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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

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IIII. Abschn. Das Reden.
einem wahren Selbstlauter, in die Höhe gehoben wird.
Sie unterscheiden sich auch nicht blos durch ihren kurzen
Ton von ihren gleichnamigen Selbstlautern, denn man
mag sie so lang herausziehen, als man will, so bleiben sie
doch taub und Kehlentöne. Darunter wird das a in den
deutschen, und englischen all und ball, so wie im fran-
zösischen Worte Accent vernommen, und es hat dieses a
vor dem offenen a, den Unterscheid, daß es keine Ein-
richtung der Lippen bedarf, und dennoch ausgesprochen
werden kann, die Lippen mögen eine Lage haben, wie
man will; es kann auch die Zunge dabei liegen, wie sie
will, ob sie gleich gemeiniglich mitten im Munde zu schwe-
ben pflegt.

Das Scheva, oder das weibliche e der Franzosen,
welches bei den deutschen und Engländern vornemlich in
der Endigung der Wörter Sünder und Sinner vor-
kommt, bedarf keiner Bewegung der Zähne und Lippen,
und es kann in aller möglicher Lage der Lippen und
Zungen ausgesprochen werden, indessen hebt sich doch da-
zu die Zunge gemeiniglich mit ihrer Spizze etwas mehr
in die Höhe, als im tauben a. Um diesen Selbstlauter
auszudrükken, steigt der Luftröhrenkopf ein wenig in die
Höhe, und er zittert dennoch nicht bei diesem Aufsteigen.

Diesem ist überhaupt das kurze oder taube i, wie im
teutschen Worte irren; und das taube o, im Worte
Rotte, wie auch das kurze u, im teutschen Bund,
Sprung,
und in der französischen Silbe on ähnlich.
Beide haben mit dem wahren Selbstlauter einige Aen-
lichkeit, nur daß die Lippen dazu näher zusammen kom-
men, und es stößt im tauben u die Zunge nicht an die
Zähne an, ob sie gleich in die Höhe gehoben wird. Auf
eine ähnliche Weise bildet sich auch das taube ae, oe und
ui in der Kehle.

§. 4.
Z z 5

IIII. Abſchn. Das Reden.
einem wahren Selbſtlauter, in die Hoͤhe gehoben wird.
Sie unterſcheiden ſich auch nicht blos durch ihren kurzen
Ton von ihren gleichnamigen Selbſtlautern, denn man
mag ſie ſo lang herausziehen, als man will, ſo bleiben ſie
doch taub und Kehlentoͤne. Darunter wird das a in den
deutſchen, und engliſchen all und ball, ſo wie im fran-
zoͤſiſchen Worte Accent vernommen, und es hat dieſes a
vor dem offenen a, den Unterſcheid, daß es keine Ein-
richtung der Lippen bedarf, und dennoch ausgeſprochen
werden kann, die Lippen moͤgen eine Lage haben, wie
man will; es kann auch die Zunge dabei liegen, wie ſie
will, ob ſie gleich gemeiniglich mitten im Munde zu ſchwe-
ben pflegt.

Das Scheva, oder das weibliche e der Franzoſen,
welches bei den deutſchen und Englaͤndern vornemlich in
der Endigung der Woͤrter Suͤnder und Sinner vor-
kommt, bedarf keiner Bewegung der Zaͤhne und Lippen,
und es kann in aller moͤglicher Lage der Lippen und
Zungen ausgeſprochen werden, indeſſen hebt ſich doch da-
zu die Zunge gemeiniglich mit ihrer Spizze etwas mehr
in die Hoͤhe, als im tauben a. Um dieſen Selbſtlauter
auszudruͤkken, ſteigt der Luftroͤhrenkopf ein wenig in die
Hoͤhe, und er zittert dennoch nicht bei dieſem Aufſteigen.

Dieſem iſt uͤberhaupt das kurze oder taube i, wie im
teutſchen Worte irren; und das taube o, im Worte
Rotte, wie auch das kurze u, im teutſchen Bund,
Sprung,
und in der franzoͤſiſchen Silbe on aͤhnlich.
Beide haben mit dem wahren Selbſtlauter einige Aen-
lichkeit, nur daß die Lippen dazu naͤher zuſammen kom-
men, und es ſtoͤßt im tauben u die Zunge nicht an die
Zaͤhne an, ob ſie gleich in die Hoͤhe gehoben wird. Auf
eine aͤhnliche Weiſe bildet ſich auch das taube ae, oe und
ui in der Kehle.

§. 4.
Z z 5
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[727[729]/0735] IIII. Abſchn. Das Reden. einem wahren Selbſtlauter, in die Hoͤhe gehoben wird. Sie unterſcheiden ſich auch nicht blos durch ihren kurzen Ton von ihren gleichnamigen Selbſtlautern, denn man mag ſie ſo lang herausziehen, als man will, ſo bleiben ſie doch taub und Kehlentoͤne. Darunter wird das a in den deutſchen, und engliſchen all und ball, ſo wie im fran- zoͤſiſchen Worte Accent vernommen, und es hat dieſes a vor dem offenen a, den Unterſcheid, daß es keine Ein- richtung der Lippen bedarf, und dennoch ausgeſprochen werden kann, die Lippen moͤgen eine Lage haben, wie man will; es kann auch die Zunge dabei liegen, wie ſie will, ob ſie gleich gemeiniglich mitten im Munde zu ſchwe- ben pflegt. Das Scheva, oder das weibliche e der Franzoſen, welches bei den deutſchen und Englaͤndern vornemlich in der Endigung der Woͤrter Suͤnder und Sinner vor- kommt, bedarf keiner Bewegung der Zaͤhne und Lippen, und es kann in aller moͤglicher Lage der Lippen und Zungen ausgeſprochen werden, indeſſen hebt ſich doch da- zu die Zunge gemeiniglich mit ihrer Spizze etwas mehr in die Hoͤhe, als im tauben a. Um dieſen Selbſtlauter auszudruͤkken, ſteigt der Luftroͤhrenkopf ein wenig in die Hoͤhe, und er zittert dennoch nicht bei dieſem Aufſteigen. Dieſem iſt uͤberhaupt das kurze oder taube i, wie im teutſchen Worte irren; und das taube o, im Worte Rotte, wie auch das kurze u, im teutſchen Bund, Sprung, und in der franzoͤſiſchen Silbe on aͤhnlich. Beide haben mit dem wahren Selbſtlauter einige Aen- lichkeit, nur daß die Lippen dazu naͤher zuſammen kom- men, und es ſtoͤßt im tauben u die Zunge nicht an die Zaͤhne an, ob ſie gleich in die Hoͤhe gehoben wird. Auf eine aͤhnliche Weiſe bildet ſich auch das taube ae, oe und ui in der Kehle. §. 4. Z z 5

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 727[729]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/735>, abgerufen am 22.11.2024.