Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Abschnitt. Die Brust.
Brustbeine (t), und der hintern Oberfläche seines ersten
Knochens, über dem Ursprunge des Brustmuskels ganz
oben weg.

Jch habe gesehen, daß nichts als ein Band die gan-
ze Gegend dieses Muskels eingenommen.

Man ist wegen seiner Verrichtungen nicht eins.
Man hat längstens schon geleugnet (u), daß er die erste
Ribbe erhebe, und es hat diese Meinung nur neulich noch
einen angesehenen Gönner gefunden (x). Andre Män-
ner von grossem Ansehn haben es in Zweifel gezogen (y).

Endlich so verstatten ihm Schriftsteller, deren Stim-
men in diesem Falle den Ausschlag geben müssen (z),
eine kleine Kraft die Ribben zu erheben.

Für meine Person zweifle ich gar nicht, daß er nicht
die Ribben heben solte (a). Denn da an einem Muskel
blos das Fleisch das Zusammenziehen verrichtet, und da
er vom Schlüsselbeine fleischig hervorkömmt, aber sehnig
wird, wenn er sich auf die Ribbe wirft, so ist beinahe
gewis, daß sich der Muskel gegen die Gegend zusam-
menziehe, wo sein Fleisch ist, und daß er also die Ribbe
erhebe; da er sich an ein beweglicheres Stükk, und nicht
wie Vesal schreibt, ans Brustbein anhängt. Das
Ribbenerheben aber verstehe ich so, daß die Brust zugleich
mit folge, und in die Höhe steige, da die erste Ribbe für
sich allein nicht bewegt werden kann (b). Ferner da es
selten geschicht, daß zugleich die ganze Brust in die Höhe
fährt, so verwendet sich das Amt dieses Muskels vielmehr
darauf, daß er die Brust aufhält, damit sie von den
Niederziehern gar nicht niedergezogen werden möge, und

daß
(t) [Spaltenumbruch] Er hatte das Schlüsselbein
gegen das Brustbein herabgezogen.
vesal. S. 342.
(u) SPIGELIVS. L. IV. c. 9.
i. r. c. garengeot. myotom.
humaine et canine. T. II.
S. 212.
(x) WINSLOW. n. 922.
Memoir. de l' Academ. des scienc.

1726. S. 190. 1738. S. 76.
(y) [Spaltenumbruch] RIOLANVS.
(z) FALLOP. observ. S. 94[5]
albin. ang. Ort. S. 270. dou-
glass.
eben angef. Ort.
(a) Diese Meinung war gemein,
und auch des Galeni seine bei
dem oribasivs. S. 228. auch
des vesalli seine. L. II. c. 35. u. f.
(b) Vorherg. §. 4.

I. Abſchnitt. Die Bruſt.
Bruſtbeine (t), und der hintern Oberflaͤche ſeines erſten
Knochens, uͤber dem Urſprunge des Bruſtmuskels ganz
oben weg.

Jch habe geſehen, daß nichts als ein Band die gan-
ze Gegend dieſes Muskels eingenommen.

Man iſt wegen ſeiner Verrichtungen nicht eins.
Man hat laͤngſtens ſchon geleugnet (u), daß er die erſte
Ribbe erhebe, und es hat dieſe Meinung nur neulich noch
einen angeſehenen Goͤnner gefunden (x). Andre Maͤn-
ner von groſſem Anſehn haben es in Zweifel gezogen (y).

Endlich ſo verſtatten ihm Schriftſteller, deren Stim-
men in dieſem Falle den Ausſchlag geben muͤſſen (z),
eine kleine Kraft die Ribben zu erheben.

Fuͤr meine Perſon zweifle ich gar nicht, daß er nicht
die Ribben heben ſolte (a). Denn da an einem Muskel
blos das Fleiſch das Zuſammenziehen verrichtet, und da
er vom Schluͤſſelbeine fleiſchig hervorkoͤmmt, aber ſehnig
wird, wenn er ſich auf die Ribbe wirft, ſo iſt beinahe
gewis, daß ſich der Muskel gegen die Gegend zuſam-
menziehe, wo ſein Fleiſch iſt, und daß er alſo die Ribbe
erhebe; da er ſich an ein beweglicheres Stuͤkk, und nicht
wie Veſal ſchreibt, ans Bruſtbein anhaͤngt. Das
Ribbenerheben aber verſtehe ich ſo, daß die Bruſt zugleich
mit folge, und in die Hoͤhe ſteige, da die erſte Ribbe fuͤr
ſich allein nicht bewegt werden kann (b). Ferner da es
ſelten geſchicht, daß zugleich die ganze Bruſt in die Hoͤhe
faͤhrt, ſo verwendet ſich das Amt dieſes Muskels vielmehr
darauf, daß er die Bruſt aufhaͤlt, damit ſie von den
Niederziehern gar nicht niedergezogen werden moͤge, und

daß
(t) [Spaltenumbruch] Er hatte das Schluͤſſelbein
gegen das Bruſtbein herabgezogen.
veſal. S. 342.
(u) SPIGELIVS. L. IV. c. 9.
i. r. c. garengeot. myotom.
humaine et canine. T. II.
S. 212.
(x) WINSLOW. n. 922.
Memoir. de l’ Academ. des ſcienc.

1726. S. 190. 1738. S. 76.
(y) [Spaltenumbruch] RIOLANVS.
(z) FALLOP. obſerv. S. 94[5]
albin. ang. Ort. S. 270. dou-
glaſſ.
eben angef. Ort.
(a) Dieſe Meinung war gemein,
und auch des Galeni ſeine bei
dem oribaſivſ. S. 228. auch
des veſalli ſeine. L. II. c. 35. u. f.
(b) Vorherg. §. 4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0081" n="75"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Die Bru&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
Bru&#x017F;tbeine <note place="foot" n="(t)"><cb/>
Er hatte das Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;elbein<lb/>
gegen das Bru&#x017F;tbein herabgezogen.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">ve&#x017F;al.</hi></hi></hi> S. 342.</note>, und der hintern Oberfla&#x0364;che &#x017F;eines er&#x017F;ten<lb/>
Knochens, u&#x0364;ber dem Ur&#x017F;prunge des Bru&#x017F;tmuskels ganz<lb/>
oben weg.</p><lb/>
            <p>Jch habe ge&#x017F;ehen, daß nichts als ein Band die gan-<lb/>
ze Gegend die&#x017F;es Muskels eingenommen.</p><lb/>
            <p>Man i&#x017F;t wegen &#x017F;einer Verrichtungen nicht eins.<lb/>
Man hat la&#x0364;ng&#x017F;tens &#x017F;chon geleugnet <note place="foot" n="(u)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SPIGELIVS.</hi> L. IV. c. 9.<lb/><hi rendition="#k">i. r. c. <hi rendition="#g">garengeot.</hi></hi> myotom.<lb/>
humaine et canine. T. II.</hi> S. 212.</note>, daß er die er&#x017F;te<lb/>
Ribbe erhebe, und es hat die&#x017F;e Meinung nur neulich noch<lb/>
einen ange&#x017F;ehenen Go&#x0364;nner gefunden <note place="foot" n="(x)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">WINSLOW.</hi> n. 922.<lb/>
Memoir. de l&#x2019; Academ. des &#x017F;cienc.</hi><lb/>
1726. S. 190. 1738. S. 76.</note>. Andre Ma&#x0364;n-<lb/>
ner von gro&#x017F;&#x017F;em An&#x017F;ehn haben es in Zweifel gezogen <note place="foot" n="(y)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">RIOLANVS.</hi></hi></note>.</p><lb/>
            <p>Endlich &#x017F;o ver&#x017F;tatten ihm Schrift&#x017F;teller, deren Stim-<lb/>
men in die&#x017F;em Falle den Aus&#x017F;chlag geben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="(z)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">FALLOP.</hi> ob&#x017F;erv.</hi> S. 94<supplied>5</supplied><lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">albin.</hi></hi></hi> ang. Ort. S. 270. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">dou-<lb/>
gla&#x017F;&#x017F;.</hi></hi></hi> eben angef. Ort.</note>,<lb/>
eine kleine Kraft die Ribben zu erheben.</p><lb/>
            <p>Fu&#x0364;r meine Per&#x017F;on zweifle ich gar nicht, daß er nicht<lb/>
die Ribben heben &#x017F;olte <note place="foot" n="(a)">Die&#x017F;e Meinung war gemein,<lb/>
und auch des <hi rendition="#fr">Galeni</hi> &#x017F;eine bei<lb/>
dem <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">oriba&#x017F;iv&#x017F;.</hi></hi></hi> S. 228. auch<lb/>
des <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">ve&#x017F;alli</hi></hi></hi> &#x017F;eine. <hi rendition="#aq">L. II. c.</hi> 35. u. f.</note>. Denn da an einem Muskel<lb/>
blos das Flei&#x017F;ch das Zu&#x017F;ammenziehen verrichtet, und da<lb/>
er vom Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;elbeine flei&#x017F;chig hervorko&#x0364;mmt, aber &#x017F;ehnig<lb/>
wird, wenn er &#x017F;ich auf die Ribbe wirft, &#x017F;o i&#x017F;t beinahe<lb/>
gewis, daß &#x017F;ich der Muskel gegen die Gegend zu&#x017F;am-<lb/>
menziehe, wo &#x017F;ein Flei&#x017F;ch i&#x017F;t, und daß er al&#x017F;o die Ribbe<lb/>
erhebe; da er &#x017F;ich an ein beweglicheres Stu&#x0364;kk, und nicht<lb/>
wie <hi rendition="#fr">Ve&#x017F;al</hi> &#x017F;chreibt, ans Bru&#x017F;tbein anha&#x0364;ngt. Das<lb/>
Ribbenerheben aber ver&#x017F;tehe ich &#x017F;o, daß die Bru&#x017F;t zugleich<lb/>
mit folge, und in die Ho&#x0364;he &#x017F;teige, da die er&#x017F;te Ribbe fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;ich allein nicht bewegt werden kann <note place="foot" n="(b)">Vorherg. §. 4.</note>. Ferner da es<lb/>
&#x017F;elten ge&#x017F;chicht, daß zugleich die ganze Bru&#x017F;t in die Ho&#x0364;he<lb/>
fa&#x0364;hrt, &#x017F;o verwendet &#x017F;ich das Amt die&#x017F;es Muskels vielmehr<lb/>
darauf, daß er die Bru&#x017F;t aufha&#x0364;lt, damit &#x017F;ie von den<lb/>
Niederziehern gar nicht niedergezogen werden mo&#x0364;ge, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0081] I. Abſchnitt. Die Bruſt. Bruſtbeine (t), und der hintern Oberflaͤche ſeines erſten Knochens, uͤber dem Urſprunge des Bruſtmuskels ganz oben weg. Jch habe geſehen, daß nichts als ein Band die gan- ze Gegend dieſes Muskels eingenommen. Man iſt wegen ſeiner Verrichtungen nicht eins. Man hat laͤngſtens ſchon geleugnet (u), daß er die erſte Ribbe erhebe, und es hat dieſe Meinung nur neulich noch einen angeſehenen Goͤnner gefunden (x). Andre Maͤn- ner von groſſem Anſehn haben es in Zweifel gezogen (y). Endlich ſo verſtatten ihm Schriftſteller, deren Stim- men in dieſem Falle den Ausſchlag geben muͤſſen (z), eine kleine Kraft die Ribben zu erheben. Fuͤr meine Perſon zweifle ich gar nicht, daß er nicht die Ribben heben ſolte (a). Denn da an einem Muskel blos das Fleiſch das Zuſammenziehen verrichtet, und da er vom Schluͤſſelbeine fleiſchig hervorkoͤmmt, aber ſehnig wird, wenn er ſich auf die Ribbe wirft, ſo iſt beinahe gewis, daß ſich der Muskel gegen die Gegend zuſam- menziehe, wo ſein Fleiſch iſt, und daß er alſo die Ribbe erhebe; da er ſich an ein beweglicheres Stuͤkk, und nicht wie Veſal ſchreibt, ans Bruſtbein anhaͤngt. Das Ribbenerheben aber verſtehe ich ſo, daß die Bruſt zugleich mit folge, und in die Hoͤhe ſteige, da die erſte Ribbe fuͤr ſich allein nicht bewegt werden kann (b). Ferner da es ſelten geſchicht, daß zugleich die ganze Bruſt in die Hoͤhe faͤhrt, ſo verwendet ſich das Amt dieſes Muskels vielmehr darauf, daß er die Bruſt aufhaͤlt, damit ſie von den Niederziehern gar nicht niedergezogen werden moͤge, und daß (t) Er hatte das Schluͤſſelbein gegen das Bruſtbein herabgezogen. veſal. S. 342. (u) SPIGELIVS. L. IV. c. 9. i. r. c. garengeot. myotom. humaine et canine. T. II. S. 212. (x) WINSLOW. n. 922. Memoir. de l’ Academ. des ſcienc. 1726. S. 190. 1738. S. 76. (y) RIOLANVS. (z) FALLOP. obſerv. S. 945 albin. ang. Ort. S. 270. dou- glaſſ. eben angef. Ort. (a) Dieſe Meinung war gemein, und auch des Galeni ſeine bei dem oribaſivſ. S. 228. auch des veſalli ſeine. L. II. c. 35. u. f. (b) Vorherg. §. 4.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/81
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/81>, abgerufen am 27.11.2024.