und ohne Hülfe eines Werkzeuges, sich das Leben endlich selbst nehmen könne (i). Dagegen habe ich oft gesehen, daß Thiere den ersten Atemzug durch willkührliche Be- wegung verrichten, daß junge Hühner mit offnem Schna- bel nach der Luft schnappen, daß sich junge Hunde in der Luft krümmen, Atem suchen, gleichsam gähnen, und end- lich wirklich Luft schöpfen. Folglich, wird der Anfang, das Ende, das Wachsen, vermindern, und die Zwi- schenruhe im Atmen, von dem Willen beherrscht.
Wenn das Atemholen eine willkührliche Sache ist, so wird solches, wie alles andre, das unter dem Gebiete des Willens steht, vom Vergnügen und Schmerzen re- giert. Eine Art von Schmerzen, und zwar unerträgli- chen Schmerzen, ist die Beklemmung. Eine Beklem- mung, empfindet der Mensch, bei dem das Ausatmen gehemmt, und die Luft in der Lunge zurükke gehalten wird. Von dieser Aengstlichkeit macht man sich los, wenn man den Atem ausläst, man atmet also aus, und das eben auf die Weise, wie man nieset, zu Stule geht, den Harn läst, nämlich um sich von einer unausstehlichen Beschwerlichkeit los zu machen.
Es ist mir bekannt, was wider diese nähere Auflö- sung der Aufgabe, der Sahlischen Parthei (k), auch von sehr scharfsinnigen Männern (l) hin und wieder einge- wandt worden. Wir atmen, wider unser Wissen, im Schlafe, im Schlage, und da wir auf alle andre Dinge mehr Aufmerksamkeit wenden (m): Es ist die Beschwer- lichkeit von einem langwierigen Einatmen so gros, daß man auf die wahre Ursache des Ausatmens gerathen könne, doch sei dieses nicht jederzeit die wahre Ursache des Aus- atmens, ein gesunder Mensch erwartet diese Beschwer-
lich-
(i)[Spaltenumbruch]
§. 13.
(k) Dem| Jnstinkte schreibt es ridley zu, welches fast einer- lei ist, of the brain. S. 165. 166.
(l)[Spaltenumbruch]SENAC. angef. Ort. S. 383. 384.
(m)FABRICIVS. L. II. S. 24.
IIII. Abſchn. deſſen Erſcheinungen.
und ohne Huͤlfe eines Werkzeuges, ſich das Leben endlich ſelbſt nehmen koͤnne (i). Dagegen habe ich oft geſehen, daß Thiere den erſten Atemzug durch willkuͤhrliche Be- wegung verrichten, daß junge Huͤhner mit offnem Schna- bel nach der Luft ſchnappen, daß ſich junge Hunde in der Luft kruͤmmen, Atem ſuchen, gleichſam gaͤhnen, und end- lich wirklich Luft ſchoͤpfen. Folglich, wird der Anfang, das Ende, das Wachſen, vermindern, und die Zwi- ſchenruhe im Atmen, von dem Willen beherrſcht.
Wenn das Atemholen eine willkuͤhrliche Sache iſt, ſo wird ſolches, wie alles andre, das unter dem Gebiete des Willens ſteht, vom Vergnuͤgen und Schmerzen re- giert. Eine Art von Schmerzen, und zwar unertraͤgli- chen Schmerzen, iſt die Beklemmung. Eine Beklem- mung, empfindet der Menſch, bei dem das Ausatmen gehemmt, und die Luft in der Lunge zuruͤkke gehalten wird. Von dieſer Aengſtlichkeit macht man ſich los, wenn man den Atem auslaͤſt, man atmet alſo aus, und das eben auf die Weiſe, wie man nieſet, zu Stule geht, den Harn laͤſt, naͤmlich um ſich von einer unausſtehlichen Beſchwerlichkeit los zu machen.
Es iſt mir bekannt, was wider dieſe naͤhere Aufloͤ- ſung der Aufgabe, der Sahliſchen Parthei (k), auch von ſehr ſcharfſinnigen Maͤnnern (l) hin und wieder einge- wandt worden. Wir atmen, wider unſer Wiſſen, im Schlafe, im Schlage, und da wir auf alle andre Dinge mehr Aufmerkſamkeit wenden (m): Es iſt die Beſchwer- lichkeit von einem langwierigen Einatmen ſo gros, daß man auf die wahre Urſache des Ausatmens gerathen koͤnne, doch ſei dieſes nicht jederzeit die wahre Urſache des Aus- atmens, ein geſunder Menſch erwartet dieſe Beſchwer-
lich-
(i)[Spaltenumbruch]
§. 13.
(k) Dem| Jnſtinkte ſchreibt es ridley zu, welches faſt einer- lei iſt, of the brain. S. 165. 166.
(l)[Spaltenumbruch]SENAC. angef. Ort. S. 383. 384.
(m)FABRICIVS. L. II. S. 24.
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IIII. Abſchn. deſſen Erſcheinungen.
und ohne Huͤlfe eines Werkzeuges, ſich das Leben endlich
ſelbſt nehmen koͤnne (i). Dagegen habe ich oft geſehen,
daß Thiere den erſten Atemzug durch willkuͤhrliche Be-
wegung verrichten, daß junge Huͤhner mit offnem Schna-
bel nach der Luft ſchnappen, daß ſich junge Hunde in der
Luft kruͤmmen, Atem ſuchen, gleichſam gaͤhnen, und end-
lich wirklich Luft ſchoͤpfen. Folglich, wird der Anfang,
das Ende, das Wachſen, vermindern, und die Zwi-
ſchenruhe im Atmen, von dem Willen beherrſcht.
Wenn das Atemholen eine willkuͤhrliche Sache iſt,
ſo wird ſolches, wie alles andre, das unter dem Gebiete
des Willens ſteht, vom Vergnuͤgen und Schmerzen re-
giert. Eine Art von Schmerzen, und zwar unertraͤgli-
chen Schmerzen, iſt die Beklemmung. Eine Beklem-
mung, empfindet der Menſch, bei dem das Ausatmen
gehemmt, und die Luft in der Lunge zuruͤkke gehalten
wird. Von dieſer Aengſtlichkeit macht man ſich los,
wenn man den Atem auslaͤſt, man atmet alſo aus, und
das eben auf die Weiſe, wie man nieſet, zu Stule geht,
den Harn laͤſt, naͤmlich um ſich von einer unausſtehlichen
Beſchwerlichkeit los zu machen.
Es iſt mir bekannt, was wider dieſe naͤhere Aufloͤ-
ſung der Aufgabe, der Sahliſchen Parthei (k), auch
von ſehr ſcharfſinnigen Maͤnnern (l) hin und wieder einge-
wandt worden. Wir atmen, wider unſer Wiſſen, im
Schlafe, im Schlage, und da wir auf alle andre Dinge
mehr Aufmerkſamkeit wenden (m): Es iſt die Beſchwer-
lichkeit von einem langwierigen Einatmen ſo gros, daß man
auf die wahre Urſache des Ausatmens gerathen koͤnne,
doch ſei dieſes nicht jederzeit die wahre Urſache des Aus-
atmens, ein geſunder Menſch erwartet dieſe Beſchwer-
lich-
(i)
§. 13.
(k) Dem| Jnſtinkte ſchreibt es
ridley zu, welches faſt einer-
lei iſt, of the brain. S. 165. 166.
(l)
SENAC. angef. Ort. S. 383.
384.
(m) FABRICIVS. L. II.
S. 24.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/419>, abgerufen am 22.11.2024.
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