen die Geiſter keine gruͤnd- liche Einwendungen machen koͤnne.
§. 6. Einwuͤrfe gegen dieſe Hipoteſe.
Es faͤllt einem der Einwurf bald ein, daß die Blut- gefaͤſſe eine deutliche Oefnung haben und hohl ſind, daß aber dergleichen gar nicht an dem Gehirnmarke vorkom- me, und daß Nerven eben ſo wenig hohl ſind t, wenn man gleich die allerkuͤgligſten Vergroͤſſerungsglaͤſer zu Huͤlfe nehme, daß ſich zwar Gefaͤße ins Mark werfen, aber wie an einem Knochen anhaͤngen u und ſich bei den allerkleinſten Nervenſchnuͤren eben ſo mit Aeſten zerthei- len, wie ſie ſich bei den Muskeln und Zellfaſern zertheilen.
Jch mag mich hier nicht der gegenſeitigen Zeugniſſe des Anton von Leeuwenhoeckx, noch des neuern Jo- hann Hilly, oder des beruͤmten Ledermuͤllersy*, be- dienen, welche beide kleine Gefaͤßgens geſehen zu haben glauben, aus denen der geſammte Nerve herauskomme, und welche faͤchrig und voller Faͤden geweſen ſein ſollen;
indem
tCabrolius l. c. Cowper l. c. Bidlous, Gliſſon de hep. p. 419. Gohl von dem an Vourth. p. 83. [Spaltenumbruch]Cheyne engliſch Malad. l. c. Frick. Battie on madneſſ. p. 13. Bidloo excerc. I. de nervis. De Haen rat. med. IV. p. 191.
uAlbin adnot. I. p. 47. ſeqq.
xEpiſt. phyſ. T. IV. p. 330.
yOn nerves p. 5.
y*Frænk. Anmerk. T. V. n. 27.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0611"n="575"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">VIII.</hi> Abſchnitt. Die Muthmaſſungen.</hi></fw><lb/>
daß die Seele gleich bei der Hand ſei, und nicht durch<lb/>
Botſchafter handele, welche ihre Befehle erſt uͤberbringen<lb/>
muͤſten, ſo fieng man an vielen Orten an, in der That,<lb/>
an dieſen Geiſtern zu zweifeln, und noch ietzt werden ſie<lb/>
von den groͤſten Maͤnnern in Zweifel gezogen.</p><lb/><p>Wir wollen daher erſt die Gruͤnde der Verneinung<lb/>
anhoͤren, damit der Leſer die Kraft dieſer kleinen Unſicht-<lb/>
baren deſto leicher erkennen lerne, wofern man demſel-<lb/>
ben zeigen kann, daß man gegen die Geiſter keine gruͤnd-<lb/>
liche Einwendungen machen koͤnne.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 6.<lb/>
Einwuͤrfe gegen dieſe Hipoteſe.</head><lb/><p>Es faͤllt einem der Einwurf bald ein, daß die Blut-<lb/>
gefaͤſſe eine deutliche Oefnung haben und hohl ſind, daß<lb/>
aber dergleichen gar nicht an dem Gehirnmarke vorkom-<lb/>
me, und daß Nerven eben ſo wenig hohl ſind <noteplace="foot"n="t"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Cabrolius</hi> l. c. <hirendition="#i">Cowper</hi> l. c.<lb/><hirendition="#i">Bidlous, Gliſſon</hi> de hep. p. 419.<lb/><hirendition="#i">Gohl</hi> von dem an Vourth. p. 83.<lb/><cb/><hirendition="#i">Cheyne</hi></hi> engliſch <hirendition="#aq">Malad. l. c. <hirendition="#i">Frick.<lb/>
Battie</hi> on madneſſ. p. 13. B<hirendition="#i">idloo</hi><lb/>
excerc. I. de nervis. <hirendition="#i">De Haen</hi> rat.<lb/>
med. IV. p.</hi> 191.</note>, wenn<lb/>
man gleich die allerkuͤgligſten Vergroͤſſerungsglaͤſer zu<lb/>
Huͤlfe nehme, daß ſich zwar Gefaͤße ins Mark werfen,<lb/>
aber wie an einem Knochen anhaͤngen <noteplace="foot"n="u"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Albin</hi> adnot. I. p. 47. ſeqq.</hi></note> und ſich bei den<lb/>
allerkleinſten Nervenſchnuͤren eben ſo mit Aeſten zerthei-<lb/>
len, wie ſie ſich bei den Muskeln und Zellfaſern zertheilen.</p><lb/><p>Jch mag mich hier nicht der gegenſeitigen Zeugniſſe<lb/>
des Anton von <hirendition="#fr">Leeuwenhoeck</hi><noteplace="foot"n="x"><hirendition="#aq">Epiſt. phyſ. T. IV. p.</hi> 330.</note>, noch des neuern Jo-<lb/>
hann <hirendition="#fr">Hill</hi><noteplace="foot"n="y"><hirendition="#aq">On nerves p.</hi> 5.</note>, oder des beruͤmten <hirendition="#fr">Ledermuͤllers</hi><noteplace="foot"n="y*"><hirendition="#aq">Frænk. Anmerk. T. V. n.</hi> 27.</note>, be-<lb/>
dienen, welche beide kleine Gefaͤßgens geſehen zu haben<lb/>
glauben, aus denen der geſammte Nerve herauskomme,<lb/>
und welche faͤchrig und voller Faͤden geweſen ſein ſollen;<lb/><fwplace="bottom"type="catch">indem</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[575/0611]
VIII. Abſchnitt. Die Muthmaſſungen.
daß die Seele gleich bei der Hand ſei, und nicht durch
Botſchafter handele, welche ihre Befehle erſt uͤberbringen
muͤſten, ſo fieng man an vielen Orten an, in der That,
an dieſen Geiſtern zu zweifeln, und noch ietzt werden ſie
von den groͤſten Maͤnnern in Zweifel gezogen.
Wir wollen daher erſt die Gruͤnde der Verneinung
anhoͤren, damit der Leſer die Kraft dieſer kleinen Unſicht-
baren deſto leicher erkennen lerne, wofern man demſel-
ben zeigen kann, daß man gegen die Geiſter keine gruͤnd-
liche Einwendungen machen koͤnne.
§. 6.
Einwuͤrfe gegen dieſe Hipoteſe.
Es faͤllt einem der Einwurf bald ein, daß die Blut-
gefaͤſſe eine deutliche Oefnung haben und hohl ſind, daß
aber dergleichen gar nicht an dem Gehirnmarke vorkom-
me, und daß Nerven eben ſo wenig hohl ſind t, wenn
man gleich die allerkuͤgligſten Vergroͤſſerungsglaͤſer zu
Huͤlfe nehme, daß ſich zwar Gefaͤße ins Mark werfen,
aber wie an einem Knochen anhaͤngen u und ſich bei den
allerkleinſten Nervenſchnuͤren eben ſo mit Aeſten zerthei-
len, wie ſie ſich bei den Muskeln und Zellfaſern zertheilen.
Jch mag mich hier nicht der gegenſeitigen Zeugniſſe
des Anton von Leeuwenhoeck x, noch des neuern Jo-
hann Hill y, oder des beruͤmten Ledermuͤllers y*, be-
dienen, welche beide kleine Gefaͤßgens geſehen zu haben
glauben, aus denen der geſammte Nerve herauskomme,
und welche faͤchrig und voller Faͤden geweſen ſein ſollen;
indem
t Cabrolius l. c. Cowper l. c.
Bidlous, Gliſſon de hep. p. 419.
Gohl von dem an Vourth. p. 83.
Cheyne engliſch Malad. l. c. Frick.
Battie on madneſſ. p. 13. Bidloo
excerc. I. de nervis. De Haen rat.
med. IV. p. 191.
u Albin adnot. I. p. 47. ſeqq.
x Epiſt. phyſ. T. IV. p. 330.
y On nerves p. 5.
y* Frænk. Anmerk. T. V. n. 27.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/611>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.