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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

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V. Abschn. Der Nuzzen.

Daß die Luft einen offnen Weg finde, auf den We-
gen der eingeatmeten Feuchtigkeiten ins Blut zu kommen,
das ist gewis, wenn sie so zu sagen, in diesen Feuchtig-
keiten zergangen, und zugleich darinnen wirksam gemacht
ist. Folglich dringt die Luft, zugleich mit den Dünsten,
die die Lunge aus der Luft empfängt, mit der Nahrungs-
milch, mit der Hautdünstung hinein, wiewohl sonst die
Luft für sich wenig geschikkt ist, in die Haut einzudrin-
gen (l). Doch es ist auch nicht einmal an Jnsekkten
wahr, daß die Luft durch die Haut ausdünsten sollte (m).
Sie wird mit dem Lungendunste um desto leichter einge-
schlukkt, weil sie von einer jeden thierischen Ausdüustung
die Federkraft verliert, und sich in einen fixen Zustand
begiebt. Eine, mit dem sauren Schwefeldampfe verun-
reinigte Luft, erregt, wenn man sie in den Bauch, oder
in die Brust eines Thieres treibt, Schmerzen, und einen
beschwerlichen Atem. Wenn sie hingegen verschlukkt
wird, so sind Thiere innerhalb zweien Tagen wieder zu
sich selbst gekommen (n). Selst die Wunden der Brust,
in welche Luft eingedrungen, sind so leicht zu heilen (o),
daß ich mich einige male über diese Leichtigkeit verwundert
habe, und das besonders an einem jungen Menschen,
dessen Brust, unter der linken Warze, mit einem De-
gen dergestalt durchboret war, daß derselbe durch den
Rükken durchgieng, wobei das Blutspeien nicht ausblieb.
Es mus bei dergleichen Heilung die Lust, welche in die
Brust eingedrungen, ihre elastische Kraft ablegen, weil
sie sonst, vermittelst derselben, die Lunge zusammendrükken
würde (p). Auf eben diese Weise wird auch die, im Zell-
gewebe zerstreute Luft, wieder eingeschlukkt. Wenn sie

ihre
(l) [Spaltenumbruch] MVSSCHENBR. S. 40.
41.
(m) BONNET phys. trans. n.
487.
(n) B. LANGRISH physic.
[Spaltenumbruch] exp.
4. 5. 6.
(o) HEVERM. oper. T. II.
S. 232.
(p) 8 B. 2. A. 6 Nr.
L l 3
V. Abſchn. Der Nuzzen.

Daß die Luft einen offnen Weg finde, auf den We-
gen der eingeatmeten Feuchtigkeiten ins Blut zu kommen,
das iſt gewis, wenn ſie ſo zu ſagen, in dieſen Feuchtig-
keiten zergangen, und zugleich darinnen wirkſam gemacht
iſt. Folglich dringt die Luft, zugleich mit den Duͤnſten,
die die Lunge aus der Luft empfaͤngt, mit der Nahrungs-
milch, mit der Hautduͤnſtung hinein, wiewohl ſonſt die
Luft fuͤr ſich wenig geſchikkt iſt, in die Haut einzudrin-
gen (l). Doch es iſt auch nicht einmal an Jnſekkten
wahr, daß die Luft durch die Haut ausduͤnſten ſollte (m).
Sie wird mit dem Lungendunſte um deſto leichter einge-
ſchlukkt, weil ſie von einer jeden thieriſchen Ausduͤuſtung
die Federkraft verliert, und ſich in einen fixen Zuſtand
begiebt. Eine, mit dem ſauren Schwefeldampfe verun-
reinigte Luft, erregt, wenn man ſie in den Bauch, oder
in die Bruſt eines Thieres treibt, Schmerzen, und einen
beſchwerlichen Atem. Wenn ſie hingegen verſchlukkt
wird, ſo ſind Thiere innerhalb zweien Tagen wieder zu
ſich ſelbſt gekommen (n). Selſt die Wunden der Bruſt,
in welche Luft eingedrungen, ſind ſo leicht zu heilen (o),
daß ich mich einige male uͤber dieſe Leichtigkeit verwundert
habe, und das beſonders an einem jungen Menſchen,
deſſen Bruſt, unter der linken Warze, mit einem De-
gen dergeſtalt durchboret war, daß derſelbe durch den
Ruͤkken durchgieng, wobei das Blutſpeien nicht ausblieb.
Es mus bei dergleichen Heilung die Luſt, welche in die
Bruſt eingedrungen, ihre elaſtiſche Kraft ablegen, weil
ſie ſonſt, vermittelſt derſelben, die Lunge zuſammendruͤkken
wuͤrde (p). Auf eben dieſe Weiſe wird auch die, im Zell-
gewebe zerſtreute Luft, wieder eingeſchlukkt. Wenn ſie

ihre
(l) [Spaltenumbruch] MVSSCHENBR. S. 40.
41.
(m) BONNET phyſ. tranſ. n.
487.
(n) B. LANGRISH phyſic.
[Spaltenumbruch] exp.
4. 5. 6.
(o) HEVERM. oper. T. II.
S. 232.
(p) 8 B. 2. A. 6 Nr.
L l 3
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[531[533]/0539] V. Abſchn. Der Nuzzen. Daß die Luft einen offnen Weg finde, auf den We- gen der eingeatmeten Feuchtigkeiten ins Blut zu kommen, das iſt gewis, wenn ſie ſo zu ſagen, in dieſen Feuchtig- keiten zergangen, und zugleich darinnen wirkſam gemacht iſt. Folglich dringt die Luft, zugleich mit den Duͤnſten, die die Lunge aus der Luft empfaͤngt, mit der Nahrungs- milch, mit der Hautduͤnſtung hinein, wiewohl ſonſt die Luft fuͤr ſich wenig geſchikkt iſt, in die Haut einzudrin- gen (l). Doch es iſt auch nicht einmal an Jnſekkten wahr, daß die Luft durch die Haut ausduͤnſten ſollte (m). Sie wird mit dem Lungendunſte um deſto leichter einge- ſchlukkt, weil ſie von einer jeden thieriſchen Ausduͤuſtung die Federkraft verliert, und ſich in einen fixen Zuſtand begiebt. Eine, mit dem ſauren Schwefeldampfe verun- reinigte Luft, erregt, wenn man ſie in den Bauch, oder in die Bruſt eines Thieres treibt, Schmerzen, und einen beſchwerlichen Atem. Wenn ſie hingegen verſchlukkt wird, ſo ſind Thiere innerhalb zweien Tagen wieder zu ſich ſelbſt gekommen (n). Selſt die Wunden der Bruſt, in welche Luft eingedrungen, ſind ſo leicht zu heilen (o), daß ich mich einige male uͤber dieſe Leichtigkeit verwundert habe, und das beſonders an einem jungen Menſchen, deſſen Bruſt, unter der linken Warze, mit einem De- gen dergeſtalt durchboret war, daß derſelbe durch den Ruͤkken durchgieng, wobei das Blutſpeien nicht ausblieb. Es mus bei dergleichen Heilung die Luſt, welche in die Bruſt eingedrungen, ihre elaſtiſche Kraft ablegen, weil ſie ſonſt, vermittelſt derſelben, die Lunge zuſammendruͤkken wuͤrde (p). Auf eben dieſe Weiſe wird auch die, im Zell- gewebe zerſtreute Luft, wieder eingeſchlukkt. Wenn ſie ihre (l) MVSSCHENBR. S. 40. 41. (m) BONNET phyſ. tranſ. n. 487. (n) B. LANGRISH phyſic. exp. 4. 5. 6. (o) HEVERM. oper. T. II. S. 232. (p) 8 B. 2. A. 6 Nr. L l 3

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 531[533]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/539>, abgerufen am 22.11.2024.