Es hatte der mittlere Theil des Gehirns den kalten Brand, ohngeachtet die Person noch lange leben blieb [Spaltenumbruch]t++. Jch habe selbst einen Knaben gesehen, und es hat der berümte Hoffmann Bericht davon gegeben, dem ein Ziegelstein auf den Kopf gefallen war, und den Hirnsche- del zerschmettert hatte, wodurch kein geringer Theil vom Gehirne zernichtet worden; allein er verlor so wenig seine Sinnen, daß er nach der Genesung nicht den mindesten Anstoß von einer Verrückung übrig behielt. Es pflegt dieses so oft vorzukommen, daß berümte Männer, die Gehirnwunden und den Verlust des Gehirns, vor Krank- heiten ohne Zufälle ansehen t, und solches so gar von angestellten Versuchen behaupten t*.
Eben so findet man, daß sich das Gehirn in Kin- dern vom Wasserkopfe verzehrt habe, daß diese durch eine langsame Krankheit ausgezehrt worden, doch aber bis zum Tode den vollkommnen Gebrauch der Sinnen übrig behalten haben u.
Noch häufiger sind die Exempel, da bei den gefähr- lichsten Krankheiten des Gehirns, das Leben, die Be- wegung des Herzens, der Gedärme und des Athemho- lens, ia auch die willkürlichen Kräfte, die zum Essen und dem Ausführen des Kothes gehören, noch lange Zeit fortgedauret haben. Es ward derienige, dem man mit- ten in den Kopf einen Pfeil geschossen hatte, welcher in die Schläfenbeine eingedrungen war, glücklich wieder geheilt u*. Da sich iemand durch einen Fall den Hirn- schedel zerschmettert hatte, so gieng das Gehirn zum
Theil
t++Tyson phil. trans. p. 228.
tManne p. 121. 143. an einem Exempel p. 20. Bausch proem. cit. p. 62.
t*Lorry l. c. p. 363.
uBonnet sepulchret. 1. sect. 16. obs. 5. 7. Wepfer apoplex. p. 364. Tulp obs. 24. L. 1. Stalp van der [Spaltenumbruch]Wiel cent. II. obs. 1. Vesal L. 1. c. 5. Burghard Landekerhad p. 3. n. 72. sagt, daß er dabei sinnreich gewesen.
u*Wepfer p. 207. Bei einer Verletzung des Markes, Bianchi hist. hepat. p. 445.
Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
Es hatte der mittlere Theil des Gehirns den kalten Brand, ohngeachtet die Perſon noch lange leben blieb [Spaltenumbruch]t††. Jch habe ſelbſt einen Knaben geſehen, und es hat der beruͤmte Hoffmann Bericht davon gegeben, dem ein Ziegelſtein auf den Kopf gefallen war, und den Hirnſche- del zerſchmettert hatte, wodurch kein geringer Theil vom Gehirne zernichtet worden; allein er verlor ſo wenig ſeine Sinnen, daß er nach der Geneſung nicht den mindeſten Anſtoß von einer Verruͤckung uͤbrig behielt. Es pflegt dieſes ſo oft vorzukommen, daß beruͤmte Maͤnner, die Gehirnwunden und den Verluſt des Gehirns, vor Krank- heiten ohne Zufaͤlle anſehen t, und ſolches ſo gar von angeſtellten Verſuchen behaupten t*.
Eben ſo findet man, daß ſich das Gehirn in Kin- dern vom Waſſerkopfe verzehrt habe, daß dieſe durch eine langſame Krankheit ausgezehrt worden, doch aber bis zum Tode den vollkommnen Gebrauch der Sinnen uͤbrig behalten haben u.
Noch haͤufiger ſind die Exempel, da bei den gefaͤhr- lichſten Krankheiten des Gehirns, das Leben, die Be- wegung des Herzens, der Gedaͤrme und des Athemho- lens, ia auch die willkuͤrlichen Kraͤfte, die zum Eſſen und dem Ausfuͤhren des Kothes gehoͤren, noch lange Zeit fortgedauret haben. Es ward derienige, dem man mit- ten in den Kopf einen Pfeil geſchoſſen hatte, welcher in die Schlaͤfenbeine eingedrungen war, gluͤcklich wieder geheilt u*. Da ſich iemand durch einen Fall den Hirn- ſchedel zerſchmettert hatte, ſo gieng das Gehirn zum
Theil
t††Tyſon phil. trans. p. 228.
tManne p. 121. 143. an einem Exempel p. 20. Bauſch proëm. cit. p. 62.
t*Lorry l. c. p. 363.
uBonnet ſepulchret. 1. ſect. 16. obſ. 5. 7. Wepfer apoplex. p. 364. Tulp obſ. 24. L. 1. Stalp van der [Spaltenumbruch]Wiel cent. II. obſ. 1. Veſal L. 1. c. 5. Burghard Landekerhad p. 3. n. 72. ſagt, daß er dabei ſinnreich geweſen.
u*Wepfer p. 207. Bei einer Verletzung des Markes, Bianchi hiſt. hepat. p. 445.
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Das Gehirn und die Nerven. X. Buch.
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t††.
Jch habe ſelbſt einen Knaben geſehen, und es hat der
beruͤmte Hoffmann Bericht davon gegeben, dem ein
Ziegelſtein auf den Kopf gefallen war, und den Hirnſche-
del zerſchmettert hatte, wodurch kein geringer Theil vom
Gehirne zernichtet worden; allein er verlor ſo wenig ſeine
Sinnen, daß er nach der Geneſung nicht den mindeſten
Anſtoß von einer Verruͤckung uͤbrig behielt. Es pflegt
dieſes ſo oft vorzukommen, daß beruͤmte Maͤnner, die
Gehirnwunden und den Verluſt des Gehirns, vor Krank-
heiten ohne Zufaͤlle anſehen t, und ſolches ſo gar von
angeſtellten Verſuchen behaupten t*.
Eben ſo findet man, daß ſich das Gehirn in Kin-
dern vom Waſſerkopfe verzehrt habe, daß dieſe durch eine
langſame Krankheit ausgezehrt worden, doch aber bis
zum Tode den vollkommnen Gebrauch der Sinnen uͤbrig
behalten haben u.
Noch haͤufiger ſind die Exempel, da bei den gefaͤhr-
lichſten Krankheiten des Gehirns, das Leben, die Be-
wegung des Herzens, der Gedaͤrme und des Athemho-
lens, ia auch die willkuͤrlichen Kraͤfte, die zum Eſſen
und dem Ausfuͤhren des Kothes gehoͤren, noch lange Zeit
fortgedauret haben. Es ward derienige, dem man mit-
ten in den Kopf einen Pfeil geſchoſſen hatte, welcher in
die Schlaͤfenbeine eingedrungen war, gluͤcklich wieder
geheilt u*. Da ſich iemand durch einen Fall den Hirn-
ſchedel zerſchmettert hatte, ſo gieng das Gehirn zum
Theil
t†† Tyſon phil. trans. p. 228.
t Manne p. 121. 143. an einem
Exempel p. 20. Bauſch proëm.
cit. p. 62.
t* Lorry l. c. p. 363.
u Bonnet ſepulchret. 1. ſect. 16.
obſ. 5. 7. Wepfer apoplex. p. 364.
Tulp obſ. 24. L. 1. Stalp van der
Wiel cent. II. obſ. 1. Veſal L. 1.
c. 5. Burghard Landekerhad p. 3.
n. 72. ſagt, daß er dabei ſinnreich
geweſen.
u* Wepfer p. 207. Bei einer
Verletzung des Markes, Bianchi
hiſt. hepat. p. 445.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/570>, abgerufen am 25.11.2024.
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